Vorarlberger Frisör war 62 Jahre im Dienst - jetzt ist Schluss

Am 1. Oktober 1950 trat Fürschuß, damals 16-jährig, seine Lehre als Frisör an. Am 28. Februar des heurigen Jahres war dann endgültig Schluss. “Die Freude zum Beruf” sei es gewesen, die ihn so lange bei der Stange hielt, erzählt der Neo-Rentner.
Frisör statt Bauingenieur
Wäre es nach seinen Eltern gegangen, hätte Fürschuß einen völlig anderen Weg eingeschlagen. Sein Vater war auf dem Bau tätig, sah in seinem Sohn einen Bauingenieur. Fürschuß begleitete den Vater zwar ein paar Mal, konnte sich aber nie so richtig für den Bau begeistern. Schließlich folgte er seinem Onkel nach, der in Lauterach einen eigenen Salon besaß. Was ihm fehlte, waren männliche Nachfahren, die das Geschäft weiterführen hätten können. Deswegen warb er schon früh um den kleinen Reinhold.
Vorbild Paris
Gut 18 Jahre später hatte Fürschuß, nun 34 Jahre alt, seinen eigenen Frisiersalon. Und machte sich durch Kreativität einen Namen. Selbst aus Deutschland und der Schweiz kamen seine Kunden angereist, um sich in Lauterach den neuesten Schnitt verpassen zu lassen. In den 60er und 70er Jahren habe er sich getraut, was andere noch nicht einmal zu denken wagten, meint Fürschuß und schmunzelt. Sein Motto damals: “Was die in Paris können, muss ich doch auch können.” Und so Griff er schon zu leuchtenden Farben, als andere Scherenartisten sich noch mit gewöhnlichen Dauerwellen über Wasser hielten.
“Sie sind ja ein Künstler!”
Nicht immer ging seine Experimentierfreudigkeit auf. Einmal, in den 80er Jahren, sei eine Kundin recht spät zu ihm in den Salon gekommen und verlangte nach einem Afrolook, der damals der letzte Schrei war. Um Zeit zu sparen, griff Fürschuß auf einen Haarfestiger zurück, der mit Kohlensäure angereichert war. Der reagierte unglücklicherweise mit den anderen Chemikalien auf dem Kopf der Kundin. Bei den Knallern, die folgten, hätte man glauben können, in seinem Geschäft würde ein Feuerwerk abgebrannt, erinnert sich Fürschuß lachend. Der Begeisterung seiner Kundin tat das keinen Abbruch: “Herr Fürschuß, sie sind ja direkt ein Künstler!”, habe die nur gemeint.
“Endgültig Schluss”
Neben der Tätigkeit im eigenen Salon fungierte der heute 78-Jährige auch als Prüfer für den Frisörsnachwuchs. Und sogar bei der Weltmeisterschaft ist er Juror gewesen. Nach einem dieser Wettbewerbe habe ihn der frischgebackene Weltmeister abwerben wollen, erzählt Fürschuß. Er sei aber standhaft geblieben und sei lieber wieder heim in vertrautere Gefilde gefahren. Nach 62 Jahren soll nun endgültig Schluss sein. Fürschuß und seine Frau wollen jetzt erst einmal ihre Pension genießen. Dass sie auch privat jemandem die Haare schneiden, komme überhaupt nicht in Frage – denn dann müssten sie eine Auswahl treffen. Und das wäre ungerecht, meint Fürschuß. (MST)
Du hast einen Hinweis für uns? Oder einen Insider-Tipp, was bei dir in der Gegend gerade passiert? Dann melde dich bei uns, damit wir darüber berichten können.
Wir gehen allen Hinweisen nach, die wir erhalten. Und damit wir schon einen Vorgeschmack und einen guten Überblick bekommen, freuen wir uns über Fotos, Videos oder Texte. Einfach das Formular unten ausfüllen und schon landet dein Tipp bei uns in der Redaktion.
Alternativ kannst du uns direkt über WhatsApp kontaktieren: Zum WhatsApp Chat
Herzlichen Dank für deine Zusendung.