Vorarlbergs Schullandesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) hatte bereits im Dezember 2012 angekündigt, in Österreichs einwohnerstärkster Marktgemeinde Lustenau einen Schulversuch zur Schule der Zehn- bis 14-Jährigen lancieren zu wollen. Nach heftigem Widerstand aus den Schulgemeinschaften wurde das Projekt aber abgesagt.
Anstelle der praktischen Erprobung startete die Landesregierung – nach ihrer Ankündigung zum Handeln gezwungen – im vergangenen Jahr eine Forschungsinitiative zur Gesamtschule. In dieser setzen sich Expertengruppen unter anderem mit rechtlichen und organisatorischen Fragen sowie pädagogischen Konzepten der Gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen auseinander. Im November 2013 nahmen rund 19.500 Lehrer, Eltern und Schüler an einer Befragung teil. Die Ergebnisse der Umfrage sollen in Kürze vorliegen, abgeschlossen sein wird das 100.000 Euro teure Projekt bis Mai 2015.
Vorschlag für Schulversuch
Das Koalitionspapier von Vorarlberger ÖVP und Grünen sieht nun vor, erst einmal das Projektende abzuwarten. Anschließend soll aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen ein “Vorschlag für einen regionalen Schulversuch ‘Gemeinsame Schule'” entwickelt werden, wie es im Regierungsprogramm heißt. Es wird also nicht – wie vielfach kolportiert wurde – eine landesweite Umstellung des Schulsystems im Rahmen einer “Modellregion Vorarlberg” angestrebt. Der Schulversuch, so er zustande kommt, wird regional beschränkt sein.
Für die Durchführung des Schulversuchs wird Vorarlberg allerdings unter Umständen die Zustimmung des Bundes brauchen. Im Koalitionspapier wird dies so ausgedrückt: Die Landesregierung werde die “Bundesregierung ersuchen, diesen zu ermöglichen”. Jedenfalls sollen aber die Erkenntnisse des Forschungsprojekts, “die im eigenen Bereich umgesetzt werden können, offensiv angegangen” werden.
Rheintal als Modellregion?
Die Grünen sprechen sich für das Rheintal mit seinen rund 280.000 Bewohnern als geeignete Modellregion für einen Schulversuch zur Gesamtschule aus. Die konkrete Region werde aber erst im Mai 2015 definiert, so Landessprecher Johannes Rauch im Ö1-“Mittagsjournal”.
Der Umfang der Modellregion sei im Arbeitsprogramm offen geblieben, betonte Rauch. Er gehe aber davon aus, dass es “ein sehr weitreichender Versuch” sein werde. Man werde “deutlich über das hinausgehen, was in Salzburg und Tirol angedacht ist”. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hat wiederholt die Heranziehung des gesamten Bundeslands als Schulversuchs-Region abgelehnt.
Kritik der Opposition
Die SPÖ Vorarlberg bezeichnet den regionalen Schulversuch als “Mogelpackung”. “Einen Schulversuch zur gemeinsamen Schule beispielsweise nur im Bregenzerwald zu machen, in welchem es nicht einmal eine Unterstufe der AHS gibt, mache keinen Sinn”, meint SPÖ-Bildungssprecherin Sprickler-Falschlunger auf die Klarstellung des Landeshauptmannes, wonach es keinen flächendeckenden Schulversuch zu gemeinsamen Schule geben werde. Würde Wallners Ankündigung in die Tat umgesetzt werden, könnten es sich jene richten, die mobil sind und genügend Geld haben, kritisiert die SPÖ die Pläne der Landesregierung.
Auch FPÖ-Klubobmann Dieter Egger kann den Plänen der neuen Landesreigerung wenig abgewinnen. Die Landesregierung strebe keineswegs eine Modellregion Vorarlberg an, sondern einen Schulversuch im Wettbewerb mit den Gymnasien. Wallner mache nach einem Schritt vor in der Bildungspolitik nun wieder zwei Schritte zurück, so Egger. Das Problem der ungleichen Startbedingungen sowie der frühen Trennung mit 9 ½ Jahren bleibe damit unter Schwarz-Grün ungelöst.
Gesamtschul-Gegner mobilisieren
Gesamtschul-Gegner bauen indes schon vor: Die AHS-Lehrergewerkschaft bzw. ihr nahe stehende Gruppierungen mobilisieren seit einigen Tagen für die Initiative “ProGymnasium”: Unterzeichnet haben unter anderem Ex-Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) sowie vor allem Lehrer und Direktoren. Neben dem Erhalt des achtjährigen Gymnasiums fordert die Initiative eine Änderung der AHS-Aufnahmekriterien durch den Einsatz von längerfristigen Prognoseverfahren sowie die Errichtung zusätzlicher Oberstufen-Standorte zur Erhöhung der Durchlässigkeit vor allem in ländlichen Regionen.
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