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Wenn das Leid kein Ende nimmt

Das Leiden der Geschundenen der Welt: die "Posttraumatische Belastungsstörung". Ob Holocaust-Opfer oder deren Kinder, vergewaltigte Frauen oder von Unfällen bzw. von Katastrophen Betroffene, Flüchtlinge oder Entführungsopfer - die psychischen Konsequenzen können Jahrzehnte dauern.

Hilfe muss ihnen aktiv angeboten werden. Eine Kombination von Psychotherapie und Medikamenten wirkt am besten. Vor allem muss verhindert werden, dass das Trauma chronische Störungen auslöst.

“Der Begriff der ‘Posttraumatischen Belastungsstörung’ wurde erstmals 1980 in den Diagnoseschlüssel der Psychiatrie aufgenommen. Es handelt sich um ein Syndrom, das nach ’emotional schrecklichen’, sogenannten psychotraumatischen Situationen auftritt”, erklärte vor einiger Zeit David Vyssoki, Ärztlicher Leiter des Zentrums für Psychotraumatologie – ESRA, in Wien-Leopoldstadt.

Der Experte über die eigentliche Charakteristik von Ereignissen, die Menschen in solche Belastungsstörungen hinein rutschen lassen: “Das Eigenbild des Menschen ist das eines unversehrten Menschen. Der traumatisierte Mensch ist jener, der erleben musste, dass alle diese Vorstellungen nun zerstört sind.” Der Mensch braucht Geborgenheit und und das Gefühl relativer Sicherheit. Geht das verloren, geht auch die psychische Lebensgrundlage verloren.

Am ärgsten ist, wenn der Mensch zum Feind des Menschen wird: Vyssoki: “Bei einem Unfall oder einer Katastrophe kann man sich langsam daran gewöhnen. Viel brutaler ist das Man-Made-Trauma wie Misshandlung, sexualisierte Gewalt und Folter. Vor allem wenn sie wiederholt, langandauernd sind und man nie weiß, wann sie wieder passieren.”

Die Verarbeitung solcher Erlebnisse durch die menschliche Psyche läuft in Stadien ab. Am Beginn steht als Phase I die akute Belastungsreaktion: Unmittelbar nach dem traumatischen Erlebnis können schon “Gefühllosigkeit”, “Betäubung” etc. auftreten. Kritisch ist die erste Nachtschlafphase nach diesem Erlebnis. Diese Reaktion auf den Schrecken dauert zwei Tage bis vier Wochen, am stärksten ist sie nach etwa drei Tagen.

Phase II (Warnzeichen für die Entwicklung einer chronischen Schädigung) treten danach auf: Vermeidungsverhalten gegenüber Personen, Orten oder Handlungen, die mit dem traumatischen Ereignis in Verbindung gebracht werden können. Hinzu kommen Albträume und Angstzustände, Depressionen, Schlaf und Appetitstörungen etc.

Wird daraus schließlich eine echte chronische Posttraumatische Belastungsstörung, spricht man von der Phase III. Hier gibt es international anerkannte Kriterien, die auch mit standardisierten Fragebögen etc. diagnostiziert werden können. Jahrelang können solche Erlebnisse von den Betroffenen auch beiseitegeschoben werden, bis sie mit ihren Langzeitkonsequenzen wieder an die Oberfläche der Psyche kommen:

– Plötzliche massive Angst-Attacken mit Erregungszuständen.

– Undefinierbare Schuldgefühle (Beispiel KZ-Überlebende: “Ich konnte überleben, weil die anderen gestorben sind.”)

– Gefühl seelischen Totseins, Depressionen, Apathie, sozialer Rückzug, Erstarrung, geistige Abstumpfung.

– “Flash-Back”: Ansatzloses Wieder-Erleben der erlittenen Misshandlungen in physischer und psychischer Form.

– Ermüdbarkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.

– Sexuelle Störungen.

– Psychosomatische Beschwerden wie Herzklopfen, Kopfschmerz, Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Magen-Darm-Beschwerden. – Psychose-artige Symptome, Verfolgungswahn.

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