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Von wegen tote Hose: Sonderschau im Wiener Weltmuseum

Ein Highlight im Programm ist die Ausstellung „Wer hat die Hosen an?“, die am Dienstag eröffnet wird und bis zum 26. März 2026 zu sehen sein wird.
Ein Highlight im Programm ist die Ausstellung „Wer hat die Hosen an?“, die am Dienstag eröffnet wird und bis zum 26. März 2026 zu sehen sein wird. ©APA/GEORG HOCHMUTH
"Wer hat die Hosen an?" Das fragt die neue Ausstellung des Weltmuseums, die ab Dienstag bis 26. März 2026 zu sehen sein wird. Als Streifzug durch 3.000 Jahre Beinkleid-Historie angelegt, stellt die erste Sonderschau unter Claudia Banz' Direktion eindrucksvoll unter Beweis, wie sich anhand eines alltäglichen Gegenstands große Geschichte und große Geschichten erzählen lassen.

Bevor aber die Hosen am Montag bei der Presseführung ihren Auftritt hatten, trat Claudia Banz selbst erstmals als Weltmuseum-Leiterin ins Scheinwerferlicht und bot einen ersten Einblick in ihre Ideen und Ansichten. Als "Safe Space für kulturellen Dialog, Teilhabe und Zukunftsgestaltung" versteht die 1966 in Deutschland geborene Museumskuratorin und Nachfolgerin von Jonathan Fine, der ans Kunsthistorische Museum und damit auch an die Spitze des auch das Weltmuseum umfassenden KHM-Verbands wechselte, ihr Haus. Dort will sie mit "Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Wissensystemen die großen Fragen unserer Zeit" verhandeln, wie sie bei ihrer Antrittspressekonferenz ausführte.

Neukontextualisierung und Klärung politischer Fragen im Weltmuseum in Wien

Kritisch unter die Lupe genommen werden soll etwa die Dauerausstellung und das "westlich dominierte" Storytelling der Sammlungen, um sie neu zu kontextualisieren und um fehlende Perspektiven in Zusammenarbeit mit internationalen Herkunftsgesellschaften und lokalen Akteurinnen und Akteuren zu ergänzen. Mit neuen Formaten wie etwa "Material Lab" will Banz "die politische Dimension von Materialien in historischen und gegenwärtigen globalen Prozessen" beleuchten. Zeitgenössische Kunst und neue Medien sollen in der geplanten Schiene "Contemporary" Impulse zu Themen wie Neo-Kolonialismus oder Identität und Erinnerung liefern.

Wie passt nun der Anspruch von "großen Fragen unserer Zeit" mit der Hose zusammen? "Das hat schon alles seine Richtigkeit", versicherte Barbara Pönighaus-Matuella vom vierköpfigen Kuratorenteam - denn: "Kein Ding ist zu banal, um daran nicht größere und großräumigere Themenkomplexe abzuhandeln." Mode, Materialkunde, Machtkämpfe und Massenkonsum sind einige der Aspekte, die in der - im Übrigen noch von Fine in die Wege geleiteten - Ausstellung verwoben sind.

Ganz und gar nicht Jacke wie Hose - Geschichte eines vielfältigen Kleidungsstücks

Am Beginn des fünf Säle umfassenden Parcours wird die Hose als solche einmal vorgestellt. Neben der etymologischen Herleitung des Begriffs und auf Wänden gedruckten Schnittmustern kann man in Vitrinen Beinkleidmodelle aus unterschiedlichen Weltgegenden bestaunen und erfährt, wer sie wann getragen hat - von einem Exemplar aus Eisbären- und Robbenfell aus der westlichen Arktis Nordamerikas bis zu einem philippinischen Teil aus Bananenfasern. Weiter geht es mit einem Sprung ganz zum Beginn der Hosen-Historie. Bestaunen kann man nicht nur die Rekonstruktion der mit rund 3.000 Jahren ältesten bekannten Hose - sie wurde in einem Gräberfeld aus der Bronzezeit im Westen Chinas gefunden -, sondern auch ein Original aus der Zeit um 900, das einst ein nubischer Mann getragen hat und 1960 beim Bau des Assuan-Staudamms von Wissenschaftern mit österreichischer Beteiligung entdeckt worden ist.

Ausstellung im Wiener Weltmuseum behandelt alles von Unter- bis Uniformhose

Wie die Hose zum Symbol maskuliner Macht wurde - Objekte aus dem 15. und 16. Jahrhundert setzen den männlichen Genitalbereich stark übertrieben in Szene -, wie sportlicher Wettkampf und Kriegstechnik die Mode vorantrieben, welche Rolle das Beinkleid bei der Emanzipation der Frau spielte, wie vormoderne Unterhosen aussahen, lässt sich in der rund 60 Hosen umfassenden Schau ebenso entdecken wie Details von Verschlusssystemen, Variationen von Hosensäcken oder Nähte als dekorative Versatzstücke. Zu sehen ist dabei auch die letzte Uniformhose, die Kaiser Franz Joseph noch am Tag seines Todes am 21. November 1916 getragen hat. "Letzter Dienst" hatte der Kammerdiener mit entsprechendem Datum auf das Etikett geschrieben.

Kuratorin Pönighaus-Matuella: "Wollen auch mit mutmachendem Schmunzeln enden"

Zum Schluss widmet sich die Schau gegenwärtigen Fragen von umweltzerstörerischer Herstellungsprozesse, etwa durch Baumwoll-Monokulturen oder giftige Färbeprozesse, und hinterfragt das Phänomen der "Fast Fashion". "Wir wollen aber nicht nur mit dystopischem Ernst, sondern auch mutmachendem Schmunzeln enden", meinte Pönighaus-Matuella. Also gibt es auch eine Selfie-Station, bei der die Besucher mit virtuell verpasstem Beinkleid posieren können, und acht augenzwinkernde Entwürfe junger Designerinnen und Designer für Hosen des 21. Jahrhunderts.

Die Hosen-Ausstellung wird im ersten Jahr von Direktorin Banz im Übrigen nicht die letzte mit Textilbezug gewesen sein. Ab 22. Oktober ist dann "Die Farben der Erde" über Textilkunst Mexikos, natürliche Färberprozesse und die Auswirkungen sozialer Medien als eine weitere von insgesamt sechs Sonderausstellungen im heurigen Jahr zu sehen.

(APA/Red)

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