Ukrainischer Oligarch Boholjubow laut Medien nach Wien "geflohen"

Das Staatliche Ermittlungsbüro DBR warf dem Geschäftspartner des seit 2023 inhaftierten Oligarchen Ihor Kolomojskyj vor, illegal die Grenze übertreten zu haben, vor und schrieb ihn zur Fahndung aus. Boholjubow bestreitet die Vorwürfe der Ermittler.
"Der Oligarch ist am 24. Juni 2024 in Begleitung eines nahen Verwandten mit dem Zug 'Kiew-Chełm' (nach Polen, Anm.) ausgereist, obwohl er laut ukrainischen Datenbanken die Grenze nicht überquerte", hieß es in einer Presseausendung des DBR. Boholjubow habe dabei einen ungültigen Reisepass eines Ukrainers verwendet, der sich im Land aufhalte und die Ukraine nicht verlassen habe, begründete die Behörde die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen illegalen Grenzübertritts sowie der Aneignung des betreffenden Passes. Die Rede war zudem von der Festnahme eines involvierten Offiziers des Grenzschutzes. Boholjubows nachfolgende Einreise in Polen sei indes regulär mit seinem eigenen Reisepass passiert, berichtete das Onlinemedium "Ukrajinska Prawda" mit Verweis auf geleakte Dokumente.
Boholjubow: "Ich bin heute nach Wien geflogen, weiß aber nicht, wo ich leben werde"
Nach einem Aufenthalt in Großbritannien, wo der 62-jährige Unternehmer seine kranke Mutter besuchte, reiste er laut eigenen Angaben am Dienstag nach Wien weiter: "Ich bin heute nach Wien geflogen, weiß aber nicht, wo ich leben werde", sagte Boholjubow in einem in der Nacht auf Mittwoch veröffentlichten Telefoninterview mit der "Ukrajinska Prawda". Er dementierte mit einem falschen Pass ausgereist zu sein, berichtete aber gleichzeitig, dass er bereits 2023 Probleme mit der Ausreise aus seinem Heimatland gehabt habe: Bei einem versuchten Grenzübertritt sei ihm sein Reisepass wegen Fälschungsverdacht entzogen und vernichtet worden, bei einem weiteren Versuch im vergangenen Jahr habe es nach anfänglichen Problemen dann doch noch geklappt. Laut "Ukrajinska Prawda" hatte damals der Chef des ukrainischen Grenzschutzes in Kiew höchstpersönlich für den Oligarchen interveniert.
Beim 2022 vom ukrainischen "Forbes"-Magazin mit einem Vermögen von einer Milliarde Dollar taxierten Boholjubow handelt es sich um einen langjährigen Mitstreiter des ehemals äußerst einflussreichen Oligarchen Ihor Kolomojskyj, dessen Fernsehsender "1+1" bei der Wahl von Wolodymyr Selenskyj zum Präsidenten eine wichtige Rolle gespielt hatte. 2019 gab es zudem gegen beide Unternehmer einen US-amerikanischen Korruptionsverdacht, unabhängig davon befindet sich Kolomojskyj seit September 2023 im Zusammenhang mit mutmaßlichen Wirtschaftsverbrechen in ukrainischer Untersuchungshaft. Die Vorwürfe beziehen sich unter anderem auf die 2016 zwangsverstaatlichte PrivatBank, die zuvor zu je 50 Prozent Kolomojskyj und Boholjubow gehört hatte. Gegen letzteren war bisher offiziell nicht ermittelt worden.
"Herr Boholjubow plant Informationen zu veröffentlichen, wonach ihm vorgeschlagen worden sei, dass bei der Bezahlung von 100 Millionen Dollar keine Strafverfahren gegen ihn in der Ukraine eingeleitet würden", schrieb die Wochenzeitung "Dserkalo Tyschnja" (zn.ua) am Dienstag mit Verweis auf anonyme Quellen. Das Onlinemedium berichtete gleichzeitig von einem Konflikt mit dem Büro von Präsident Selenskyj, das dem Unternehmer die Ausstellung eines für ihn als Familienmitglied vorgesehenen Diplomatenpasses versagt habe: Boholjubow habe als Ehemann der Diplomatin Emine Dschaparowa eigentlich Ende März gemeinsam mit ihr nach Österreich übersiedeln wollen. Die ehemalige Vizeaußenministerin Dschaparowa war im Februar 2024 von Selenskyj zur Ständigen Vertreterin der Ukraine bei den internationalen Organisationen in Wien ernannt worden, hat laut APA-Recherchen diesen Posten jedoch bisher nicht angetreten.
Medienberichte: Ukrainischer Oligarch Boholjubow nach Wien "geflohen"
Im Zusammenhang mit Boholjubow selbst blieb rätselhaft, auf welcher Grundlage ihm die Ausreise in der Vergangenheit hätte verboten werden können. Aufgrund seines Alters von über 60 Jahren unterliegt er keinen kriegsbedingten Beschränkungen, zudem war vor der aktuellen Causa kein Ermittlungsverfahren und auch keine Gerichtsentscheidung bekannt, auf deren Basis ihm der Grenzübertritt hätte legal versagt werden können. Gleichzeitig liegen Parallelen zu einem anderen Fall vor: Wenige Tage bevor der Österreich-affine ukrainische Unternehmer Witalij Kropatschow im Mai vom DBR wegen mutmaßlicher Wirtschaftsdelikte festgenommen wurde, scheiterte eine geplante Reise aus Kiew nach Wien am "Fälschungsverdacht" dessen echten Reisepasses, erzählte der APA im Juni ein Kropatschow-Vertrauter. Das Ermittlungsverfahren gegen Kropatschow begründete er mit einem Konflikt des Unternehmers mit dem mächtigen Bürokraten Oleh Tatarow, der im Büro von Präsident Selenskyj für die Ermittlungsbehörden, darunter das DBR, zuständig ist.
(APA/Red)
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