AA

Vorarlberg: "Als Türsteher konnte ich nicht immer der nette Mario sein"

Mario Janisch im Sonntags-Talk mit Wann & Wo.
Mario Janisch im Sonntags-Talk mit Wann & Wo. ©MiK
Mario Janisch (50), Opal-Türsteher-Legende und Wing Tsun Sifu mit dem achten Meistergrad, im W&W Sonntags-Talk.

WANN & WO: Wie bist du zum Wing Tsun gekommen?

Mario Janisch: Begonnen habe ich damals als Fünfjähriger mit Judo, bin dann über Karate, Taekwondo und Boxen schließlich bei Kung-Fu gelandet.

WANN & WO: Was fasziniert dich so an Kampfkunst?

Mario Janisch: Seinen Körper vollkommen zu beherrschen. Immer bei sich zu sein, Achtsamkeit, ständiges Bewusstsein. Im Hintergrund steht natürlich auch, sich verteidigen zu können. Wir lernen den Körper immer wieder aufs Neue kennen und seine Grenzen auszuloten. Ich bin jetzt 50 und fühle mich wie 25, vor allem körperlich. Das liegt daran, dass ich täglich zwischen fünf und sieben Stunden trainiere. Kung-Fu bedeutet, Meister von einer Sache sein. Toll ist auch, dass man ein Leben lang Schüler sein darf. Ich möchte mich immer weiter entwickeln.

WANN & WO: Wie meinst du das?

Mario Janisch: Wenn man sich selbst als Meister sieht, gibt es keinen mehr, der einen weiterbringt. Ich bin 36 Jahre bei der EWTO (Europäische Wing Tsun Organisation) und das ist eine tolle Gemeinschaft. Treue, Loyalität – sich selbst, aber auch anderen gegenüber – sind ein weiterer Aspekt, der Kung-Fu ausmacht. Sifu heißt „väterlicher Lehrer“. Das bedeutet, für jeden Schüler da zu sein, ihn im Leben zu begleiten, auf seine Probleme einzugehen – nicht nur im Training, sondern auch privat. Das ist eine schöne Aufgabe, wo auch der gesundheitliche Aspekt, ChiKung, das bei uns traditionelles chinesisches Wissen und Bewegungslehre moderner Medizin verbindet, eine große Rolle spielt.

WANN & WO: Das „Schlagen“ ist also nicht wichtig?

Mario Janisch: Das ist völlig sekundär. Für mich war es am Anfang natürlich so: Da gab es Bruce Lee, Chuck Norris, Muhammad Ali, ganz viele Menschen, zu denen ich aufgeschaut habe. Mit 15 Jahren habe ich nicht daran gedacht, dass ich hier in Vorarlberg ein kleines Imperium aufbaue. Aber das habe ich – ich bin seit über 20 Jahren selbständig. Das ist mein Leben, ich liebe es! Darum fühle ich mich so gut.

WANN & WO: Du bist als Trainer und auch als Schüler viel unterwegs. Warst du auch eine Weile in Asien?

Mario Janisch: In Asien war ich nie. Unser Sifu, der ein Schüler von Yip Man war, ist mehrmals im Jahr zu uns gekommen. Ich war aber in Thailand, wo ich auch mal an einer Kampfveranstaltung teilgenommen habe. Ich wollte herausfinden, was Wing Tsun gegen Muay Thai ausrichten kann. Nach zwei Auswahlkämpfen durfte ich den Champion herausfordern – und habe ihn in der zweiten Runde k.o. geschlagen.

WANN & WO: Bist du jemand, der immer nach Neuem sucht?

Mario Janisch: Im Wing Tsun braucht man körperlich und auch im Kopf eine irrsinnige Flexibilität. Was heute für mich gut ist, werfe ich morgen über Bord. Ich halte an nichts fest und darum belastet mich auch nichts. Wenn ich etwas Besseren belehrt werde, interessiert mich das davor überhaupt nicht mehr. Ich glaube, das ist bei vielen die Ursache für ein „Burnout“, weil sie aus ihren Bewegungs- und Denkmustern nicht herauskommen. Die große Kunst ist, sich jeden Tag selbst zu beobachten, sich wahrzunehmen. Ich versuche jeden Tag, mein Ich zu verbessern.

WANN & WO: Findet diese Selbstreflexion heutzutage zu selten statt?

Mario Janisch: Ich glaube, das hat man verlernt. Selbstreflexion ist offenbar durch die Anzahl der Likes abgelöst worden, die man für ein Foto auf Facebook bekommt. Ich muss doch meinen eigenen Weg gehen – was interessiert mich da ein Like? Eine echte Umarmung von einer Person, die man schätzt, ist unendlich viel mehr wert, als 1000 Facebook-Likes.

WANN & WO: Wie hast du deine Zeit als Türsteher in Erinnerung?

Mario Janisch: Insgesamt war ich 17 Jahre lang an der Türe, Einsatzleiter im Personenschutz und in einer Detektei für Wirtschaftskriminalität. Ein Boxkampf wird über Monate vorbereitet, aber hier muss man in einer Millisekunde richtig handeln. Das war spannend und hat mein Leben geprägt. Heute brauche ich das alles aber nicht mehr.

