Vom Kasernenhof in den Olivenhain

Wenn er den Blick vom Schreibtisch hebt, schaut Generalmajor Karl Redl auf eine weitläufige Wiese mit Obstbäumen. Dahinter läge, wenn auch ein wenig versetzt, die ehemalige Lochauer Rhombergkaserne, die sich inzwischen zum Hotel Kaiserstrand gemausert hat. Hier gab er seinen Abschied im Sommer 2001. Eine Feldmesse wünschte er sich, „weil ich 58 Jahre Soldat gewesen bin, aber nie in den Krieg ziehen musste“.
Ein „Hobby“ blieb
Ohne jede Wehmut blickt Vorarlbergs ehemaliger Militärkommandant an diese Zeit zurück, deren Zeugnisse ein dickes Album füllen. Man mag sich vorstellen, wie er manchmal darin blättert. Wenn er nicht gerade seiner Gattin Ute zur Hand geht, die lächelnd gesteht, dass ihr von einer Unzahl von Hobbys nach der Pensionierung ihres Gatten nur eines geblieben sei: Eben er, der Generalstabsoffizier außer Dienst.
Er schmaucht sich ein Pfeifchen an. Das heißt, er kommt nicht übers Stopfen des Pfeifenkopfes hinaus. Weil der Besucher in all die sonntägliche Behaglichkeit nämlich eine Frage einstreut. Eine scheinbar ganz harmlose Frage ist das, die ein wenig träge die Brücke zur aktiven Zeit schlagen soll: Ob er denn noch Anteil nehme am tagespolitischen Geschehen, wo doch die Abschaffung der Milizarmee inzwischen quasi minütlich erwogen wird . . .
Aber da ist der Gast an den Rechten geraten. Eben noch hatte sich der inzwischen immerhin 72-Jährige zufrieden zurückgelehnt, da stellt ihn diese Frage quasi schlagartig wieder in Dienst. Berufsheer statt Milizarmee? So weit käme es noch. Und aus den Erinnerungen tauchen Bilder auf. 1968, Tschechenkrise. Karl Redl als junger Oberleutnant und Batteriekommandant. „Wir durften nicht näher als 30 Kilometer an die Grenze heran.“ Da stellten sich ihm wütende Bürger in den Weg und fragten: „Sind wir denn keine Österreicher?“ Und später dann, in den ersten Wochen des Jugoslawienkriegs, als die Bundesregierung junge Militärakademiker an die steirische Grenze schickte und dafür ein Milizbataillon, das dort eben übte, nach Hause entließ, war Redl als Generalstäbler vor Ort. Wieder hörte er ähnliche, angsterfüllte Fragen der Bevölkerung: „Warum kommt ihr erst jetzt? Werdet ihr uns schützen?“
Nein, von all dem tagespolitischen Geplänkel lässt er sich nicht beeindrucken und glaubt „als gelernter Österreicher“ felsenfest an die Verankerung der Milizarmee. Seinem politischen Credo stellt Redl die sehr österreichische Bemerkung voran: „Ich hab immerhin zwölf Minister niedergedient.“ Im Übrigen hält er’s mit Raimondo Montecuccoli, der bereits 1654 erkannt hat: „Drei Dinge braucht eine Armee: Geld, Geld und wieder Geld.“
Ernte in Messenien
Jetzt hätte er sich aber doch Tabak verdient. Aber da streut Ute Redl, während sie frisch gebrühten Kaffee serviert, das Wörtchen „Methoni“ ein. Eine kleine Stadt ist das mit 1300 Einwohnern, am südlichsten Zipfel des Peloponnes. Natürlich, da gäbe es militärische Anklänge: Dass die Messener etwa sich lange erfolgreich der Spartaner erwehrt haben oder der natürliche Hafen, der dem kleinen Ort in der Antike Bedeutung verlieh. Aber das Ehepaar Redl denkt an Flaschen mit grüner, trüber Flüssigkeit von erlesener Qualität: 2003 haben sie sich dort einen Olivenhain gekauft.
Ein Leben lang mit der griechischen Antike verbunden, ernten sie heute jedes Jahr mit Stöcken die Früchte von 60 kleinen, knorrigen Bäumen. Tragen sie zur Mühle, achten auf die Temperatur der Pressung. Sitzen später mit den Bauern am Tisch. Lachen, reden, genießen. Lieben dieses Land und seine Leute. Und bedauern sehr, wie erfolgreich Europa ausgerechnet hier seinen Sündenbock gefunden hat. Generalmajor Karl Redl, der seinerzeit die erste Manöverzeitung des Bundesheeres produziert hat und 16 Jahre lang Vorarlberger Militärkommandant gewesen ist, der so sehr hier Heimat fand, dass ihn nichts zurück nach Wien oder Salzburg gezogen hätte, hat auch nach zehn Jahren nicht genug von der Pension. Besucht Konzerte, geht ins Theater und gestattet sich morgens mitunter, ein Stück resches Weißbrot in Olivenöl zu tränken. „Dann ist es selbst im Dezember mit einem Mal Sommer.“ Er lächelt. Und ein Rauchwolke steigt zur Decke. Endlich.
Zur Person
Karl Redl war bis 2001 insgesamt 16 Jahre lang Militärkommandant.
Geboren: 12. November 1939 in Wien
Ausbildung: Militärakademie
Laufbahn: lange Jahre in Salzburg, dann im Armeekommando in Wien, 16 Jahre Militärkommandant
Familie: verheiratet, zwei Söhne
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