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Wer braucht die Grünen?

©APA/BARBARA GINDL
Gastkommentar von Johannes Huber. Grüne sind in der Regierung, um türkise Vorstellungen zu unterstützen. Höhepunkt: ORF-Wahl. Dabei haben sie auch noch das Bummerl.

Spötter behaupten, für das 1-2-3-Ticket zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in ganz Österreich würden die Grünen alles hinnehmen, ja sich selbst sogar aufgeben. Das ist übertrieben, aber nicht voll daneben. In der Regierung vernachlässigen Werner Kogler und Co. ziemlich viel Bestes aus ihrer Welt: „Bildung“, einst eines ihrer größeren Themen, wird erst gar nicht mehr wahrnehmbar behandelt von ihnen. Auch Flüchtlingspolitik – und damit Menschenrechte - überlassen sie den Türkisen von Sebastian Kurz. Deren Angriffe auf die Justiz wiederum können sie bestenfalls abfedern. Ans Äußerste gehen und sagen „Jetzt ist aber Schluss, sonst kracht’s“ mögen sie nicht. Dann wäre die Koalition zu Ende und damit eben auch das 1-2-3-Ticket Geschichte.

Ob die Grünen ahnen, wie gefährlich das Spiel ist, auf das sie sich hier einlassen? Wären morgen Neuwahlen, würde sie ziemlich nackt dastehen. Sie hätten kaum etwas vorzuweisen und wären mit enttäuschten Anhängern konfrontiert.

Zumal sie jetzt auch noch Roland Weißmann, den ÖVP-Wunschmann und zukünftigen ORF-Generaldirektor, unterstützt haben: Prominente Schriftsteller wie Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier und Robert Menasse haben in einer gemeinsamen Erklärung ihren Unmut darüber sehr persönlich kundgetan. „Lieber Werner Kogler, Unterwerfung ist hässlich“, schrieben sie.

Schlimmer für die Grünen ist, dass nach der Kür von Weißmann nicht nur die Türkisen, sondern auch sie als diejenigen dastehen, die hier hemmungslos Postenschacher betreiben. Sprich: Sie haben das Bummerl. Das zeugt auch von einer gewissen Unbeholfenheit, um nicht zu sagen Unfähigkeit. Konkret: Laut „Standard“ bestätigte Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, dass sie nun ein gewichtiges Wort mitreden dürfen bei der Bestellung des Führungsteams um Weißmann. Zitat: Dass es den grünen Stiftungsräten zustehe, zwei von vier ORF-Direktoren – jene für Finanzen und Programm – zu nominieren, dementiert die Parlamentarierin nicht. So könne für eine „ausgewogenere Situation“ gesorgt werden: „Würden die grünen Vertreter bei der Wahl Weißmanns nicht mitgehen, wäre der Einfluss der ÖVP im ORF am Ende größer.“

Das ist eine absurde Argumentation: Die Grünen beteiligten sich an grundsätzlich verwerflichem Postenschacher, anstatt diesen anzuprangern und den Koalitionspartner daran zu erinnern, dass er solche Praktiken eigentlich einstellen und neu regieren wollte – das war zumindest ein Wahlversprechen, mit dem Sebastian Kurz 2017 angetreten ist und sehr vielen Menschen in Österreich Hoffnung gemacht hat.

Was treibt die Grünen an, hier mitzumachen? Das 1-2-3-Ticket kann’s nicht gewesen sein – und ist es auch nicht. Kogler und Co. wollen natürlich mehr Klimaschutz und setzen in diesem Sinne auf eine Öko-Steuerreform im Herbst. Allein: Nachdem Kurz bereits im Vorfeld vor einem Rückfall in die Steinzeit gewarnt hat und türkise Wirtschaftsvertreter unter anderem eine Spritpreiserhöhung abgelehnt haben, sollten sie eher mit dem Schlimmsten rechnen: Sie könnten vollkommen leer aussteigen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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