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VfGH hebt Raucherlaubnis in Lokalen nicht auf

Der Antrag der Wiener Landesregierung wurde abgewiesen.
Der Antrag der Wiener Landesregierung wurde abgewiesen. ©APA/Helmut Fohringer
Der VfGH hebt die Raucherlaubnis in der Gastronomie nicht auf. Der VfGH sieht den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Raucherlaubnis in der Gastronomie nicht überschritten.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat den Antrag der Wiener Landesregierung zum Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz in der seit 1. Mai geltenden Fassung mit Erkenntnis von heute, Dienstag, abgewiesen. Der VfGH sieht den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Raucherlaubnis in der Gastronomie nicht überschritten.

In Bezug auf den Arbeitnehmerschutz hält der VfGH fest, "dass die Rechtsordnung in vielfachem Zusammenhang menschliche Verhaltensweisen akzeptiert, die auf die eine oder andere Weise (auch erhebliche) negative Auswirkungen für andere Menschen oder die Allgemeinheit haben können, weil der Gesetzgeber den Freiheitsgewinn höher bewertet als die nachteiligen Folgen". Im demokratischen Rechtsstaat sei es die Aufgabe des Gesetzgebers, hier die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen.

VfGH wies Antrag der Wiener Landesregierung ab

Die Wiener Landesregierung hatte die Aufhebung von Bestimmungen beantragt, die für "Räume der Gastronomie" eine Ausnahme vom allgemeinen Rauchverbot an öffentlichen Orten vorsehen. Der Antrag wurde damit begründet, dass diese Bestimmungen gegen mehrere Grundrechte verstoßen würden, vor allem gegen den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf Achtung des Privatlebens sowie das Recht auf Leben. Im Besonderen machte die Wiener Landesregierung eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern verschiedener Betriebe sowie eine Verletzung des Vertrauensschutzes der Gastronomen geltend.

In Bezug auf den Arbeitnehmerschutz hält der VfGH fest, dass die Rechtsordnung in vielfachem Zusammenhang menschliche Verhaltensweisen akzeptiert, "die auf die eine oder andere Weise (auch erhebliche) negative Auswirkungen für andere Menschen oder die Allgemeinheit haben können, weil der Gesetzgeber den Freiheitsgewinn höher bewertet als die nachteiligen Folgen". Im demokratischen Rechtsstaat sei es die Aufgabe des Gesetzgebers, hier die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen.

VfGH teilt Bedenken hinsichtlich des Vertrauensschutzes nicht

Dem Gesetzgeber ist auch nicht entgegenzutreten, so der VfGH weiter, wenn er Räume, in denen Speisen und Getränke verabreicht werden, im Hinblick auf den Konsum von Tabakwaren anders behandelt als öffentliche Räume, die anderen Zwecken dienen. Als sachlich begründbar erachtet der VfGH auch die bekämpfte Unterscheidung zwischen kleinen Gastronomiebetrieben, die vom Rauchverbot ausgenommen sind, und größeren Betrieben, die verpflichtet sind, einen rauchfreien Hauptraum einzurichten. Diese Regelung entspreche dem Anliegen, Wettbewerbsnachteile für kleine Betriebe zu vermeiden.

Auch Bedenken hinsichtlich des Vertrauensschutzes von Gastronomen teilt der VfGH nicht. Der Gerichtshof hält es zwar für möglich, dass sich Gastronomiebetreiber veranlasst gesehen haben, die im Jahr 2015 beschlossene Neuregelung des Rauchverbotes bei ihren Entscheidungen über die räumliche Gestaltung von Gastronomiebetrieben zu berücksichtigen. Dass mit dieser Neuregelung gezielt ein Anreiz zu erheblichen Investitionen geschaffen werden sollte, ist für den Gerichtshof "nicht erkennbar".

Ein absolutes Rauchverbot in der Gastronomie lasse sich auch nicht aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ableiten, in der die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf Leben gewährleistet werden. Den Mitgliedsstaaten der EMRK (und damit auch Österreich) kommt dem VfGH zufolge bei der Bewertung der gesellschaftlichen Entwicklung dahin, in welchem Ausmaß der Konsum von Tabakwaren als sozialadäquat toleriert wird, derzeit noch ein Beurteilungsspielraum zu.

