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UNO-Migrationspakt ohne Österreich: Van der Bellen befürchtet Ansehensverlust

Van der Bellen teilte seine Bedenken via Facebook mit.
Van der Bellen teilte seine Bedenken via Facebook mit. ©AP Photo/Ronald Zak
Via Facebook teilte Bundespräsident Van der Bellen am Freitag mit, dass er durch das österreichische Fernbleiben beim UNO-Migrationspakt Ansehensverlust befürchtet. ER sucht nun das Gespräch mit Kurz und Kneissl.

Am Freitag hat auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen auf den Beschluss der ÖVP-FPÖ-Regierung reagiert, dem UNO-Migrationspakt fernzubleiben. In einem Facebook-Beitrag schrieb er: “Ich hoffe sehr, dass die österreichische Bundesregierung alles daransetzen wird, den drohenden Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit Österreichs auf internationaler Ebene abzuwenden.”

Große Herausforderung für Österreich

Van der Bellen erklärte, er begrüße den “Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration”, den Österreich mitausverhandelt habe. Der Pakt entfalte keine bindende Wirkung für Einzelstaaten, beinhalte aber zahlreiche vernünftige Vorschläge, “wie den Herausforderungen der weltweiten Migration mit Augenmaß, Menschlichkeit und Kontrolle begegnet werden kann”.

“Die großen Herausforderungen unserer Zeit, von der Klimakrise über geopolitische Konflikte und Handelskriege bis hin zur Migration, können nicht auf nationalstaatlicher Ebene alleine gelöst werden. Wir brauchen dazu die multilaterale Zusammenarbeit”, betonte das Staatsoberhaupt. Auch wenn sich die Regierung in diesem Punkt anders entschieden habe: “Österreichisch ist es jedenfalls, im Gespräch zu bleiben. Österreichisch ist es, den konstruktiven Dialog zu suchen. Das gilt gerade auch dann, wenn es auf internationaler Ebene unterschiedliche Positionen zu wichtigen Fragen gibt.”

Gepräch mit Kurz und Kneissl

Van der Bellen will nun in Gesprächen mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) “ausloten, was wir tun können, damit wir angesichts der vielen globalen Herausforderungen die gute Gesprächsebene mit unseren internationalen Partnern in Zukunft beibehalten”. Schließlich sei die “Stärkung eines effektiven Multilateralismus” auch als Ziel im Regierungsprogramm festgeschrieben und Österreich trage gerade als derzeitiges EU-Vorsitzland hier besondere Verantwortung.

Der Bundespräsident verwies auf das Engagement Österreichs in internationalen Organisationen und Wien als einem der vier UNO-Amtssitze. In Fragen der Menschenrechte, der Abrüstung und beim Einsatz für eine nuklearwaffenfreie Welt habe sich die Republik “den Ruf eines aktiven und verlässlichen Partners in der Weltgemeinschaft erworben. Diesen Ruf sollten wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen”, mahnte Van der Bellen.

56 Autoren: Austritt sei Schande für Österreich

56 heimische Autoren, Publizisten und Kunstschaffende haben in einem Aufruf den Beschluss der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, dem UNO-Migrationspakt fernzubleiben, als “Schande” und “Schritt in die internationale Isolation” gebrandmarkt. “Wir protestieren entschieden gegen diese ebenso widerwärtige wie widersinnige Politik”, heißt es in der von Gerhard Ruiss und Olga Flor initiierten Erklärung.

Der Ausstieg aus dem “Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration” sei zudem “ein beschämendes Signal der Entsolidarisierung angesichts von politischen und klimatischen Krisen mit globalen Auswirkungen, auf die nur ein weltweites koordiniertes Vorgehen die Antwort sein kann”. “Wir wollen ein humanes, lebenswertes, weltoffenes und demokratisches Österreich und Europa, in denen weder politische Unwahrheiten noch militante Politik Platz haben”, fordern die Unterzeichner, darunter Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Eva Menasse, Robert Schindel, Josef Winkler, die Journalistinnen Susanne Scholl und Barbara Coudenhove Kalergi sowie die Komponistin Olga Neuwirth.

Freiheitliche sehen sich als Vorreiter

Die Freiheitlichen sahen unterdessen im Austritt “die starke Handschrift der FPÖ in der Bundesregierung”. Nach den Worten des Europaparlamentariers Harald Vilimsky könnte Österreich eine “Vorreiterrolle übernommen” haben. Denn auch weitere Staaten könnten der internationalen Initiative nun nicht beitreten. In einer Aussendung sprach der FPÖ-Generalsekretär von entsprechenden Signalen aus Tschechien, Kroatien und Italien.

Das deutsche Außenministerium verteidigte den geplanten Migrationspakt der Vereinten Nationen gegen Kritik vor allem aus den Reihen der rechtspopulistischen AfD. Der Pakt sei keine Einschränkung der Souveränität einzelner Staaten, sagte ein Sprecher in Berlin. Die AfD hatte die deutsche Regierung aufgefordert, mit einem Ausstieg dem Beispiel Österreichs und anderer Staaten zu folgen, “um irreversible Schäden vom Volk abzuwenden”. Der Pakt soll helfen, Flucht und Migration besser zu organisieren, Ziel ist aber auch eine Stärkung der Rechte von Migranten.

