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"Was guckst du?"

"Ethno-Comedy ist ein weltweites Phänomen", sagt Kaya Yanar. Der Comedian will mit neuem Buch und Live-Programm durchstarten.
Yanar gibt Auskunft
Kaya Yanar macht Spaß
Mit seiner Fernsehsendung “Was guckst du?” feierte Kaya Yanar vor zehn Jahren als erster Comedian mit Migrationshintergrund in Deutschland den Durchbruch. Seitdem ist der in Frankfurt geborene Komiker mit türkisch-arabischen Wurzeln fester Bestandteil der deutschsprachigen Comedyszene. Sein Markenzeichen: Klischees verschiedener Kulturen und Nationalitäten aufzuzeigen, und das mit einem unbestreitbaren Talent für Improvisation und einem rasanten Wechsel in Mimik, Gestik, Dialekt und Tonfall. Mit “Stars bei der Arbeit” feiert der 37-Jährige derzeit auf RTL sein TV-Comeback, mit dem neuen Live-Programm “All inclusive” beehrt er im Februar und März auch Österreich. Nun erschien sein erstes Buch, das teils autobiografische “Made in Germany”. Im APA-Interview erzählte Yanar, warum er das “Minenfeld” Religion bei seinen Witzen vermeidet, weshalb in punkto Integration Nachholbedarf besteht und warum Preisverleihungen für ihn zur einschläfernden Tortur werden.

APA: In Ihrem neuen Live-Programm bedienen Sie Klischees über Deutsche, Türken, Holländer, Schweden, Inder, Italiener, Franzosen – ist da auch Platz für Österreicher?

Kaya Yanar: Platz auf jeden Fall, aber ich brauche erst einmal ein bisschen Aufenthalt hier in Österreich. Ich muss quasi die Kultur, die ich imitiere, kennenlernen, sonst bin ich ja nicht authentisch. Wenn ich behaupten würde, “die Ösis sind so und so” , bekomme ich gleich zurück: “Sind wir gar nicht, du Idiot.” Das geht nicht, deshalb muss ich ein paar Wochen hier verbringen, das habe ich noch nicht geschafft.

APA: Sie werden fast ausschließlich mit Ethno-Comedy identifiziert. Besteht bei Ihnen der Wunsch, sich ein wenig davon zu distanzieren?

Yanar: Nein, ich fühle mich ganz wohl in der Ethno-Ecke. Es wurde mir auch in die Wiege gelegt, dass das so etwas wie mein Segen ist. Dass ich mit etwas aufgewachsen bin, das später zu einer Comedy-Sparte wurde. Da bin ich der Experte, was vieles betrifft, ohne das geplant zu haben. Und insofern will ich mich auch nicht lösen von etwas, das ich liebe. Aber ich möchte trotzdem auch andere Bereiche beackern, auch mal über Mann und Frau reden können. Auch ein Türke hat Sex, ein Deutscher hat Sex – da möchte ich auch mal die lustigen Begebenheiten dazu auf der Bühne erzählen können.

APA: Sie waren der erste erfolgreiche, medial präsente Comedian mit Migrationshintergrund in Deutschland. Seitdem etablieren sich immer mehr türkische Comedians, wie verfolgen Sie deren Karrieren?

Yanar: Es gibt mittlerweile vier oder fünf, die ihr eigenes Ding machen, und man merkt, die Unterschiede sind da. Ich bin nicht Murat Topal, nicht Django Asül, sie haben alle ihre eigene Art, Comedy zu machen. Da sieht man mal, wie unterschiedlich wir Türken sind und dass es keine türkische Comedy in dem Sinn gibt. Bei zweieinhalb Millionen Türken finde ich es völlig normal, dass fünf unterschiedliche Comedians dabei rauskommen. Ich warte auf griechische, italienische, russische Stand-Ups. Es gibt einen polnischen Stand-Up-Comedian, den ich sehr lustig finde. Aber ich warte auf mehr Ethno-Comedy.

APA: Reisen Sie in andere Länder, um sich dort die Comedylandschaft anzusehen?

