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Wachsam beim Uferzugang

©VN/ Matt
(VN) Bregenz - Gratwanderung im Spannungsfeld zwischen Natur und Nah­erholung.

Gibt es konkrete Projekte am Bodenseeufer, dann wird mit schöner Regelmäßigkeit auch über das Grundsätzliche diskutiert: Wie „frei“ ist das Vorarlberger Seeufer tatsächlich, werden nicht immer wieder durch Zugeständnisse und Kompromisse nach Salamitaktik die Freiheiten am Bodensee eingeschränkt? Die VN sind dieser Frage nachgegangen und haben mit zwei Experten die 28 Kilometer lange Uferstrecke unter die Lupe genommen.

Ein kleines Wunder

Einer, der Vorarlbergs Naturschätze ganz besonders gut kennt, stellt den jahrzehntelangen Bemühungen um ein freies und lebenswertes Bodenseeufer ein hervorragendes Zeugnis aus: „Was hier möglich war, ist ein kleines Wunder“, lobt Univ.-Prof. Dr. Georg Grabherr den Ist-Zustand, der „im Vergleich mit den Nachbarn in der Schweiz oder in Deutschland absolut vorzeigbar ist.“

Pionier Anton Allgeuer

Dass dem so ist, ist mit ein Verdienst des weitsichtigen ehemaligen Bregenzer Bezirkshauptmanns Dr. Anton Allgeuer, der in dieser Funktion rund ein Vierteljahrhundert lang für die Belange der Natur und des Naturschutzes eintrat. Während seiner Amtszeit wurde im heutigen Naturschutzgebiet Mehrerauer Ufer noch der Müll in den See gekippt, diskutierte man noch über einen Seehafen der Rheinschifffahrt, war die Seetrasse der Autobahn verordnet . . . „Es ist erstaunlich, was an Naturschätzen am See noch vorhanden ist“, fasst Prof. Grabherr zusammen und fügt an, dass es ohne Dr. Allgeuer, der für seine Verdienste 1978 den Toni-Russ-Preis erhielt, wohl weit weniger wären. In den Bemühungen um ein freies, natürliches Bodenseeufer „sind den Bemühungen auch glückliche Umstände zu Hilfe gekommen“, freut sich Grabherr beispielsweise darüber, dass das Bundesheer seine Übungsgelände an der Leiblach und vor allem an der Bregenzerach auf­gelassen hat, ein Kieswerk wegen Pensionierung des Besitzers geschlossen wurde und der Hochwasserschutz viele Verbesserungen im ökologischen Bereich nach sich gezogen hat. Allerdings gelte es, weiter wachsam zu bleiben, denn es „gibt Begehrlichkeiten, am derzeitigen Status zu rütteln – nicht nur beim geplanten Großprojekt am Rohrspitz“. Thema ist für Grabherr auch die künftige Entwicklung an der Rheinvorstreckung. „Was kann von diesem Gelände der Freizeitnutzung überlassen werden, wo muss die Natur Vorrang haben?“ Das müsse sorgfältig bedacht werden, meint Grabherr, der ein aktuelles Anliegen hat: „In den Streue­wiesen hinter dem Polderdamm läuft einiges schief. Es gibt Projekte zur Wiedervernässung einzelner Flächen, das sollte man rasch umsetzen.“

Aus Behördensicht

Geht es Prof. Grabherr vorrangig um Interessen des Naturschutzes, so hat Dr. Edmund Kräutler, stellvertretender Bezirkshauptmann, den Spagat zwischen Naherholung und Naturschutz im Fokus. Das sei manchmal ein Widerspruch, denn das Vorarlberger Straßengesetz (!) garantiert Fußgängern die sogenannte „Wegefreiheit“, d. h., ein zehn Meter breiter Streifen am Ufer des Bodensees darf auch ohne Einverständnis des Grundeigentümers jederzeit betreten werden. Eine geradezu sen­sationelle Errungenschaft, um die Vorarlberg beneidet wird. Überlagert und außer Kraft gesetzt wird dieses Recht allerdings durch Ausnahmebestimmungen, vor allem die Naturschutzverordnung, die beispielsweise das Betreten des Schilfs generell untersagt oder während der Brutzeit (März bis Juni) auch großräumige Betretungsverbote festschreibt. Badeverbote gelten beispielsweise auch aus Sicherheitsgründen im Bereich öffentlicher Schifffahrtsstege.

Nebeneinander möglich

Dass Veränderungen nicht unbedingt zum Nachteil gereichen müssen, habe sich, so Dr. Kräutler, etwa beim ­Hotel am Kaiserstrand gezeigt. „Dort wurde die Gesamtsituation dank intensiver Abklärungen in der Planungsphase deutlich verbessert. Radfahrer und Fußgänger getrennt und das Ufer durch Sitzstufen und ein Flachufer für die Naherholung aufgewertet.“ Nebeneinander können Natur und Naherholung auch am Mehrerauer Seeufer „gut leben“. Dort gebe es auch einen der ganz wenigen Zäune, die Naturschutzbereich und Liegewiese trennen. Meist genüge jedoch eine informative Beschilderung, um den Erholungssuchenden ihren Platz zuzuweisen und Schutzgebiete frei zu halten, stellt Kräutler der Vernunft und Disziplin der „Besucher“ am Bodenseeufer ein gutes Zeugnis aus.

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