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"Viele Leute haben nur gegafft"

©VOL.AT/Steurer
Petra Nagel (37) aus Höchst und ihr Freund sprangen waghalsig in das Harder Binnenbecken, um den ertrinkenden 22-Jährigen zu retten. Doch damit waren sie so gut wie allein – und kritisieren jetzt die fehlende Hilfsbereitschaft und "Gafferei".

Ein einsames Stand-Up-Paddle-Board schaukelt auf der Wasseroberfläche. Aber gerade hatte doch noch ein Mensch daraufgestanden? „Ich hatte ihn eben noch gesehen. Dann drehte ich mich für drei Sekunden weg und als ich wieder hinschaute, war der Mann weg“, erinnert sich Petra Nagel aus Höchst. Die 37-Jährige war am Sonntag mit ihrem Freund auf dessen Boot im Binnenbecken – nur etwa 30 Meter von dem 22-Jährigen entfernt, der bei dem tragischen SUP-Unfall ums Leben kam. Doch was genau passierte, erschien Petra zuerst surreal: „Mein Kopf hat im ersten Moment gar nicht realisiert, was passiert war.“

Eine Schwimmerin reißt Petra aus ihrem Schock: „Sie schrie lautstark um Hilfe, zeigte auf das Board und rief, dass jemand untergegangen sei“, schildert die Höchsterin gegenüber WANN & WO. Petra und ihr Freund Philipp zögern nicht und springen augenblicklich ins Wasser. „Wir sind sofort getaucht und haben versucht, ihn zu finden. Aber das Wasser im Binnenbecken ist unglaublich dunkel. Bereits in einem Meter Tiefe haben wir die Hand vor Augen nicht mehr gesehen.“

"Nur blöd geschaut"

Trotzdem tauchen Petra und Philipp immer wieder hinab, versuchen irgendetwas zu erkennen. „Sicher zehn Mal sind wir hinunter“, sagt die 37-Jährige. „Dann bin ich in Richtung Land geschwommen und habe versucht, weitere Helfer ins Wasser zu bekommen. Aber es war unvorstellbar: Alle haben mich nur blöd angeschaut, sind aber nicht zu Hilfe gekommen. Selbst, als ich eine Gruppe junger Männer direkt angesprochen habe, dass sie doch helfen sollen, sagte mir einer ganz uninteressiert, dass er ja kein Taucher sei. Der bin ich auch nicht, aber ich habe es trotzdem probiert.“

Nur drei oder vier Leute seien ins Wasser gekommen, um zu helfen, aber hunderte Weitere hätten zugeschaut. „Viele sind sogar extra mit ihren Boards hingepaddelt um zu gaffen. Das ist doch unglaublich! Wie können Menschen nur so sein?“

Rettung behindert

Daniel Plaichner kennt diese Gedanken. Er ist Landesleiter der Wasserrettung in Vorarlberg. Bei deren Einsätzen sammeln sich immer wieder – wie etwa bei Auto-unfällen – Gaffer am Unfallort. Dann muss bei der Erstversorgung ein Sichtschutz aufgebaut werden. Das bindet unnötig Einsatzpersonal“, klagt der Experte.

Auch beim jüngsten Vorfall war das so. „Als die Wasserrettung kam, konnte sie den Mann gleich bergen“, erzählt Petra. „Aber die Polizei musste auch da erst Gaffer verscheuchen, damit Platz war.“ Sie hofft, dass sie mit ihren Erfahrungen etwas verändern kann. „Denn jeder kann in so eine Situation kommen. Und dann will man doch auch, dass einem geholfen und nicht gegafft wird.“

Umfrage: Generelle Schwimmwestenpflicht für SUP?

Falsches Signal. „Beim Surfmax Hard verpflichten wir unsere Gäste bereits jetzt schon, eine Schwimmweste zu tragen. Ob die dann auch angezogen wird, liegt aber im Ermessen des Paddlers. Eine generelle Schwimmwestenpflicht halten wir allerdings für das falsche Signal. In den letzten Jahren sind leider auch viele beim Schwimmen ertrunken, für diese müsste die Pflicht analog dazu auch gelten. Und: Für Eltern gilt die Aufsichtspflicht!“
Alexander Schwärzler, Geschäftsführer Surfmax Hard

Fragwürdig. „Sinnvoll ist es immer, eine Schwimmweste beim Stand-Up-Paddeln dabei zu haben. Und ab 300 Metern Entfernung vom Ufer sind sie eh verpflichtend. Eine generelle Pflicht halte ich aber für fragwürdig: Der Sport ist sehr bewegungsintensiv, eine Weste stört da. Zumal sie bei 30 Grad Celsius oder mehr auch unangenehm ist. Und wie weit soll man da gehen: Soll für Luftmatratzen auch bald Schwimmwestenpflicht gelten?“
Mathias Tschögl, SUP-Touren Veranstalter

Klare Empfehlung. „Bei einer Pflicht ist immer das Problem: Wer kontrolliert das? Deshalb raten wir von einer Verpflichtung ab, sprechen uns aber für eine ganz klare Empfehlung aus. Und die darf dann auch gern schärfer ausfallen, als sie das aktuell tut. Denn fix ist: Auch gute Schwimmer können in Notsituationen kommen und nicht immer sind Helfer da. Dann geht es um Leben oder Tod. Das sollte jedem Grund genug für das Achten auf Sicherheit sein.“
Mario Amann, Geschäftsführer Sicheres Vorarlberg

Sicherheitstipps der Wasserrettung

  • Stets eine Schwimmweste tragen, auch wenn man geübter Schwimmer ist. Gilt besonders für Kinder.
  • Die Leash (Halteleine zwischen Board und Körper) sollte immer angelegt werden.
  • Wetter beachten. Landwind kann gefährlich werden, da man forttreibt. Bei Sonne drohen Überhitzung und Kreislaufprobleme, wenn man ins Wasser fällt. Daher regelmäßig abkühlen.
  • Entfernung zum Ufer nicht unterschätzen.

Rettungsweg blockiert?

Hätten die Einsatzkräfte schneller zum Unfallort gelangen und den 22-Jährigen vielleicht retten können? Diese Frage wirft W&W-Leser Manfred Singer auf: „Ich sah, wie die Polizei an die Brücke am Skatepark fuhr und stehen blieb, statt die Blumenkübel zur Seite zu räumen und so den Weg freizumachen“, schildert der 75-Jährige gegenüber W&W. Singers Auffassung, dass die Rettung ohne die Kübel schneller gegangen wäre, widerspricht die Gemeinde aber: „Die Brücke ist nicht für den Verkehr zugelassen und wird im Einzelfall lediglich von Instandhaltungsfahr-zeugen bis maximal 2,5 Tonnen befahren. Für eine schwerere bzw. höhere Last ist die Brücke nicht ausgelegt“, erklärt Amtsleiter Christian Mungenast. Einsatzfahrzeuge wiegen zwischen drei und vier Tonnen.

(WANN & WO)

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