“Der Pakt formuliert Ziele. Wie diese Ziele umgesetzt werden, insbesondere dann, wenn es darum geht auch zur Bekämpfung illegaler Migration Möglichkeiten für legale Migration zu schaffen, das bleibt den Mitgliedstaaten offen. Also die Kriterien und die Höhe der Zuwanderung bleiben souveräne Entscheidungen der Staaten”, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Er sei eine politische, nicht bindende Willensbekundung der internationalen Gemeinschaft, kein Abkommen.

Dokument soll am 10. und 11. Dezember unterschrieben werden

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der deutschen Regierung am Freitag vor, sie habe “sich offenbar in einen ideologischen Bunker verbarrikadiert”. Sie erklärte: “Der Pakt ist zwar auf dem Papier nicht “verbindlich”, enthält aber Dutzende weitreichende Verpflichtungen. Er ist vage formuliert und kann sehr wohl missbraucht werden, um die Einwanderungsschleusen noch weiter zu öffnen.” Die CDU von Kanzlerin Angela Mekel beklagte “Falschmeldungen” zum UNO-Migrationspakt im Internet. Diese hätten zu “Fragen von besorgten Bürgern geführt”, erklärte die Partei. Auf ihrer Internetseite beantwortete die CDU elf Fragen wie “Um was handelt es sich beim UN-Migrationspakt?” und “Entstehen aus dem UN-Migrationspakt neue Pflichten für unser Land?”.

Das von den UNO-Mitgliedstaaten akkordierte Dokument soll am 10. und 11. Dezember in Marokko unterzeichnet werden. Zunächst hatten sich nur die USA nicht angeschlossen. Ungarn und nun auch Österreich folgten. Die Bundesregierung warnte am Mittwoch, es dürfe durch den Pakt kein “Menschenrecht auf Migration” entstehen. Im In- und Ausland hagelte es Kritik. Knapp 96.000 Menschen bekundeten bis Freitagnachmittag mit ihrer Unterschrift im Rahmen der Online-Kampagne des gemeinnützigen Vereins #aufstehn ihre Unterstützung für den Migrationspakt. Dänemark äußerte Vorbehalte gegen den Pakt. Tschechien und Polen haben sich kritisch geäußert. Die wählerstärkste Partei der Schweiz, die populistische SVP, macht ebenfalls Front gegen den Pakt.

Ausstieg auch von Polen möglich

Auch Polen wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem geplanten Migrationspakt der Vereinten Nationen zurückziehen. “Wir sind der Ansicht, dass unsere souveränen Prinzipien absolute Priorität haben”, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Freitag nach deutsch-polnischen Regierungsberatungen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Kabinett in Warschau.Damit würde sich Polen der ablehnenden Haltung der USA, Ungarns und Österreichs anschließen. Der rechtlich nicht verbindliche “Globale Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration”, soll bei einer UNO-Konferenz am 10. und 11. Dezember in Marokko unterzeichnet werden. Das 34 Seiten starke Dokument soll dazu beitragen, Flucht und Migration besser zu organisieren.

Merkel bekräftigt Zustimmung Deutschlands

Merkel sieht in dem geplanten UNO-Migrationspakt einen Beitrag zur Eindämmung illegaler Einwanderung. Deutschland habe sehr intensiv daran mitgewirkt, sagte Merkel bei dem Treffen mit Morawiecki. Der Pakt betone die Souveränität der Staaten in Einwanderungsfragen und sei eine Grundlage für legale Migration von Fachkräften oder aus humanitären Gründen.

“All das ist in diesem Migrationspakt aus meiner Sicht sehr wichtig dargelegt, er ist rechtlich nicht bindend und deshalb steht Deutschland dazu”, sagte Merkel. Inzwischen sind mehrere Staaten aus dem Pakt ausgestiegen, darunter Österreich, bzw. überlegen einen Ausstieg.

In Berlin sagte die stellvertretende deutsche Regierungssprecherin Ulrike Demmer mit Blick auf kursierende Falschinformationen über den “Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration” der Vereinten Nationen, es sei wichtig, dass “unsere Botschaften richtig verstanden werden”. Und weiter: “Es geht ja in diesem Compact darum, illegale Migration zu reduzieren, stattdessen legale Migration zu stärken.”

Parlamentsausschuss empfiehlt auch der Schweiz ein Nein

Die Staatspolitische Kommission des Schweizer Nationalrates hat der Schweizer Regierung empfohlen, dem UNO-Migrationspakt wie Österreich fernzubleiben. Der Bundesrat (Regierung) solle dem “Globalen Pakt für sichere, geordnete und geregelte Migration” im Dezember nicht zustimmen.

(APA/Red)

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