Yanar: Ja, Ethno-Comedy ist ein weltweites Phänomen. Der erfolgreichste internationale Stand-Up-Comedian, der im englischsprachigen Raum tätig ist, ist Russell Peters. Das ist ein Inder, der in Toronto (Kanada) geboren wurde und ungefähr mein Jahrgang ist. Der macht auch Späße über seine indische Herkunft, seine indischen Eltern, indische Bräuche, aber auch über kanadische Dinge. In den 80er Jahren war’s Eddie Murphy, oder noch früher Richard Pryor, der Scherze über Schwarze und Weiße gemacht hat. Es ist keine Comedy, die ich erfunden habe, ich habe sie nur in Deutschland populär gemacht.

APA: Auffallend ist, dass Sie die Themen Religion und Politik komplett aussparen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Yanar: Ja, das ist selten lustig. Es gibt sehr gute Kabarettisten. Volker Pispers beispielsweise macht sehr gutes Politikkabarett. Ich weiß nicht, wer Religionskabarett macht; da gab es einige, die es probiert haben, von denen hört man jetzt nichts mehr. Insofern: Weil ich auch noch älter als 37 werden möchte, lasse ich Religion außen vor. Es gibt so viele andere schöne Themenbereiche, die weniger mühselig sind. Kein Minenfeld, in das man sich hineinbegeben muss.

APA: In Interviews sagen Sie stets “Wir Türken” und “ihr Deutsche”. Dabei sind Sie in Deutschland aufgewachsen, können kaum Türkisch, nennen Deutschland Ihr Zuhause. Wie wird das von Türken angenommen?

Yanar: Ich springe in Interviews immer hin und her, ich sage auch oft “Wir Deutschen”, “die Ausländer”, was auch immer. Das ist ja das Tolle daran, wenn man zwischen Kulturen aufgewachsen ist: Da springt man wie ein Bekloppter hin und her. Manche nennen das schizophren, andere nennen das witzig. Aber Türken sind stolz auf mich. Sie finden es zwar schade, dass ich kein Türkisch kann, haben aber im Grunde genommen kein Problem mit mir und der Comedy, die ich mache.

APA: Sie haben mit der Vorbereitung zu Ihrem Buch “Made in Germany” bereits angefangen, bevor Thilo Sarazzin mit seinem Werk “Deutschland schafft sich ab” die Medien beherrschte. Wie nehmen Sie die Integrationsdebatte in Deutschland und anderswo wahr?

Yanar: So wie immer, die kommt ja alle paar Jahre. Aber ich finde es wichtig, es muss diskutiert werden. Es ist ja nicht problemlos, ist ja nicht alles Harmonie. Man muss den Gesamtzusammenhang verstehen, warum diese Diskussion jetzt kommt. Besser zu spät als nie. Vor 50 Jahren, als die Ausländer nach Deutschland kamen, sollten sie ja nicht integriert werden. Die waren nur als Arbeiter für zwei, drei Jahre vorgesehen, deshalb waren das auch “die Ausländer” und “die Türken”. 50 Jahre später sind wir immer noch hier, weil die Arbeitsverträge verlängert wurden, die Frauen nachgezogen sind, Kinder gezeugt wurden. Jetzt leben wir in der dritten Generation, also meiner Generation. Da muss man sich überlegen: Okay, es wurde viel verpasst, es ist anders gekommen, als man geplant hatte – wie regelt man das jetzt für die nachfolgende Generation?

Die Kinder müssen im Kindergartenalter Deutsch lernen, sonst lernen sie das später nicht, das ist unglaublich wichtig. Später eine ordentliche Ausbildung, einen Job ergreifen, die Zukunft in Deutschland sehen. Es ist nicht gut, wenn du damit aufwächst, dass du irgendwann sowieso “nach Hause gehst” – meine Generation ist in Deutschland zu Hause, da gibt es kein “nach Hause gehen”. Aber das haben sie damals nicht erkannt, das sind alles Entwicklungen, die man vorher nicht planen und vorschreiben kann. Aber man kann die Erfahrung nehmen, um damit für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen richtig zu planen.