Einen weiteren, von zwei Gastronomiebetrieben und zwei Nichtrauchern - Vater und Tochter - gemeinsam eingebrachten Antrag hat der VfGH als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Antrag war nämlich nicht gegen alle für Gastronomiebetriebe maßgeblichen Ausnahmebestimmungen des Tabak- und Nichtraucherschutzgesetzes gerichtet und erwies sich damit als zu eng gefasst.

Das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie dürfte aber dennoch kommen. Hatte die Ende Mai entlassene ÖVP-FPÖ-Regierung sich auf eine Rücknahme des an sich bereits beschlossenen absoluten Rauchverbots geeinigt und damit fast 900.000 Unterzeichner des "Don't Smoke"-Volksbegehrens außen vor gelassen, lenkte die ÖVP nach dem Ende der Koalition mit der FPÖ ein. Grundsätzlich hat man sich mit den Oppositionsparteien auf ein Agreement verständigt, dass das Verbot mit 1. November in Kraft treten kann.

Bedauern bei Sima

Mit großem Bedauern hat Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof zum Rauchverbot in der Gastronomie zur Kenntnis genommen. "Nun ist das Parlament am Zug", sagte Sima laut einer Aussendung. Die ÖVP müsse ihr Wort halten. Erfreut über den VfGH-Spruch zeigte sich nur die FPÖ.

Das Höchstgericht sehe den Gesetzgeber in der Verantwortung, die "Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen in Einklang zu bringen". Sima, die die Causa vor den VfGH gebracht hatte, forderte daher das Parlament auf, im Sinne des Schutzes der Nichtraucher rasch zu entscheiden und im nächsten Plenum für das Rauchverbot in der Gastronomie zu stimmen.

"Das Erkenntnis des VfGH zum Rauchverbot ist zwar bedauerlich, ändert aber nichts an meiner Position", reagierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Beim Nichtraucherschutz stehe die Gesundheit der Bevölkerung an oberster Stelle. "Das haben wir auch bei unserem Antrag im Nationalrat klar gemacht." Die ÖVP können sich nun entscheiden: Halte sie Wort oder riskiere sie die Gesundheit der Österreicher aus taktischen Gründen. "Die Gesundheit darf niemals parteipolitischer Spielball sein", fügte Rendi-Wagner hinzu.

Nepp kommentiert VfGH-Urteil als "Sieg der Vernunft"

Bei der Wiener Ärztekammer, Mitinitiator des "Don't Smoke" Volksbegehrens, zeigte man sich überzeugt, dass keine der Parteien nach dem Erkenntnis des VfGH von ihrer Zustimmung zu einem allgemeinen Rauchverbot in der Gastronomie abweichen wird. "Die Frage eines Rauchverbots in der Gastronomie ist grundsätzlich keine politische, sondern ausschließlich eine medizinische im Sinne der Gesundheit der Menschen", sagte Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres.

Der designierte Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp kommentierte dagegen das VfGH-Erkenntnis als "Sieg der Vernunft" und als "Gewinn für alle Wiener Gastronomen". "Gerade die Wien mit ihrer allseits geschätzten Heurigen- und Gastronomiekultur kann vorerst aufatmen", meinte Nepp. "Die Abgeordneten zum Nationalrat - allen voran die Kurz-ÖVP - sollten sich an ihren kommenden Abstimmungen daran orientieren", sagte der nicht amtsführende Vizebürgermeister.

In seiner Position gestärkt, "dass das Parlament die Entscheidung für das allgemeine Rauchverbot in der Gastronomie fällen muss", reagierte wiederum NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker auf das Urteil. "Wie der VfGH klar macht, obliegt es dem Gesetzgeber, 'die Freiheit der einen mit der Schutzbedürftigkeit der anderen und mit den öffentlichen Interessen in Einklang zu bringen'. Genau deshalb muss der Nationalrat aktiv werden und das Verbot beschließen", betonte Loacker. Auch er forderte von der ÖVP Pakttreue.

(APA/Red)

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