Ukraine-Krise: Prorussische Kräfte weiter auf dem Vormarsch
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte die sofortige Freilassung der seit Freitag festgehaltenen Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Deutschland bemühe sich auf allen diplomatischen Kanälen um eine Lösung, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Berlin. Dazu gehörten auch Gespräche mit dem Kreml in Moskau.
Die prowestliche Führung in Kiew will am 25. Mai zusätzlich zur Präsidentenwahl eine Volksbefragung abhalten. Dabei solle es darum gehen, ob das Land als Einheit erhalten bleiben solle, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk. Die prorussische Aktivisten in der Ost- und Südukraine planen allerdings eigene Referenden für den 11. Mai über eine Abspaltung von Kiew.
Pro-russische Separatisten weiter auf dem Vormarsch
Im Osten des Landes sind die Separatisten weiter auf dem Vormarsch. In der ostukrainischen Millionenstadt Donezk haben Hunderte prorussische Aktivisten ein Justizgebäude gestürmt. Die Angreifer zwangen die Sicherheitskräfte zum Abzug, wie die Agentur Interfax am Donnerstag meldete. Die Polizisten hätten Schilde und Schlagstöcke abgeben und die Gebietsstaatsanwaltschaft durch einen “Korridor der Schande” aufgebrachter Demonstranten verlassen müssen.
Donezk: Verletzte auf beiden Seiten
Auf dem Dach hissten Separatisten die Fahne der selbst ernannten Volksrepublik Donezk. Zuvor hatten zum Teil maskierte Männer das Gebäude mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Brandsätzen attackiert. Das örtliche Internetportal ostro.org berichtete, es habe Verletzte auf beiden Seiten gegeben. Ein gepanzertes Fahrzeug der Regierungseinheiten habe umkehren müssen, nachdem es von Aktivisten angegriffen worden war. In früheren Berichten war noch die Rede davon gewesen, dass sich die Polizisten ins Innere des Gebäudes zurückgezogen hätten.
Die Situation war nach einem Protestzug Tausender prorussischer Demonstranten eskaliert. Aktivisten warfen der Staatsanwaltschaft des Gebiets vor, Handlanger der Regierung in Kiew zu sein. Die Menge forderte in Sprechchören einen Anschluss an Russland nach dem Vorbild der Halbinsel Krim und schwenkte russische Flaggen.
Turtschinow: Kontrolle über Teile des Landes verloren
In Donezk halten Separatisten seit Wochen die Gebietsverwaltung besetzt und haben eine Volksrepublik ausgerufen. Sie wollen am 11. Mai in einem Referendum über eine Abspaltung von Kiew entscheiden lassen. Übergangspräsident Alexander Turtschinow räumte ein, die Kontrolle über Teile des Landes verloren zu haben. Den Sicherheitskräften warf er Versagen vor.
Milizenführer: “Wir gehorchen auch Putin nicht”
Der Milizenführer Wjatscheslaw Ponomarjow in Slawjansk verneinte jegliche Einflussnahme des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Fall der OSZE-Geiseln. “Wir hatten bisher noch keinen Kontakt zu Moskau und gehorchen hier auch nicht Putin”, sagte der selbst ernannte Bürgermeister “bild.de”.
OSZE-Geiseln: “Natürlich wollen sie nach Hause”
Ponomarjow sagte am Donnerstag der Agentur Interfax, die Gefangenen seien weiter in Slawjansk. Er hoffe, sie gegen eigene Anhänger austauschen zu können, die von der Regierung in Kiew gefangenengenommen wurden. “Natürlich wollen sie nach Hause, und wir verhandeln bereits mit den Kiewer Machthabern”, sagte er.
Zuvor hatte Ponomarjow den Eindruck erweckt, es könne eine schnelle Lösung “ohne einen Geiselaustausch” geben. Das Auswärtige Amt sprach von schwierigen Verhandlungen zwischen der OSZE und den Separatisten.
Die Aktivisten in Slawjansk tauschten überdies nach eigenen Angaben zwei gefangene Mitglieder des ukrainischen Geheimdiensts SBU gegen eigene Anhänger aus. Die Verhandlungen mit der Regierung seien erfolgreich gewesen, zitierte Interfax einen Sprecher.
Russischer Militärattaché wegen Spionage ausgewiesen
Wegen Spionage wies die Ukraine den Marineattaché der russischen Botschaft in Kiew aus. Der Diplomat sei vom Geheimdienst SBU auf frischer Tat ertappt und festgenommen worden, teilte das Außenministerium mit. Die Behörden erklärten den Mann zur unerwünschten Person.
Westen: Moskau facht Ukraine-Krise weiter an
Der Westen beschuldigt Russland, sich einer Umsetzung der Genfer Vereinbarungen, die unter Beteiligung Moskaus ausgehandelt worden waren, zu verweigern und die Krise in der Ukraine anzufachen. Die Europäische Union und die USA hatten am Montag bisher verhängte Strafmaßnahmen gegen Russland ausgeweitet. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy mahnte Moskau zur Einhaltung des Genfer Abkommens.
Ukraine in finanzieller Schieflage – IWF gibt 17 Mrd. frei
Neben den Separatisten hat die Ukraine auch mit einer finanziellen Schieflage zu kämpfen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) greift dem Land daher nun mit Hilfen in Höhe von 17 Milliarden Dollar (12,3 Milliarden Euro) für zwei Jahre unter die Arme. Das Geld, dem weiteres aus anderen internationalen Quellen folgen soll, soll die finanzielle Stabilität des Landes wiederherstellen und langfristiges Wirtschaftswachstum in Gang setzen.
Auf Druck des IWF erhöhte die nahezu bankrotte Ukraine die Gaspreise drastisch. Privathaushalte müssen seit Donnerstag 40 Prozent mehr bezahlen. Zum 1. Mai 2016 und zum 1. Mai 2017 sind Aufschläge von jeweils 20 Prozent geplant.
IWF: Ukraine-Krise stürzt Russland in die Rezession
Aber auch Russland stehen massive finanzielle und ökonomische Schwierigkeiten insHaus: Die Ukraine-Krise hat Moskau nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits in die Rezession gestürzt. “Wenn man Rezession definiert als zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum, dann erfährt Russland aktuell eine Rezession”, so Antonio Spilimbergo, Leiter einer IWF-Delegation in Moskau, am Mittwoch nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen.
Grund für die wenig rosigen Prognosen sei der Rückgang der Investitionen wegen der westlichen Sanktionen. Der IWF senkte zudem erneut seine Wachstumsprognose für Russland von bisher 1,3 Prozent in diesem Jahr auf nur noch 0,2 Prozent. Eine weitere Senkung sei nicht ausgeschlossen, warnte Spilimbergo. Für 2015 rechne der IWF nur noch mit einem Wachstum von 1,0 statt bisher 2,3 Prozent.
(APA/red)
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