WANN & WO: Wieso das?

Mario Janisch: Am 18. September 2003 kam meine Tochter zur Welt. Seither habe ich sicherheitstechnisch nichts mehr gemacht. Ich habe mir gesagt, ich möchte mir das Leben nicht verbauen, indem ich in einer Situation jemanden so stark verletzen muss, dass ich ein Leben lang dafür bezahle. Was ich habe, möchte ich in meine Tochter investieren. Seither bin ich nur noch Lehrer und das war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.

WANN & WO: Gab es aufgrund der Türsteher-Tätigkeit auch Gerichtsverhandlungen?

Mario Janisch: Natürlich, mehrere. Ich wurde aber jedes Mal freigesprochen, weil die Verhältnismäßigkeit immer gepasst hat. Das kann man aber nur dann, wenn man fit ist und die Ruhe hat, die Situation richtig einzuschätzen.

WANN & WO: Hatte das Opal die „härteste Tür Vorarlbergs“?

Mario Janisch: Das war sie tatsächlich. Das Opal hatte internationales Publikum und fasste bis zu 1500 Gäste. Die Leute sind von München, Stuttgart, Zürich hierhergekommen – manchmal nur wegen zwei Stunden Rockabilly-Night von 22 bis 0 Uhr. Da haben wir in unserem kleinen Team unglaubliche Dinge bewältigt. Manche wollten uns die Tür ausreißen, haben Schusswaffen gezogen, Messer, Flaschen, Billard-Queues, alles hat es gegeben. Am Eingang wurden sogar Schäferhunde auf uns gehetzt. Manche sind mit Tiefschutz, Knie- und Ellbogenschützern gekommen, nur um Streit anzufangen. Da wir das alles immer souverän regeln konnten, wurden wir auch über die Grenzen Vorarlbergs hinaus bekannt.

WANN & WO: Das Ansehen des Jobs ist aber nicht unbedingt das Beste, oder?

Mario Janisch: Viele Menschen kennen mich nicht wirklich. Ich bin ein völlig entspannter, ruhiger Mensch. Heute noch würden mich viele als höchst arrogant deklarieren. Als Türsteher konnte ich nicht immer mit jedem ein Gespräch führen und der nette Mario sein. Da musste man in manchen Situationen einfach bestimmt und auch kurz angebunden sein.

WANN & WO: Ist es dir wichtig, wie dich andere sehen?

Mario Janisch: Wichtiger ist mir, authentisch zu sein und mich nicht zu verstellen. Ich bin ein direkter Mensch und wenn mir was nicht passt, sage ich das. Ich will aber auch, dass man mich kritisiert – das hilft mir auch dabei, mich selbst zu hinterfragen. Es ist aber spannend, wie man von Leuten in Schubladen gesteckt wird. Meine Frau wird gefragt, ob ich sie schon geschlagen habe, oder meine Tochter – das ist ja unglaublich! Wenn ich das in der Erziehung brauche, habe ich etwas falsch gemacht. Die Stimme muss reichen! Ich könnte mein Kind oder meine Frau niemals schlagen. Unsere Beziehung funktioniert seit 26 Jahren wunderbar.

WANN & WO: Habt ihr dafür ein Geheimnis?

Mario Janisch: Man muss eine Beziehung pflegen, frischen Wind rein bringen, mit Liebe, Einsicht, Güte, kleinen Aufmerksamkeiten. Das lernt man auch im Wing Tsun.

WANN & WO: Was bringt dich auf die Palme?

Mario Janisch: Mit Ungerechtigkeit kann ich nicht gut umgehen. Wenn das gegen Menschen geht, die sich selbst nicht so gut wehren können, empfinde ich es als meine Pflicht, einzugreifen. Egal, wer das ist. Ich trainiere, um gewaltlos durchs Leben zu gehen! Gewalt ist für mich ein No-Go! Ich weiß damit umzugehen, aber sie aktiv nach außen zu tragen, geht nicht.

WANN & WO: Was würdest du als deine größte Schwäche bezeichnen?

Mario Janisch: Ich kann sehr schlecht Nein sagen, wenn es um Menschen geht, die ich liebe. Meine Tochter ist super in der Schule, spielt Geige, Klavier, Handball, ist Trainerin im Kunstturnen mit 13 Jahren. Wenn sie mit einer Bitte zu mir kommt, fällt es mir sehr schwer, Nein zu sagen. Da muss dann oft die Mama eingreifen (lacht). Die Jungen haben eh schon so viel Leistungsdruck, dass ich ihr ermöglichen will, ihre Kindheit oder Jugend so entspannt wie möglich ausleben zu können.

Wordrap

Kampfkunst: Leben.
Nachtleben: Keines mehr.
Bregenz: Möchte nirgendwoanders leben.
Fernost: Sollte ich mal bereisen.
Ziele: Gesund und aktiv bleiben.
Familie: Oberstes Gut.
Kraft: Von innen.
Motto: Das Schönste auf Erden ist treffen und nicht getroffen werden.

Hier die ganze Wann-&-Wo-Ausgabe online lesen!

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Vorarlberg
  • Bregenz
  • Vorarlberg: "Als Türsteher konnte ich nicht immer der nette Mario sein"