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Vortrag: Bewegung gut fürs Denken

Bludenz - Erstmals gastierte die Aktion "Vorarlberg bewegt" im Oberland. Dabei brach Univ.-Prof. Dr. Uwe Pühse eine Lanze für den Sportunterricht.

In Zusammenarbeit mit den „Vorarlberger Nachrichten“, Vorarlberg Online und „Schlanker Leben“ referierte der Profefssor der Medizinischen Fakultät der Universität Basel im Bludenzer Val Blu zu m Thema „Bewegungsmangel – eine tickende Zeitbombe“.

Der deutsche Sportwissenschaftler ist Autor diverser Bücher und Leiter des Instituts in Basel – sein Hauptthema sind Kinder- und Jugendsportforschung, er gilt als Koryphäe im Bereich Bewegung, Fitness und Sport.

Gleich zu Beginn kam nicht von ungefähr die besorgniserregende Entwicklung in den USA zur Sprache, wobei der Anteil der Fettsüchtigen (Body-Mass-Index über 30) weltweit stark im Steigen begriffen ist. Von 1991 bis 2001 stiegen die Anteile der Fettsüchtigen in diversen US-Bundesstaaten von 15 auf 25 Prozent und mehr. Nicht nur, weil etwa in Texas der Sportunterreicht an den Schulen umgehend wieder eingeführt wurde, stellte der Professor klar: „Die Bedeutung von Sport und Bewegung ist wieder gestiegen.“ Pühse belegte mit neuesten Zahlen, dass das Problem inzwischen auch in Europa besorgniserregend ist – in Großbritannien könnten 2050 bereits die Hälfte aller Kinder aipös sein.

Mit kurzen Filmen wurde gezeigt, dass in einem Basler Kindergarten 50 Prozent der Kinder nicht in der Lage waren, eine einfache Rolle vorwärts zu produzieren. Pühse betonte dabei die Wichtigkeit von körperlichen Erfahrungen für Kinder, damit sie aktiv und gesund durchs Leben gehen können.

Ein weltweites Problem

Der Uni-Professor sieht aber nicht nur die körperliche Ebene – so ist etwa der Anteil von Kindern, die am Aufmerksamkeits-Defizitsyndrom (ADHS) leiden, ebenfalls weltweit im Steigen: „Die Kinder haben keine neurohormonale Balance mehr“, so der Experte, „Ursachen sind die Reiz-überflutung durch TV etc. – die Störungen der Kinder werden dadurch nicht kompensiert, sondern noch verstärkt.“

Zitate von Müttern auf einer Homepage belegen Pühses Ansicht: „Die Kinder wollen sich auspowern, ihren motorischen Bewegungsdrang ausleben. Das muss nicht nur Sport, sondern kann auch ein Spaziergang im Wald oder das Velofahren zur Schule sein.“

Kinder wollen Bewegung

Als Wirkungsfelder der Bewegung sieht der Uni-Professor nicht nur das Thema Gesundheit, sondern auch eine verbesserte Konzentrationsfähigkeit in der Schule sowie weniger Aggression und Gewalt. Neueste neuro-biologische Forschungen zeigen, welche Gehirnregion bei welcher Tätigkeit aktiviert ist – und da spielt laut Pühse die Bewegung eine bisher stark unterschätzte Rolle. „Es hat sich klar gezeigt: Lernen braucht Bewegung. Die Bedeutung der Motorik für das Verarbeiten, Speichern und Lernen ist sehr hoch.“

  • Amydgala: Professor Pühse kam auch auf die Amygdala, das Emotionszentrum im Gehirn, zu sprechen. Welche Information es in den Langzeitspeicher schafft, hängt auch davon ab, welchen emotionalen Wert ihr die Amygdala verpasst – was uns und sie berührt, bleibt haften: „Wenn die Amygdala beim Lernen involviert ist, macht es Spass. Und dann bleiben die informationen auch länger erhalten.“
  • „Trois-Riviere“: In der kanadischen „trois-riviere“-Studie waren die Schüler, die pro Tag eine Stunde mehr Bewegung auf dem Stundenplan hatten, bald auch in den akademischen Fächern besser als die Vergleichsgruppe, die statt der Sportstunde sogar mehr Zeit zum Lernen hatte.
  • CHILT-Studie. Väter, die regelmäßig sportlich aktiv sind, haben die schlankesten Kinder. Das geht aus der CHILT-Studie (Children‘s Health Interventional Trial) der Deutschen Sporthochschule Köln hervor, die den Zusammenhang zwischen dem Freizeitverhalten von Eltern und der körperlichen Aktivität sowie dem Körpergewicht der Kinder untersucht. Erste Ergebnisse belegen, dass die Kinder der sportlichsten Väter den niedrigsten Body-Mass-Index (BMI) aufwiesen. Aktive Eltern sind Vorbild, sie fördern Sport und gesunde Ernährung auch bei ihren Kindern.

    Die Begrüßung von Sängerin Christine Nachbauer mit dem Song „Alles wird anders“ war beim „Vorarlberg-Bewegt“-Abend im Bludenzer Val Blu standesgemäß. Die Ernährungsexpertin Mag. Angelika Stöckler gab zum Auftakt ein wenig Einblick in die Ernährungspyramide sowie einen Überblick über die Nahrungsvielfalt. Von Wellness- über Energydrinks, diverse – und unnötige – Zuckerprodukte über die wichtige Milch („es ist eigentlich nur Geschmackssache, in welcher Form man sie zu sich nimmt“) bis hin zu den berühmten Fetten spannte sich der Bogen. Wobei besonders am Ende die „Fettschätzungen“ der Zuhörer beim Thema Leberkässemmel und Co. recht interessant waren. Mit der guten Nachricht, dass sich bei den Vorarlberger Schuluntersuchungen die Zahl der Übergewichtigen in den vergangenen drei Jahren nicht erhöhten, schloss Frau Stöckler ihre Ausführungen.

    Die „Gehirn-Hardware“ wächst

    Professor Pühse betont die Wichtigkeit von Reizen: „Bisher dachten wir, dass das Gehirn wie eine Computer-Hardware ist und sich nicht mehr entwickelt. Aber die Strukturen können sich verändern, vor allem in jungen Jahren. Das Gehirn eines Zwölfjährigen hat schon Erwachsenenwerte, und wartet auf Reize. Diese Bewegungsreize darf man nicht verpassen – neuronale Zusammenhänge werden verschaltet, nicht gebrauchte sterben ab. Use it or lose it – was nicht benutzt wird, geht verloren …“ Der Sportunterricht fördert nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch Lern- und Gedächtnisprozesse.

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