Vom Gletscher bis zum Hochofen

Dornbirn. Schauplatz ist der Ochsentaler Gletscher unterhalb des Piz Buin. Der Aufstieg mit Gepäck und Kameraausrüstung war lang und beschwerlich. Hanno Thurnher und seine Equipe suchten nach dem idealen Standort für die spektakulärsten Bilder der einzigartigen Vorarlberger Bergwelt. Es sollten faszinierende Sequenzen für die geplante Filmproduktion entstehen.
„Eine Fotolehre war damals eher altbacken“, reflektiert der Dornbirner. Also lernte er weiter, denn Potential und Perspektiven sah er im Metier Video. Das war neu und begeisterte ihn. „Videos von Veranstaltungen boomten ab den 1980er-Jahren“, erinnert er sich. Nicht selten wurde mit mehreren Mitarbeitern an verschiedenen Orten gleichzeitig unter der Regie von Hanno Thurnher gedreht. Er hatte das Sagen, und das war gut so. Die beruflichen Aufgaben wurden zum Lebensinhalt, und seit nunmehr 35 Jahren liebt er die künstlerische Freiheit, seine Ideen umzusetzen. Schon als Bub wollte er nicht nach der Pfeife anderer tanzen, auch nicht beim Fußball. Als das erste Training nicht nach seinen Vorstellungen verlief, gründete er mit 14 einfach seine eigene Elf. Der Name „FC Adler“ war nicht weit hergeholt, denn Hanno wuchs als einziges Kind seiner Eltern im ehemaligen Gasthaus Adler am Hatler-Brunnen auf.
Aber zurück zum Gletscher. Mit ersten Bildern wieder im Tal begann die Expedition erneut. Diesmal mit dem Hubschrauber. Zwei Flüge mit jeweils 700 Kilo Last brachten Mannschaft und Ausrüstung ins Hochgebirge. „Es war die Zeit, bevor es Drohnen gab“, erklärt der Filmemacher das Aufstellen von Kränen im Jahr 2004 und noch später. Unvergessen bleibt diese brenzlige Situation: „Beim zweiten Anflug steckte das Transportnetz in der Gletscherspalte. Der Pilot brauchte all sein Können, um das Fluggerät samt Fracht wieder in die Höhe zu bringen.“ Die überaus erfolgreiche vierteilige Naturdokumentation war schließlich das Ergebnis dieses Abenteuers.
Wie geht es weiter?
Aktuell ist Hanno Thurnher mit der Bahn quer durch Österreich unterwegs – auf den Spuren von mysteriösen und verlassenen Orten. Zwei Rucksäcke mit insgesamt 25 Kilo Kameraausrüstung führt er mit. Zusätzlich ein Fahrrad in den Zug zu hieven, geht sich meist nicht aus. Also hat er da und dort eines für die Weiterfahrt geparkt. Allein mit dem am meisten benützten Rad legte er in den vergangenen sieben Monaten 4.400 Kilometer zurück. Höchste Priorität habe derzeit aber der Aufbau seines volldigitalen Bildarchivs für Tageszeitungen und andere Medien. 12.000 Motive unterschiedlichster Genres wird es enthalten. Sein Faible für Zeitgeschichte zeigt auch die Dokumentation, die er entlang der Berliner Mauer mit dort lebenden Menschen drehte – und das bis zum Vorabend des Mauerfalls. Dem Feuer direkt ins Auge blickte er an den Hochöfen des Ruhrpotts – dort hielt er die zunehmend verschwindende Schwerindustrie filmisch fest.
Seinem Vater Erwin Thurnher (1922-1971) verdankt er einen unschätzbaren Nachlass von 5600 Schwarz-Weiß-Negativen und 2600 Farbdias. Zum 100. Geburtstag ist eine umfassende Ausstellung des fotografischen Werks ab 1949 geplant. Tagebücher und akribisch dokumentierte Berichte im Vorarlberger Volksblatt und in den Vorarlberger Nachrichten ergänzen das Archiv. Erwin Thurnher spielt außerdem eine Rolle im Roman von Monika Helfer. Ihn führten nicht nur Wanderungen auf die Tschengla. Er wurde immer in das Ferienheim für Kriegsversehrte, das Monika Helfers Vater leitete, gerufen, wenn eine Gruppe von Gästen abreiste. Im Buch Vati heißt es: „Erwin Thurnher, der Fotograf, wollte nicht nur einer sein, der knipst, er war ein Künstler und wollte ein Künstler sein, ein Regisseur.“
Hanno Thurnher
Geboren 1964 in Dornbirn
Beruf: Fotograf, Kameramann und Filmemacher
Produzent und Herausgeber mehrerer Filme und Publikationen
Lebt und arbeitet in Selzthal (Steiermark) und in Dornbirn
Motto: Leben und leben lassen
Websites: thurnher.at