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Vom Schmuddelkind zum Schmuckstück

"Wir wollten nachweisen, dass ,betagte' Wohnbauten auch mit einem gewissen architektonischen Anspruch thermisch saniert werden können" (HELMUT KUËSS, ARCHITEKT)
"Wir wollten nachweisen, dass ,betagte' Wohnbauten auch mit einem gewissen architektonischen Anspruch thermisch saniert werden können" (HELMUT KUËSS, ARCHITEKT) ©Darko Todorovic
Dornbirn - Neue Offenheit. Der Kleinsiedlung Fussenau in Dornbirn konnte man nach 25 Jahren ihre guten Seiten nicht mehr ansehen. Eine Sanierung holte diese Qualitäten wieder hervor und fügte neue hinzu.
Bilder: Wohnanlage Fussenau

Am Stadtrand von Dornbirn liegt die Wohnanlage Fussenau aus den frühen 1980er Jahren. Die 54 Wohnungen waren 2004 nicht nur zu unvertretbaren Energiefressern geworden, sondern sahen auch wenig ansprechend aus: Braunbeige Fassaden, Faserzementverkleidungen und massive Betonbrüstungen vor jedem Balkon ließen die Vorteile der Anlage übersehen, nämlich den Garten, in dem die fünf Gebäude angenehme Freiräume abgrenzen, die geringe Dichte und die Balkons vor jeder Wohnung. Dem entsprechend wünschten sich damals die Bewohnerinnen und Bewohner eine Verbesserung des Erscheinungsbilds ihrer Wohnhäuser; die Eigentümerin Vogewosi wollte dies durch energietechnische Erneuerung ergänzen.

Faktor-10-Sanierung

2008 sanierte der Bregenzer Architekt Helmut Kuëss die Anlage um 3,5 Millionen Euro, ohne dass die Mieterinnen und Mieter ausziehen mussten. Fussenau sollte Pilotprojekt für eine Faktor-10-Sanierung sein, also für die Reduktion des ursprünglichen Wärmebedarfs pro Quadratmeter und Jahr von 250 Kilowattstunden auf ein Zehntel. Dieses Ziel konnte sogar noch weit unterschritten werden, sodass die Anlage nun mit 15 kWh/m2a dem Passivhausstandard entspricht. Dazu war es nötig, die Fassaden sowie die Kellerdecken und die obersten Geschossdecken zu dämmen und alle Fenster zu erneuern. Die ehemaligen Balkons wurden zu vollfl ächig verglasten Wintergärten umgebaut, sodass hier nicht nur witterungsunabhängig nutzbare Räume entstanden, sondern nun auch mehr Licht in die Wohnungen gelangt. Zusätzlich wurden in jedes Haus neue Heizanlagen (Gasbrennwerttherme, Solaranlage) und kontrollierte Wohnraumlüftungen eingebaut.

Unsicherer Boden

Die Häuser stehen auf einem für das untere Rheintal typischen, labilen Torfboden, der sich seit Errichtung der Anlage um etwa einen Meter gesenkt hatte. Da die fünf Gebäude und die Tiefgarage auf Gründungspfählen stehen, wurden mit der Zeit Kellerwände freigelegt, Zugangsstiegen und Rampen mussten nach und nach verlängert werden. Nun planten die Architekten eine einfache Neugestaltung der Freiräume und Zugangsbereiche, sodass der Garten heute wieder ansprechend wirkt. Wegen der unsicheren Bodenverhältnisse konnte man nicht, wie das bei Sanierungen oft gemacht wird, einfach die alten Balkonplatten abschneiden, die wie Kühlergrills wirken und die Wärme aus dem Gebäude nach draußen leiten: Neue Balkonkonstruktionen auf diesen Boden zu stellen, wäre sehr teuer gekommen. Deshalb entschloss man sich, die alten Balkons mit Glasfassaden zu umschließen, sodass zwischen massiver Wand und Glaswand ein zwar ungeheizter, aber energetisch wirksamer Puff erbereich entstand.

Neue Qualitäten

Diese Wintergärten bilden – neben dem massiv reduzierten Energieverbrauch – den entscheidenden Mehrwert dieser Sanierung: Hier befi nden sich nun neue Wohnräume, die nach außen orientiert sind, gleichsam im Übergangsbereich zwischen Haus und Garten. Die Glaswände können jeweils zur Hälfte aufgeschoben werden. Die Wohnungen sind nun heller, als sie das zuvor waren. Wenn man sich der Siedlung vom Norden nähert, stößt man zunächst auf die typischen Lochfassaden der frühen 1980er. Umso überraschender ist der Eindruck, wenn im Inneren der Anlage die neuen Südfassaden auftauchen – viel Glas, zarte, graue Alurahmen und die dahinter sichtbare Ausgestaltung der Wohnungen bestimmen nun das Äußere. Die Wohnanlage in Fussenau wurde dadurch komplett verändert, heute ist sie ein Schmuckstück.

Daten & Fakten

Objekt: Wohnanlage Fussenau
                Wieden 90-98, Dornbirn

Bauherr: VOGEWOSI (Vorarlberger gemeinnützige Wohnungsbau und Siedlungsgesellschaft)

Architekten: Architekt DI Helmut Kuëss
                           Ehregutaplatz 8,
                           A-6900 Bregenz

                          Mail: buero@architektur-kuess.at
                          Web: www.architektur-kuess.at

                          Projektleiter DI Manfred Koller

Statik: Hagen-Huster Statik ZT GmbH, Bregenz

Bauphysik: Spektrum, Dornbirn

HSL-Planung: e-Plus, Egg

Planungsdaten:

  • Planungsbeginn: 2006
  • Baubeginn: 2007
  • Fertigstellung: 2008

Objektdaten:

  • Grundstücksfläche 11.904 m²
  • Bruttogeschossfläche 6109 m²
  • Wohnnutzfläche 4460 m²
  • Betreuungseinheit, Kinderhort

Projektdaten

Konstruktion: Massiv

Technische Daten: Passivhausstandard; Öko-5-Projekt

Auszeichnung: Nominierung Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2010

(Leben & Wohnen/ Robert Temel)

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Architektur vorORT: die monatliche Veranstaltung des vai
lädt zur öff entlichen Besichtigung der Wohnanlage Fussenau
mit Architekt und Bauherr. Treff punkt: 16.12.2011, 16:00 Uhr
Wieden 90-98, Dornbirn
Mehr unter architektur vorORT auf www.v-a-i.at

 

www.v-a-i.at
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