Man erlebe einen nachhaltigen Internet-Boom, sagte der heutige KarstadtQuelle- und einstige Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff auf der CeBIT. Dies bedeute eine Herausforderung für jede Branche. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden viele große und bekannte Unternehmen den Markt verlassen, weil sie nicht in der Lage waren, ihre Geschäftsmodelle anzupassen und weil ihre Kunden beschlossen haben, dass sie überflüssig geworden sind. In Deutschland sei der katastrophale Fehler gemacht worden, Internet-Wirtschaft und den neuen Markt gleichzusetzen. Und so sei nach dem Zusammenbruch des überheizten Marktsegments gleich weg mit dem Internet gerufen worden.
Doch das Internet ist längst nicht mehr wegzubekommen – im Gegenteil: Die Umsätze im elektronischen Handel, bei Dienstleistungen und der Online-Werbung erreichen 2006 zweistellige Zuwachsraten und werden nach den Erwartungen der Branche weiter kräftig wachsen.
Doch das Internet bringt auch große Risiken – die Sicherheit im Netz ist immer mehr bedroht, die Internet-Kriminalität steigt. Die Hersteller von Sicherheitssoftware könnten den Kampf gegen die wachsende Internet-Kriminalität verlieren, sagte der russische Sicherheitsspezialist Eugene Kaspersky auf der CeBIT. Wenn das Wachstum bei der Schadsoftware in diesem Tempo weitergeht, könnte unsere gesamte Branche dieser Flut irgendwann nicht mehr standhalten. Kaspersky schlug eine Art Internet-Interpol vor.
Auch auf einer anderen Ebene müsste aus Sicht von Experten gegen gesteuert werden. Die Verführung der Nutzer durch die stetig wachsenden Möglichkeiten der digitalen Welt wird immer größer. Vor allem die Generation, die Online-Plattformen und digitale Welten als Selbstverständlichkeit betrachtet, sei gefährdet, sagte Reinhard Karger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken. Dem Nutzer müsse klar sein, dass er nicht selber Sport treibe, wenn sein so genannter Avatar – also sein virtuelles Ich – Fußball spiele oder jogge. Das Stichwort für die Zukunft heißt deshalb Medienerziehung, Training für den richtigen Umgang mit Simulationen, Foren und Chats. Karger: Die digitale Welt muss geerdet werden.
Die Veränderungen in der Branche sind rasend schnell. Um dabei nicht selbst dabei ins Hintertreffen zu geraten, wollen die CeBIT- Macher der Computermesse ab 2008 ein neues Konzept verpassen. Das Motto: Zurück zu den Wurzeln, mehr Fachbesucher, weniger Plastiktütenträger. Das unklar gewordene Profil als Profimesse soll gestärkt werden, die Effizienz für die Aussteller durch eine übersichtlichere Struktur erhöht werden. Die Zahl der Kongresse und Vorträge soll ausgebaut werden. Beratung, Wissensvermittlung und Networking werden immer wichtiger, sagt Ernst Raue, Vorstandsmitglied der Deutschen Messe AG.
Mit dem Umbau der CeBIT will die Messe auch Branchenriesen wie Nokia und Motorola, die 2007 fehlten, wieder nach Hannover holen. Eine Mega-CeBIT aber wie 2001 mit rund 8.100 Ausstellern und mehr als 840.000 Besuchern wird es nicht mehr geben. 2007 kamen rund 6.100 Aussteller. Die Zahl der Besucher stieg um rund zehn Prozent auf 480.000 – die Messe hatte aber auch tausende von Billigtickets auf den Markt geworfen.
Die Konkurrenz ist nämlich härter geworden. Immer mehr Unternehmen gerade aus der Telekommunikation suchen ihr Glück lieber auf Hausmessen oder Spezialmessen, wie dem Mobilfunk-Kongress 3GSM in Barcelona oder der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas – spektakuläre Weltpremieren wie die des Multimedia-Handys iPhone von Apple finden längst nicht mehr auf der CeBIT statt.
Noch immer tut sich die CeBIT mit der Rolle der wachsenden Verbraucherelektronik schwer. Der Fokus liegt zwar auf IT-Lösungen und Anwendungen für Handel und Mittelstand, aber auch die neuesten Spielekonsolen und Flachbildschirme sind auf der CeBIT zu sehen. Für die Messe-Macher ist dies zwar kein Gegensatz – die CeBIT müsse als Leitmesse alle Segmente abdecken. Schon aber werden Stimmen in der Branche laut, wie lange eigentlich die CeBIT und die Internationale Funkausstellung in Berlin, die sich klar auf Verbrauchelektronik konzentriert, nebeneinander stehen könnten.
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