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"Überholspur" für Patienten bei Krebsverdacht gefordert

MRT-Termine oft erst nach zehn oder zwölf Wochen Wartezeit
MRT-Termine oft erst nach zehn oder zwölf Wochen Wartezeit ©APA/dpa
Onkologie-Fachleute kritisieren lange Wartezeiten auf wichtige Untersuchungen bei Krebsverdacht. Auf Abklärungen wie die Magnetresonanztomografie (MRT) müssten viele Betroffene bis zu zwölf Wochen warten, auf Computertomografien (CT) oft drei bis vier Wochen, hieß es bei einer Pressekonferenz des Österreichischen Onkologie Forums am Dienstag in Wien. Helfen könnte die Einführung der "onkologischen Dringlichkeit" im Gesundheitssystem, quasi eine Überholspur bei Krebsverdacht.

Denn zu viel Zeitverlust könne fatale Folgen haben: Laut einer international publizierten Meta-Studie erhöht eine Verzögerung um vier Wochen bei Krebsoperationen die Sterblichkeit um sechs bis acht Prozent, bei Strahlen- oder medikamentöser Therapie um neun bis 13 Prozent.

Acht, zehn, zwölf Wochen Warten auf eine MRT - bei Krebs sei das "natürlich vollkommen inakzeptabel", sagte Kathrin Strasser-Weippl, Medizinische Leiterin der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) und Oberärztin an der Klinik Ottakring. Wie lösen Fachärzte das aktuell? Man versuche "zu telefonieren, wer hat Beziehungen, kann man einen Einschubtermin haben, kann man den Patienten vielleicht stationär aufnehmen, obwohl er das nicht braucht, und die Untersuchung im Spital machen? Manche Patienten zahlen's privat, für 300 Euro bekommen Sie die Untersuchung am gleichen Nachmittag", schilderte die Medizinerin. "Aber das ist natürlich keine Lösung."

Andere europäische Länder haben Programme

Derzeit gebe es in Österreich keine Priorisierung im bildgebenden Bereich der Diagnostik, erläuterte Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsökonomie und -politik am Institut für höhere Studien (IHS). Das führe dazu, dass ein hoher Anteil an nicht evidenzbasierten Diagnoseschritten etwa bei Rücken- oder Knieschmerzen das System "'verstopfe". "Nicht notwendige Inanspruchnahmen" müssten reduziert und für Krebsverdachtsfälle "Fast-Track-Programme" eingeführt werden: "Ein Tumorverdacht muss schneller abgeklärt sein als ein wehes Knie."

Die Fachleute führten Positivbeispiele an: Mit dem 2008 in Dänemark etablierten "Cancer Patient Pathways Program" seien die Wartezeiten auf Diagnose bei allen Krebsformen gesenkt und das Drei-Jahres-Überleben von 45 Prozent auf 54 Prozent gesteigert worden. Ein Lungenkrebs-Fast-Track-Programm in Italien habe die Zeit bis zur Diagnose von 43 auf 25 Tage gedrückt. In Spanien sei so bei Darmkrebs die Wartezeit von 68 auf 26 Tage verringert worden. Oft seien nicht einmal mehr Ressourcen nötig, sondern nur Umorganisation.

Krebssterblichkeit sinkt, Prävalenz steigt

Viele Krebsformen sind heute so gut behandelbar, sodass Erkrankte selbst in fortgeschrittenen Stadien oft lange damit leben können. Die Sterblichkeit nimmt seit Anfang der 1990er-Jahre kontinuierlich ab. Bei Männern ist sie um 36 Prozent zurückgegangen, bei Frauen um 31 Prozent. Gleichzeitig steigt die Prävalenz onkologischer Erkrankungen, das heißt, immer mehr Menschen leben mit Krebs, aktuell rund 419.000 Personen. Und Krebsbetroffene haben grundsätzlich viele Arzttermine und Spitalskontakte, sagte Florian Trauner, Public Health Experte bei Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).

Die Zahlen der Patientinnen und -Patienten, die eine Bestrahlung bzw. eine medikamentöse Therapie erhalten, seien allein zwischen 2017 und 2024 jeweils um 33 Prozent gestiegen. "Dieser Trend wird sich in Zukunft voraussichtlich noch verstärken, und darauf müssen wir uns angesichts einer älter werdenden Gesellschaft vorbereiten", so Trauner.

Derzeit fehle ein flächendeckendes Instrument für die notwendige Steuerung, analysierte OeGHO-Präsident Ewald Wöll. "Wir empfehlen daher, das Instrument der 'onkologischen Dringlichkeit' im österreichischen Gesundheitssystem einzuführen." Damit könne man Betroffene priorisieren und im Abklärungsprozess rasch durchs System lotsen.

(S E R V I C E - )

(APA)

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