AA

Weg mit den Noten

©APA/HELMUT FOHRINGER
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Wiener SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig zeigt jedoch lehrbuchmäßig, wie man die Sache nicht angeht.

Eine „gemeinsame Schule für alle Sechs- bis 14-Jährigen ohne Noten“ sowie die „Abschaffung der Matura“: Diese Forderungen hat die Wiener SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig auf einem kleinen Parteitag beschlossen – und so viel Kritik geerntet, dass schon nach einer Woche nicht mehr viel davon übrig ist. Kein Wunder: Man könnte glauben, Ludwig und Genossen hätten selbst kein Interesse daran.

Wäre es ihnen ernst gewesen, hätten sie die Sache jedenfalls anders angelegt. Es ist nicht so, dass man nicht über Noten und die Matura diskutieren sollte. Im Gegenteil. Es gibt aber unendlich viel Handlungsbedarf im Schulwesen und da sollte man sich die Frage stellen, ob das das Wichtigste ist. Beziehungsweise: Wenn man glaubt, dass es zum Wichtigsten gehört, dann sollte man sich den Begriff „Abschaffen“ sparen und stattdessen gleich Alternativen präsentieren, die eine Masse überzeugen.

Dass das schwer ist, ist keine Ausrede. Wenn man nicht dazu in der Lage ist, sollte man es jedoch lassen. Weil man dann nur Widerstände provoziert.

Die Wiener SPÖ hat das geschafft. Maximilian Kraus, Bildungssprecher der Freiheitlichen, bezeichnete ihre Ideen als „gefährliche Drohung“ und warnte vor einer „Schule ohne Leistung“. Damit hat er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Vorstellungen sehr vieler Menschen entsprochen, die mit Noten aufgewachsen sind und vielleicht auch die Matura gemacht haben; die keine andere Form der Leistungsbeurteilung kennengelernt haben als jene durch Ziffernnoten auf Schularbeiten und dergleichen.

In Wirklichkeit sind Noten überholt. Der Bildungswissenschaftler Ferdinand Eder hat im Rahmen einer Studie in Salzburg belegt, wie wenig aussagekräftig sie sind: Am ehesten liefern sie eine Information darüber, wie eine Schülerin oder ein Schüler im Vergleich zu Klassenkolleg:innen dasteht. Darüber hinaus wird die Luft jedoch dünn. Im Extremfall ist in der einen Schule ein „Sehr gut“, was in der anderen ein „Nicht genügend“ ist. Aber das ist ja ohnehin bekannt.

Das Problem ist die Alternative: Wer Noten abschaffen will, muss ein System der Leistungsbeschreibung einführen, das Schülerinnen und Schüler motiviert und ihnen mitteilt, was sie können. Im Übrigen muss es weiterführenden Schulen oder Universitäten eine Entscheidungsgrundlage dafür bieten, wer geeignet ist, aufgenommen zu werden und wer nicht.

Heikler ist die Sache bei der Matura: Mehr noch als Noten gilt sie als Kulturgut. Als Ritual zum Abschluss einer höheren Schule. Die Prüfung selbst ist grenzwertig. Reife wie Fähigkeiten lassen sich durch sie nur bedingt feststellen.

Umso mehr gilt auch hier: Wer das überwinden will, muss einen Schulabschlusspunkt präsentieren, der die herkömmliche Matura ersetzt, aussagekräftig und so attraktiv ist, dass eine Masse begeistert ist. Sonst ist die Abschaffung der Matura nicht durchsetzbar. Gleicht das, was die Wiener SPÖ hier versucht hat, politischem Selbstmord.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

  • VOL.AT
  • Johannes Huber
  • Weg mit den Noten