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Was Van der Bellen nicht erwähnt

©APA/ERWIN SCHERIAU
Gastkommentar von Johannes Huber. Nach dem Amoklauf in Graz stellen sich mehr als zwei Fragen für die Zukunft. Zum Beispiel: Wie verantwortungslos sind einige Medien?

Der Schock sitzt tief nach dem Amoklauf in Graz. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich auf einer Trauerfeier neben Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) bemüht, die richtigen Worte zu finden. Was unmöglich ist. Zum einen zählt jedoch das Bemühen und zum anderen, in Verbindung damit wenigstens etwas zu sagen. Das kann Trost spenden.

Van der Bellen definierte bei der Gelegenheit auch schon zwei Fragen für die Zukunft: Wie ist es möglich, dass ein 21-Jähriger, also der Täter, offenbar so mir nichts dir nichts zu Waffen kommen konnte? Ja, wie das sein konnte, obwohl er von der Bundesheer-Stellungskommission als untauglich eingestuft worden war, weil „psychisch instabil“? Hier wird nachzuschärfen sein. Weil Einzelne damit so unermessliches Leid anrichten können, kann man mehr denn je finden, dass Privatpersonen keine Pistolen und Gewehre haben sollten. Jäger und Sportschützen ausgenommen. Auch bei ihnen sollte man jedoch die Auflagen überprüfen.

Außerdem stellte der Bundespräsident die Frage, wie man die Sicherheit an Kindergärten und Schulen verbessern kann. Nun: Dieses Problem könnte sich vielleicht schon durch eine Ausweitung von Waffen-(Besitz-)Verboten entschärfen.

Wichtiger wäre eine andere Frage: Der Situation an Schulen dienlich sein könnte, wenn man sich zunächst einmal näher anschauen würde, wie es den Schülern geht. Darüber weiß man erschreckend wenig: Es gibt Noten und PISA-Tests, die Leistungen abbilden sollen, aber kaum Informationen darüber, wie Schüler mit dem Schulsystem zurechtkommen, wie sie sich mit anderen Schülern verstehen, was da die größten Probleme sind, wo man ansetzen könnte etc.

Derlei zu wissen, würde auch bedeuten, Jugendliche ernst zu nehmen. Dafür ist es höchste Zeit. Es würde viel mehr bringen als neue Sicherheitskonzepte, ja Securitys für Schulen.

Zu stellen ist im Übrigen die Frage nach den Medien: Was hier einige, die überwiegend dem Boulevardsegment zuzuordnen sind, geboten haben, indem sie Bilder vom Attentäter und Videos aus der Schule verbreiteten, die während des Amoklaufs und gleich danach gemacht worden waren, ist ein Skandal. Es ist pietätlos gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen. Und es ist verantwortungslos, wie die Medienethikerin Claudia Paganini in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ ausführte.

Grundsätzlich gelte, dem Täter kein Gesicht zu geben. Sonst wird er von Menschen mit Gewaltfantasien eher als Vorbild und Idol wahrgenommen, das sie vielleicht sogar imitieren wollen. Immerhin wird ihnen durch das Beispiel gezeigt, dass sie so wenigstens noch einmal Prominenz erlangen können – im Grausamen und posthum, aber doch.

Außerdem könnten mit Videos vom Amoklauf eine Gewöhnungseffekte und eine Abstumpfung einhergehen. Die Folgen sind laut Paganini fatal: „Eine ganze Gesellschaft wird roher und nimmt das Leid anderer Menschen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt als Übel wahr.“

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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