“Also innerhalb von seiner Paranoia ist ihm das sozusagen eingefallen.” Es sei fast so gewesen, als hätte Priklopil gewollt, dass sie irgendwann frei kommt. Irgendwie, dass die Gerechtigkeit siegt oder so.
Am Tag der Flucht habe sie gefühlt, dass der Zeitpunkt gekommen war: Ich wusste in dem Moment, wenn nicht jetzt, dann vielleicht nie mehr wieder, schilderte die 18-Jährige ORF-Journalist Christoph Feurstein. Ich hab geschaut. Er hat sich umgedreht. Ich hab ihm in den Monaten davor auch schon gesagt: Ich kann so nicht mehr leben. Ich werde sicherlich versuchen, von dir zu fliehen. Und … Ja, ich dachte mir: Wenn nicht jetzt …
Trotz allem hat sich das Entführungsopfer viele Gedanken um andere Menschen gemacht: Ich hatte auch eine irrsinnige Sorge, seiner Mutter und seinen näheren Freunden und Nachbarn und Bekannten ihr Weltbild zu ruinieren. Schließlich sei Priklopil immer der nette, hilfsbereite Typ gewesen – immer freundlich, immer korrekt. Sie habe das seiner Mutter nicht antun wollen, dass sie diese andere Seite von ihrem Sohn kennen lernt. Mutter und Sohn hätten ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Und es tut mir auch jetzt irrsinnig Leid für die Frau Priklopil.
Trotz mehr als acht Jahren, die Psychiater Max Friedrich zuvor einmal als Isolationsfolter bezeichnete, habe sie sich nicht einsam gefühlt, sagte Natascha Kampusch. In meinem Herzen war meine Familie. Und glückliche Erinnerungen waren immer bei mir. Sie habe sich geschworen, dass ich älter werde, stärker und kräftiger, um mich eines Tages befreien zu können. Ich hab sozusagen mit meinem späteren Ich einen Pakt geschlossen. Dass es kommen würde und das kleine zwölfjährige Mädchen befreien würde.
Die 18-Jährige ist sich bewusst, dass sie vieles versäumt hat: Der erste Freund, alles Mögliche. Ich hab versucht, beispielsweise immer besser zu sein als die Leute draußen. Oder mit ihnen gleichzuziehen. Vor allem was die Schulbildung betrifft. Sie habe sich Wissen aneignen wollen. Ich hab mir zum Beispiel im Selbststudium Stricken beigebracht.
Jetzt möchte Natascha Kampusch unbedingt reisen – eine Kreuzfahrt mit der Familie, eine Maturareise, sollte sie die Matura bestehen, oder eine Zugfahrt nach Berlin mit einer ihrer Schwestern.
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