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Wattepackung für die Mogelpackung

Der ehemalige Radprofi Bernhard Kohl durfte in einer ORF-Sendung wieder radeln. Bemerkenswert ist die Behutsamkeit, mit der der öffentlich-rechtliche Sender den vom Sporthelden zum Dopingsünder gefallenen Niederösterreicher behandelt.

Bei der Sendung “Wir sind Kaiser” am Donnerstagabend durfte Kohl, wie es dem Format entspricht, dem “Kaiser” untertänigst Auskunft zu dessen Fragen erteilen. Warum der Ex-Radprofi, der den österreichischen Radsport an den Rand des Ruins gebracht hat, vom ORF eine in Watte gepackte mediale Plattform erhält, darüber ließe sich blendend spekulieren.

“Ausgewählte Medien”
Kohl und sein Manager Matschiner hatten für das tränenreiche Doping-Geständnis am 15. Oktober nur “ausgewählte Medien” zugelassen, sprich den ORF (mit Ö3 und orf.at) und die Kronen Zeitung. Vertreter von anderen Medien hatten Wind von dem kurzfristig anberaumten Termin im NH-Hotel am Flughafen Schwechat bekommen, wurden jedoch des Raumes verwiesen.

Zwei Jahre gesperrt
Kohl war bei der Tour de France im Sommer 2008 zu einem sensationellen dritten Platz geradelt und hatte zusätzlich das Trikot für den besten Bergfahrer gewonnen. In zwei Dopingproben Kohls war bei nachträglichen Kontrollen durch die französische Anti-Doping-Agentur das EPO-Nachfolgeprodukt CERA nachgewiesen worden. Am 24. November wurde er schließlich von der Rechtskommission der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) für die Dauer von zwei Jahren gesperrt, weil er keine Namen von Doping-Hintermännern genannt hatte.

Szeneschweigen: “Omerta”
Entgegen früherer Ankündigungen war Bernhard Kohl zur “Omerta” zurückgekehrt, wie das Szeneschweigen im Radsport heißt. Es ist ein Begriff aus der Mafiawelt. Mit seiner Nicht-Aussage vor der NADA folgte der Niederösterreicher dem Rat seines deutschen Kollegen Jaksche: “Möchte er wieder Rad fahren, dann soll er im eigenen Interesse die Klappe halten und die zweijährige Sperre auf sich nehmen. Nur dann wäre er im Peloton wieder willkommen”. Der ehrliche, andere Weg sei lang und gefährlich, beschwerlich und im Endeffekt für niemanden effektiv, meinte Jaksche – der eben diesen Weg gegangen war.

Comeback in Arbeit
Der 26-Jährige arbeitet bereits an seinem Comeback. Spätestens am 4. Juli 2010 wäre Kohl wieder startberechtigt – rechtzeitig für die Vuelta (Spanien-Rundfahrt), die im September durchgeführt wird. Dass überführte Doper nach ihrer Sperre wieder fahren, als ob nichts geschehen wäre, ist leider nichts Neues im Radsport – sondern gelebte Praxis. Beinahe alle Radprofis, die in den vergangenen Jahren wegen Dopings gesperrt worden waren, feiern Comebacks: Der Kasache Winokurow, der Italiener Ivan Basso, die US-Amerikaner Floyd Landis und Tyler Hamilton.

Wattepackung
Angesichts eines möglichen Comebacks von Bernhard Kohl erscheint die Wattepackung des ORF in neuem Licht. Wieder ließe sich blendend spekulieren, ob etwa eine Story mit dem Motiv “geläuterer Sportheld” die mühevolle Arbeit am glanzvollen Comeback illustrieren könnte. Wohl dem, der – wenn er fällt – in Watte landen kann.

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