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Warum Pferdefleisch so polarisiert

Vor allem die Franzosen schätzen Pferdefleisch, während die USA und Großbritannien es strikt ablehnen.
Vor allem die Franzosen schätzen Pferdefleisch, während die USA und Großbritannien es strikt ablehnen. ©EPA
Manche Länder empfinden das Fleisch von Pferden als eine Delikatesse, die Mehrheit hält den Verzehr aber für moralisch verwerflich oder sogar abstoßend.
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Spezialitäten wie Ratte, Feldmaus oder Meerschweinchen sind meist nicht einmal etwas für hartgesottene Fleischfresser. Genauso wenig wie der Verzehr von Hundefleisch. Beim Pferd hingegen scheiden sich die Geister schon mehr, wie “20 Minuten Online” berichtet. Deshalb ist der internationale Pferdefleisch-Skandal auch von einer solchen Brisanz. Laut der Tierschutz-Organisation “VIER PFOTEN” lehne die Mehrheit der europäischen Bevölkerung aus ethisch-kulturellen Gründen den Konsum von Pferdefleisch ab.

Viel Eisen und Calcium

Tatsächlich landen in Österreich bei einem jährlichen Fleischkonsum von rund 70 Kilogramm pro Kopf nur etwa 50 Gramm Pferdefleisch auf dem Teller. Dabei wäre das Fleisch der Rösser sehr gesund: Es hat nur halb so viel Fett und Natrium wie Rindfleisch und ist reich an Calcium und ungesättigten Fettsäuren. Für die kräftige rote Farbe ist der hohe Eisengehalt verantwortlich und für die Süße das Glykogen. Geschmacklich liegt Pferdefleisch zwischen Rind und Wild. Daher kann Rind auch leicht durch Pferd ersetzt werden, ohne dass es den Konsumenten auffällt.

Wandelnder Proviant

Steinzeitmenschen malten im heutigen Burgund nicht nur Bilder von Wildpferden an ihre Höhlenwände, sie aßen sie auch in großen Mengen. Der berühmte Pferdefriedhof nahe Solutré-Pouilly, auf dem die Knochen von zehntausenden Tieren liegen, erinnert heute noch daran. Die späteren Steppenvölker domestizierten das Pferd zwar, seine Bedeutung als “mobiler Proviant” verlor es jedoch nicht. Das Verhältnis zu Pferden änderte sich erst mit der Neolithischen Revolution und dem Übergang zu Ackerbau und Sesshaftigkeit, als die Tiere vor den Pflug gespannt wurden. Im frühmittelalterlichen Europa wurden sie dann zu teuer, als dass man sie hätte essen können.

Verzehr päpstlich untersagt

Im Jahr 732 nach Christus brachte Papst Gregor III. den Missionar Bonifatius in einem Brief dazu, den Verzehr von Pferden in germanistisch geprägten Gebieten Europas verbieten und bestrafen zu lassen, da er diesen als “unrein und verabscheuungswürdig” betrachtete. Isländer durften allerdings weiter Pferdefleisch essen – eine Sondererlaubnis, weil sie das Christentum angenommen hatten.

Jährlich 13.000 Tonnen Pferdefleisch

Das Verbot zeigte zwar Wirkung, doch vor allem ärmere Leute aßen trotzdem weiterhin Pferdefleisch, wenn sie welches bekommen konnten und in Zeiten von Hungersnot hob sich das Tabu ohnehin temporär auf. Nach der Französischen Revolution wurde dann im rationalistischen 19. Jahrhundert endgültig mit dem Bann aufgeräumt und es etablierten sich – vor allem in Frankreich – erste Pferdemetzgereien. Bis zum Vorabend des Ersten Weltkrieges ließen die Pariser sich jedes Jahr rund 13.000 Tonnen dieses Fleisches schmecken.

USA und Großbritannien dagegen

Während der Verzehr von Pferdefleisch in den USA und Großbritannien ein Tabu ist, findet man es in Polen, den Niederlanden, Frankreich, Italien und der Schweiz im Supermarkt. Pferde, die als Fleischlieferanten dienen, werden aber nicht eigens gezüchtet, sondern waren vorher Reit- oder Zuchtpferde. Bei Fohlen werden auch nur jene geschlachtet, die sich nicht für die Zucht eignen. Das sind in der Schweiz zum Beispiel jährlich rund 1.000 Jungtiere, wie die Organisation “Proviande” (dt. “Pro/ Für Fleisch”) berichtet. Eigentliche Pferdemastbetriebe finden sich allenfalls noch im Jura, wo man die bis über 600 Kilogramm schwere Schweizer Rasse “Freibergerpferde” züchtet. Der heimische Pferdefleischbedarf wird aber nur zu 8,5 Prozent selbst gedeckt. Das meiste wird aus Kanada, Mexiko, Südamerika, Polen und Ungarn importiert.

Nahrungstabus sind anerzogen

Pferdefleisch wird in der Deutschschweiz viel seltener gegessen als in der Romandie oder im Tessin. Offensichtlich ist es so, dass Nahrungstabus nicht instinktiv, sondern anerzogen oder religiös begründet sind. Das zeigt vor allem das Schweinefleisch-Verbote im Islam. Juden lehnen den Konsum von Pferdefleisch übrigens ab, weil dieses für sie nicht koscher ist. Am tabulostesten sind die Chinesen, denen unterstellt wird, alles zu essen, was vier Beine oder Flügel hat. Wird ein Mensch aus dem Westen mit dem in asiatischen Ländern typischen Verzehr von Hundefleisch konfrontiert, keimen sofort starke Emotionen wie Ekel, Wut und sogar Hass auf, da die Tiere als Kameraden betrachtet werden. Im Westen wird nämlich zwischen Haus- und Nutztieren getrennt, ja sogar vermenschlicht. Und da Pferde hierzulande nicht mehr als Nutztiere gebraucht werden, reagieren die meisten auch ablehnend, wenn es um das Thema Pferdefleisch geht. (VOL.AT)

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