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Van der Bellen: Verständnis, "dass es diesen drei Ländern einmal reicht"

Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen.
Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen. ©APA/Georg Hochmuth
Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen spricht über Koalitionsvarianten, die Flüchtlingskrise und erklärt, auf welcher Ebene die EU versagt.

Angesichts des sinkenden Zuspruchs der Wähler zu SPÖ und ÖVP zeigt sich Bundespräsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen für Dreierkoalitionen und auch Minderheitsregierungen in Österreich offen. In Sachen Flüchtlinge kritisiert der ehemalige Grünen-Chef die Staats- und Regierungschefs der EU. Eine Aufgabe des Schengenraums wäre eine “ausgesprochene Schnapsidee”, meinte er im APA-Interview.

Koalitionen von mehr als zwei Parteien würden künftig wohl auch auf Bundesebene zum Alltag gehören. Aus Salzburg sei ihm berichtet worden, dass es sogar zur Entspannung beitragen könne, “wenn sich nicht zwei Partner gegenübersitzen, die glauben, sie können nur profitieren, wenn der andere etwas verliert”. Er denke dabei keineswegs nur an Konstellationen unter Beteiligung der Grünen, betonte er.

FPÖ-geführte Regierung für VdB ein No-Go

Auch Minderheitsregierungen funktionierten immer wieder, etwa in Skandinavien. In Österreich gebe es mit Ausnahme von 1970/71 zwar keinerlei Erfahrung damit. “Aber das heißt ja nicht, dass es nicht Situationen geben kann, wo man das versucht”, so Van der Bellen. “Normalerweise halten die dann nicht eine ganze Legislaturperiode. Aber das ist kein schlagendes Argument, das tun Große Koalitionen häufig auch nicht.”

Nicht angeloben will der Grüne lediglich eine freiheitlich geführte Regierung. “Es gibt nach meinem Dafürhalten in Österreich eine einzige tatsächlich europafeindliche oder integrationsfeindliche Partei, das ist die FPÖ”, so seine Begründung. Eine Regierung mit der ÖVP an der Spitze, auch unter Sebastian Kurz, ist für Van der Bellen hingegen “selbstverständlich” denkbar. “Da kann man schon im Detail unterschiedlicher Meinung sein”, sagte er in Hinblick auf die jüngste Balkankonferenz, zu der Österreich Deutschland und Griechenland nicht eingeladen hatte. “Aber das stellt ja nicht das Verhältnis insgesamt infrage.”

Einmal mehr bekannte er sich zur EU. Es sei im – auch eminent ökonomischen – Interesse Österreichs, dass diese nicht zerbrösle. “Ich halte diese ständige Geißelung der EU – die EU versagt da, die EU versagt dort – für groben Unfug.” Wer versage, sei der Europäische Rat, also die Versammlung der Kanzler und Ministerpräsidenten. “Genau dort lokalisiere ich einen schweren Konstruktionsfehler in der jetzigen Union, der die Beschluss- und Handlungsfähigkeit der EU gefährdet.”

Van der Bellen über die Flüchtlingskrise

In der Flüchtlingsfrage zeigte er Verständnis dafür, “dass es auf die Dauer nicht geht, dass Schweden, Deutschland und Österreich allein die Verantwortung für das Flüchtlingsdrama aus dem Nahen Osten übernehmen” und “dass es diesen drei Ländern einmal reicht”. “Der Zorn sollte sich aber nicht gegen die Flüchtlinge richten, sondern die anderen 25 Mitgliedsstaaten der Union.” Eine gesetzliche Absicherung von Österreichs Asylwerber-“Obergrenze” hält er für verfassungswidrig, “mit dieser Meinung bin ich ja keineswegs allein”.

Dass seine Haltung in diesen Fragen nicht mehrheitsfähig sein könnten, glaubt Van der Bellen nicht. “Der Zuspruch auf der Straße, in der U-Bahn, in der Straßenbahn ist nach wie vor ungebrochen und für mich ungemein motivierend.” Es sehe sich als Außenseiter, wolle aber “natürlich” zum Bundespräsidenten gewählt werden.

Einen Wunschkandidaten für die Stichwahl hat der frühere Bundessprecher der Grünen schon ausgemacht, nämlich FPÖ-Kandidat Norbert Hofer. “Weil hier klare Positionierungen aufeinandertreffen. Einer, der sozusagen den alten Nationalstaat wieder will, und jemand wie ich, der glaubt, dass Österreich in einer, nicht genau in dieser, aber in einer Europäischen Union gut aufgehoben ist”, meinte Van der Bellen.

(APA, Red.)

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