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„Wenn du die Chance hast, tu’s“

©Sams
Mit nur 24 Jahren hat Seraphin Tschohl das Posthotel Taube in Schruns übernommen. W&W sprach mit ihm über Entscheidungen, Fachkräftemangel und Altersfragen.

WANN & WO: Als du die Geschäftsführung der Taube im November 2017 übernommen hast, warst du 24. Manche sind da noch nicht einmal mit der Uni oder der Lehre fertig.

Seraphin Tschohl: Zugegeben, zu Beginn war dies schon eine große Herausforderung. Ich habe zwar seit Jahren schon im Betrieb meiner Eltern mitgearbeitet, aber von heute auf morgen für 20 Mitarbeiter verantwortlich zu sein und dafür auch allein geradezustehen, das ist schon etwas Anderes.

WANN & WO: Das ist auch nichts, was man in der Schule oder der Ausbildung lernt. Wie hast du dich darauf vorbereitet?

Seraphin Tschohl: Es gibt nur eine Ausbildung und das ist „Learning By Doing“, alles Andere funktioniert nicht. Logischerweise ist es wichtig, dass man sich in der Küche, an der Rezeption und im Service auskennt. Das habe ich in der Lehre gelernt. Aber nicht, die Abteilungen ineinander zu gliedern. Noch dazu sind die in der Gastronomie und Hotellerie besonders miteinander verzahnt. Ganz besonders die Bereiche Küche und Service arbeiten in der Regel sehr eng zusammen und da muss man dann auch den Draht halten, damit das zufriedenstellend funktioniert.

WANN & WO: Deine Eltern betreiben das Hotel Montafonerhof in Tschagguns. Wie kam es, dass du im November die Taube übernommen hast?

Seraphin Tschohl: Ich kam quasi wie die Jungfrau zum Kind. (lacht) Die Taube wurde verkauft, die neuen Eigentümer haben einen Geschäftsführer gesucht. Zu Beginn habe ich dann gesagt: „Ich bin 24, das ist unmöglich!“ Die neuen Eigentümer und ich haben uns dann in der Taube getroffen, alles angeschaut und ich habe es mir zwar nicht vorstellen können, aber ich habe einfach „Ja“ gesagt (lacht). Und so hat das Eine zum Anderen gefunden und wir haben den Deal per Handschlag
abgeschlossen.

WANN & WO: Ohne nochmal eine Nacht darüber zu schlafen?

Seraphin Tschohl: Ja (lacht). Ich war auch an dem Tag überhaupt zum ersten Mal in der Taube, ich kannte das Haus von innen gar nicht. Es ist ja ein älteres Gebäude. Das hat mich zu Beginn sehr fasziniert, ich bin aber schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt worden. Maschinen und das Handwerkszeug erneuern sich ständig. Da sind die Umstände in einem alten Haus nicht unbedingt optimal. Aber ich habe einen guten Freund, der immer sagt: „Wenn du zweifelst ob du sollst oder nicht, tu es.“ Das habe ich berücksichtigt und erstmal für einen Winter zugesagt. Jetzt ist das Ganze doch ein bisschen länger gegangen. Anfangs gab es schon Startschwierigkeiten. Ich hatte eben keine Ahnung, was und welchen Mitarbeiter ich zu welcher Zeit brauche. Aber mittlerweile hat sich das ganz gut eingespielt.

WANN & WO: Apropos Mitarbeiter: Ich habe gesehen, dass ihr gerade wieder Leute für die Sommersaison sucht. Wie drängend erlebst du den Fachkräftemangel?

Seraphin Tschohl: Einen kompetenten Facharbeiter zu finden, ist äußerst schwierig. Allein schon, weil gute Saisonniers meist ihre fixe Saisonstelle haben. Man muss Glück haben und das Thema Mitarbeiter mit Fingerspitzengefühl behandeln. Die Work-Life-Balance ist für Mitarbeiter immer wichtiger. Die Mitarbeiter haben Termine. Ob beim Arzt, beim Steuerberater oder zu Familienfesten. Sie sind aber unser Kapital und wenn einer von ihnen fragt, ob er freihaben kann, dann fragt er das nicht zum Spaß, sondern weil es ihm wichtig ist. Aus welchem Grund auch immer. Im Schnitt bekommen wir das von zehnmal auch neunmal hin. Wenn aber Fasching, Weihnachten oder Silvester ist, oder wir eine große Veranstaltung haben und es deswegen nicht funktioniert, dann sieht das ein Mitarbeiter in unserer Branche auch ein. Es ist wichtig, dass man individuell mit den Mitarbeitern kommuniziert und solche Zugeständnisse macht, zusätzlich zur deutlichen Bezahlung über dem Kollektivvertrag und zu freier Kost und Logis.

WANN & WO: Es ist also noch nicht so drängend, dass du sagst: In der Hochsaison wird es richtig knapp.

Seraphin Tschohl: Doch, genau das wird es. Dabei hätten wir durchaus einige motivierte Mitarbeiter aus Drittstaaten wie Serbien oder Bosnien. Die sind hier und die wollen auch arbeiten, die sprechen super Deutsch und sind hochmotiviert. Sie haben aber nur eine minimale Chance auf eine Bewilligung. Dagegen gibt es Leute aus dem EU-Ausland, die kaum Deutsch sprechen und deren Motivation nicht in der Arbeit liegt. Die haben eine Arbeitsbewilligung und wollen nicht. Und diejenigen, die wollen und könnten, dürfen nicht.

