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"Warum ausgerechnet ich?"

„Ich dachte nur an Flucht“ - Natascha über 8 Jahre Gefangenschaft. „Ich habe mich immer und immer wieder gefragt, warum das mir - unter den vielen Millionen Menschen ausgerechnet mir - passieren musste.“

Bilder: Fall Kampusch Entführer beging Selbstmord Erste Bilder aus dem Verlies | Video:  

Weiters sagte Natascha Kampusch gegenüber Reporter Alfred Worm: „Ich hatte immer den Gedanken: Ich bin sicher nicht auf die Welt gekommen, dass ich mich einsperren und mein Leben vollkommen ruinieren lasse. Ich bin verzweifelt an dieser Ungerechtigkeit. Ich habe mich immer gefühlt wie ein armes Hendel in einer Legebatterie. Sie haben sicher im Fernsehen und den Medien mein Verlies gesehen. Also wissen Sie, wie klein es war. Es war zum Verzweifeln.“

Natascha träumte jahrelang von einer Flucht aus dem Verlies, in welchem sie jahrelang von Wolfgang Priklopil gefangen gehalten wurde. „Ich habe immer wieder getüftelt an dem Punkt, zu dem die Zeit reif ist. Ich konnte aber nichts riskieren, am wenigsten einen Fluchtversuch.“

Paranoid

„Er (Priklopil, Anm.) litt sehr stark unter Paranoia und war chronisch misstrauisch“, so Kampusch im „News“-Gespräch. „Ein Fehlversuch hätte die Gefahr bedeutet, nie mehr wieder aus meinem Verlies herauszukommen. Ich musste mir sukzessive sein Vertrauen sichern.“

Spontan

Die Flucht selbst sei nicht geplant gewesen. Wörtlich heißt es: „Nein, die war ganz spontan. Ich bin dort hinten beim Gartentor rausgerannt, und mir ist schwindelig geworden. Ich fühlte jetzt erstmals, wie schwach ich wirklich war. Trotzdem hat es gepasst. Alles in allem ist es mir am Tag der Flucht gut gegangen. Seelisch, körperlich – und keine Herzprobleme.“ An einer anderen Stelle des Interviews hatte Kampusch über Herzbeschwerden während ihrer Gefangenschaft berichtet.

“Keuch, Keuch, Keuch!”

Weiters erzählte die 18-Jährige über jene dramatischen Stunden am 23. August: „Ich bin gerannt, wie ich ihn beim Telefonieren gesehen habe. Ich bin panikartig in die Schrebergartensiedlung gerannt und habe Leute angeredet. Vergebens, denn die hatten kein Handy dabei. Die sind einfach nur schulterzuckend weitergegangen. Also bin ich in verschiedene Schrebergärten einfach über den Zaun gesprungen – panisch wie in einem Actionfilm. Sie müssen sich das so vorstellen: keuch, keuch, keuch und dann habe ich ein Fenster offen gesehen, wo jemand in der Küche hantiert und habe diese Frau angesprochen und gesagt, sie soll die Polizei rufen.“

Selbstmord: “Verschwendung”

Der Selbstmord ihres Entführers Wolfgang Priklopil sei für sie „einfach eine Verschwendung. Niemand soll sich umbringen. Er hätte mir noch so viele Informationen geben können und vor allem auch den Polizeibeamten“. Prinzipiell wolle sie aber nicht länger über „Herrn Priklopil“ reden, betonte Natascha Kampusch.

Ihr sei „das soziale Leben abgegangen. Ich hatte das Bedürfnis nach Menschen, nach Tieren“, erzählte die 18-Jährige. Sie habe aber ihre „Zeit zu nutzen gewusst. Mit Lesen und Arbeit. Ich habe ihm geholfen, sein Haus zu bauen“. Das Verlies habe sie als Gefängnis empfunden.

Kein Streit

Ihr Verhältnis zu ihren Eltern sei „sehr gut“, betonte Natascha Kampusch. „Ja, ich liebe meine Eltern. Irgendwer hat das Gerücht aufkommen lassen, dass es einen Streit gibt. Den gibt es nicht.“ Für ihre Familie „war die Situation um vieles schlimmer als für mich. Sie glaubte, ich wäre tot“. Während ihrer Gefangenschaft erfuhr Natascha auch von der Suche „mit dem Bagger in Schotterteichen“ nach ihr. „Und ich war verzweifelt, als ich das Gefühl hatte, dass ich, als Lebende, bereits abgeschrieben bin“.

Lebenswerte Zukunft

Zu ihren Zukunftsplänen sagte die 18-Jährige, sie wolle die Matura nachholen, vielleicht studieren. Die berufliche Richtung hat sie noch nicht festgelegt: „Da bin ich noch völlig offen. Von der Psychologie über den Journalismus bis hin zu Jus könnte ich mir alles vorstellen. Ich wollte auch immer Schauspielerin werden, weil ich mich immer für Kunst interessiert habe.“ Buchautorin sei auch vorstellbar. „Aber ich weiß es noch nicht sicher, ob ich je ein Buch darüber schreiben werde.“

Thema Spezial im ORF

Das etwa 20 Minuten lange ORF-Interview wird am Abend in ein „Thema spezial“ ab 20.15 Uhr gesendet. Natascha steht dabei dem Journalisten Christoph Feurstein Rede und Antwort.

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