APA: Sie werfen in Interviews und bei Comedyprogrammen immer wieder den Begriff “Multikulti” ein. Was bedeutet das für Sie?

Yanar: Dass verschiedene Kulturen nebeneinander und miteinander friedlich, fröhlich und bereichernd leben können, das ist eine multikulturelle Gesellschaft. Ich finde Multikulti vollkommen normal – anregend, bereichernd, inspirierend, humorvoll. Das sind Sachen – wenn sie klappen – die ich toll finde. Eine multikulturelle Gesellschaft kann aber auch viele Spannungen und Risiken bergen, viel Ärger, viel Problematik und generell Schwierigkeiten. Wir haben beides in Deutschland, ich denke mal, in Österreich ist es nicht anders, weil da mit Integration ebenso wenig geplant wurde. Insofern gibt es eine Menge Nachholbedarf, aber meiner Meinung nach lohnt sich das, auch wenn man die Ergebnisse erst in 20, 30, 40 Jahren mit der nächsten Generation erlebt.

APA: Bieten Sketche eine gute Möglichkeit, einzelne Spannungen und Alltagsprobleme einer Multikulti-Gesellschaft aufzuarbeiten?

Yanar: Das weiß ich nicht. Ich glaube, was ich bieten kann, ist eine Perspektive. Einen Ansatz: “Hey, so sieht das Ganze mit Humor aus”. Während andere auf Fremdartigkeiten mit Angst oder radikalem Gedankengut reagieren, sage ich, man kann dem Ganzen auch fröhlich und mit Humor begegnen. Diese alten Klischees stimmen ja: Wenn ich jemanden angrinse, grinst der zurück. Das ist ein Austausch von verschiedenen Energien, wenn man so möchte. Es ist immer schöner, wenn man Ausländern mit einem Lächeln begegnet statt mit dem Baseballschläger.

APA: Was kann man sich in punkto Energien von Ihrem aktuellen Live-Programm erwarten?

Yanar: Ich habe es “All Inclusive” genannt, weil ich mehrere Kulturen inkludieren möchte – ob Schweizer, Franzosen, Holländer, Schweden, Kanadier, Brasilianer, Australier oder Inder. Das alles wird dann ein zweistündiges Mischmasch, Reise-Comedy all inclusive. Ich imitiere Sprachen, untersuche Sprachen, weil … (unterbricht) … Hast du gerade mit geschlossenem Mund gegähnt? (lacht) Ich finde es ja immer lustig, wenn man gähnen muss, aber es nicht zeigen darf. Am besten ist es, wenn du einnickst, aber Haltung bewahren musst. Das ist mir neulich beim deutschen Fernsehpreis passiert. Ich bin richtig eingepennt. So eine langweilige Veranstaltung, da bin ich wirklich kurz weg gewesen. So etwas ist mir das letzte Mal in der Schule passiert – dein Kopf kippt, der Hals gibt nach, und du wachst trotzdem nicht auf. Das finde ich sensationell. Ich habe mich umgeschaut – und so ging es ganz vielen nach drei Stunden beim deutschen Fernsehpreis. (macht Einnicken nach, schnarcht) Sorry, aber das nur am Rande.

APA: Dann kann man nur hoffen, dass die Kamera nicht in genau diesem Moment auf einen gerichtet ist.

Yanar: Am geilsten ist es, wenn die Kameras auf dich gerichtet werden, wenn du den Preis nicht bekommst. Ich war auch mal beim Comedypreis nominiert (2010 für Soloprogramm “Live und unzensiert”, Anm.), die Kamera war genau auf mich gerichtet, und dann bekomme ich den Preis nicht. Dann musst du trotzdem grinsen. Aber ich habe einen Trick: Ich hatte mir schon gedacht, dass ich den Comedypreis nicht gewinne, weil ich nicht mit der Jury geschlafen habe. (lacht) Wenn dann die Kamera auf mich gerichtet ist, mache ich so (bückt sich und schaut auf den Boden). So bin ich der Kamera entwischt. Das war ganz witzig.

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