WANN & WO: Also sind in deinen Augen Politik und Bürokratie das Problem?

Seraphin Tschohl: Ich würde es nicht als Problem, sondern als Herausforderung beschreiben. Gesetze können wir nicht ändern, nur bestmöglich damit umgehen. Ich denke da positiv, denn auch wenn ich das nicht tue, ich muss es trotzdem machen (lacht). Spaß bei Seite: Der Mitarbeiter braucht eine Arbeitsbewilligung. Die bekommt er nur, wenn er ein gültiges Visum hat. Das Visum bekommt er aber nur, wenn er eine Arbeitsbestätigung hat. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Jetzt murksen wir uns mit Touristenvisen und kurzfristigen Kontingentplätzen durch. Das ist aber nicht Sinn der Sache und jedes Mal ein Mords-Bürokratie- und Zeitaufwand.

WANN & WO: Um beim Personal zu bleiben: Als du angefangen hast, war wahrscheinlich ein Großteil der Angestellten älter als du …

Seraphin Tschohl: … es waren alle älter (lacht)! Als ich am 1. November 2017 den Schlüssel bekommen habe, war schon geschlossen. Erst am ersten Betriebstag, dem 13. Dezember 2017, habe ich alle Mitarbeiter kennengelernt. Und da habe ich dann dagesessen, als Jüngster in der Runde, und sollte den Leuten sagen, was sie zu tun haben. Dabei dachte ich mir aber, dass sie das eh selbst am besten wissen, schließlich haben sie teilweise schon vorher in der Taube gearbeitet. Das war schon spannend und da ging mir auch wirklich der Puls. Das erste Wochenende, an dem wir geöffnet hatten, war dann auch gleich das Weltcup-Wochenende, also das besucherstärkste Wochenende im ganzen Jahr. Da sind wir gleich von 0 auf 100 ins kalte Wasser geworfen worden. Aber letztendlich hat alles gut geklappt und ich dachte mir ab diesem Zeitpunkt: Wir haben das Wochenende überstanden, uns kann nichts mehr aus der Bahn bringen.

WANN & WO: Gab es Vorbehalte vom Personal selbst, was das Alter angeht?

Seraphin Tschohl: Mir gegenüber jedenfalls nicht (lacht). Aber klar ist es seltsam, wenn man 50 Jahre alt ist und da kommt ein 24-Jähriger und sagt einem, was man zu tun habe. Aber solange man zu seinem Wort steht, ist es egal, ob man 24 oder 65 Jahre alt ist. Insgesamt hat es gut funktioniert und bis auf ein paar Ausnahmen – die in der Gastro übliche Fluktuation – sind auch alle Mitarbeiter noch da.

WANN & WO: Geschäftsführer ist kein Job, bei dem man um 16 Uhr den Stift fallen lässt und heimgeht. Bleibt noch Zeit für dich?

Seraphin Tschohl: Deutlich weniger als früher. In der Zwischensaison, im Frühling und Herbst, bin ich viel draußen in der Natur. Zum Skifahren gehe ich eben morgens, vor Arbeitsbeginn. Auch die Abende und das Wochenende mit der Partnerin halten sich in Grenzen. Die Wörter „Wochenende“ und „frei“ gibt es in der Gastronomie meist nur in der Nebensaison, aber es lässt sich alles arrangieren, wenn man flexibel ist. Ob der Arbeitstag acht oder zwölf Stunden hat, weiß ich am Morgen nie. Aber wenn es dann ein langer Tag wird, stört es mich auch nicht, weil ich es gerne mache.

WANN & WO: Ist es ein Thema, irgendwann einmal das Haus deiner Eltern zu übernehmen?

Seraphin Tschohl: Das ist der feste Plan. Ich beschreibe es immer so: Viele wissen, was sie in ihrem Leben noch alles machen wollen, aber wissen nicht, was sie am Ende tun. Ich hingegen weiß, was ich am Ende mache, aber nicht genau, was ich dazwischen tue (lacht). Ob ich jetzt ins Ausland gehe, noch einmal auf Saison oder eine ganz andere Idee habe, das ist alles möglich, aber nicht zwingend. Ich habe von meiner Familie und meiner Freundin die volle Freiheit und Rückendeckung, zu tun, was ich möchte.

WANN & WO: Du siehst hier tagtäglich so viele Reisende bedauerst du es manchmal, selbst so eingespannt zu sein?

Seraphin Tschohl: Nein, denn ich habe mich für die Taube mit allem, was dazugehört, entschieden. Außerdem habe ich hier mit so vielen Menschen zu tun, dass ich es genauso mag, meine Freizeit mit Familie und Freunden bei einer gemütliche Jause, auf der Jagd oder einer gemeinsamen Skirunde zu verbringen (lacht). (Anja Förtsch / WANN & WO)

Hier lesen Sie die ganze Ausgabe der Wann & Wo.Anja Förtsch / WANN & WO

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