Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte in einem Urteil 2020 Teile von Vorarlberger Gesetzen als verfassungswidrig aufgehoben, da eine Gemeindevertretung nicht gegen ihren Willen durch eine Volksabstimmung an eine Entscheidung gebunden werden könne.
Anlass für die Entscheidung des VfGH im Oktober 2020 war die Volksabstimmung in Ludesch im November 2019. Die Bevölkerung lehnte dabei eine Flächen-Widmung zur Expansion des Fruchtsaftherstellers Rauch ab.
Einige Grundeigentümer verlangten die Aufhebung der Volksabstimmung. Der VfGH folgte diesem Ansuchen, weil das Vorarlberger Gemeindegesetz in seinen Augen gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie verstößt. Im Landes-Volksabstimmungsgesetz ist derzeit vorgesehen, dass eine Entscheidung des Volkes die Entscheidung des sonst zuständigen Gemeindeorgans ersetzt. Ein solches Modell aber widerspreche "dem repräsentativ-demokratischen System der Gemeindeselbstverwaltung".
Verweise gingen ins Leere
Der Vorarlberger Landtag hat eine Frist bis 31. Dezember 2021, die Landesgesetze zu "reparieren". Davon betroffen sind auch die Volksbefragungen, da in den Gesetzen dazu auf Bestimmungen bei den Volksabstimmungen verwiesen wird; diese Verweise gingen ohne Reparatur ins Leere. Die Landesregierung hat dazu eine Sammelnovelle erarbeitet, die Regierungsvorlage wurde aber nicht beschlossen. Denn diese wurde nach juristischer Prüfung als nicht notwendig erachtet, daher kam sie auch nicht zur Behandlung in den Landtag. Mit Jahresende verlieren die beanstandeten Passagen ihre Gültigkeit.
Es gelte, den hohen Standard in der direkten Demokratie zu bewahren, in diesem Anliegen sei man sich seitens der Opposition einig. "Das VfGH-Urteil zu Ludesch gibt hier nun einen engeren Rahmen vor, den es auszunützen gilt. ÖVP und Grüne haben bisher tatenlos zugeschaut", so die Landtagsabgeordneten Johannes Gasser (NEOS), Christof Bitschi (FPÖ) und Thomas Hopfner (SPÖ) in ihrer Aussendung. Ihr Vorschlag sieht vor, dass Bürger auch künftig eine Volksabstimmung initiieren können, wenn die Gemeindevertretung einer Durchführung zustimmt. Stimmt die Gemeindevertretung gegen die Durchführung, so ist zumindest eine unverbindliche Volksbefragung abzuhalten. Damit komme man dem Urteil des VfGH nach.
ÖVP will "Lösung finden"
ÖVP-Klubobmann Roland Frühstück erklärte, das Thema habe aufgrund einer anderen Einstellung zur direkten Demokratie in Vorarlberg mehr Relevanz als in anderen Bundesländern. Man werde in Gesprächen "eine Lösung finden, wo wir alle mitkönnen". Wichtig sei, dass die Gesetzesänderungen dann gerichtlich halten. Ähnlich sah das Grünen-Klubobmann Daniel Zadra. Man werde den Vorschlag inhaltlich prüfen und den Vorstoß unterstützen, wenn dieser verfassungskonform und nahe an der Ursprungsregelung sei. Man sei auch auf Bundesebene in Gesprächen mit der ÖVP.
Denn für eine generelle Änderung hin zum Erhalt des Initiativrechts der Bürger wäre eine Verfassungsänderung des Bundes notwendig. Sowohl der Landtag als auch die Vorarlberger Nationalratsabgeordneten Reinhard Bösch (FPÖ), Reinhold Einwallner (SPÖ) und Gerald Loacker (NEOS) setzen sich für eine Verfassungsänderung auf Bundesebene ein, eine Initiative von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) blieb aber bisher aus. Die Nationalratsabgeordneten, die dazu mehrfach Anfragen stellten, überlegen nun laut "Vorarlberger Nachrichten" die Initiierung einer Volksabstimmung dazu. Bösch erinnerte die Ministerin an einen entsprechenden Beschluss des Bundesrats, wonach das Abstimmungsrecht geändert werden soll. Unterstützung kommt auch aus der Zivilgesellschaft, infolge des Urteils formierte sich bereits eine Plattform "Volksabstimmen über Volksabstimmen".
(APA)
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