"Frühstück!" Lucy schnappt sich grinsend einen grünen Stängel vom Wegesrand und fängt sogleich an, die Blätter und wie bei einer Zwiebel die Außenhaut abzuschälen. "Schilf ist die ultimative Survivalpflanze", setzt Samuel erklärend hinzu. "Sie wächst hierzulande praktisch überall, wo auch Wasser ist, ist nährstoffreich und ich kann sie direkt essen, ohne sie erst noch zubereiten zu müssen."
Das wird an diesem Vormittag nicht der einzige Überlebenstipp von Samuel und Lucy bleiben. Denn die Dornbirner kennen die Natur wie ihre Westentasche und geben unter dem Namen "Survival Vorarlberg" Überlebenstrainings in den Wäldern.

Überlebenshilfe Natur
Die werden auch immer mehr nachgefragt, erzählt Samuel, während er zeigt, woran man erkennt, ob eine Efeuranke als Seil dient. "Ich gebe seit 2015 selbst Survival-Kurse", sagt der 32-Jährige. "Schon immer waren dabei neben den typischen Naturfreunden auch richtige 'Prepper' dabei, die sich auf ein Leben ohne Zivilisation vorbereiten wollen. Aber mit Beginn der Corona-Pandemie stiegen diese Anfragen sprunghaft an. Und mit der aktuellen Energiekrise werden es weiterhin mehr."
Das kommt nicht von ungefähr, weiß Kräuterpädagogin Lucy: "Wenn man wirklich will – oder muss –, kann man praktisch komplett aus der Natur überleben." Ihre Hand greift nach einem Hagebuttenzweig. "Hagebutten enthalten so viel Vitamin C, dass man keine Zitronen braucht. Spitzwegerich enthält ähnliche Inhaltssoffe wie Chiasamen, ist dafür aber heimisch. Efeublätter enthalten Saponine, also schäumende Bitterstoffe, mit denen man waschen und putzen kann. Den Hustensaft für meine Kinder mache ich selbst aus gesammelten Pflanzen. Es ist alles da, man muss es nur wissen."

Krisen führen "back to the roots"
Zu Beginn der Pandemie hätten das Paar aber auch Anfragen erreicht, die auf den ersten Blick kurios erscheinen. "Ich bekam in einer Woche gleich mehrere Mails mit der Frage, wie viel Munition man am besten zuhause deponieren sollte", erinnert sich Samuel. "Darüber möchte ich mich aber gar nicht lustig machen. Im Gegenteil: Da spricht die Angst ums Überleben aus den Menschen." Und um die zu besänftigen brauche es keine Waffen: "Wenn ich Menschen zeige, wie sie auch ohne Supermarkt überleben können, wie sie Trinkwasser aufbereiten, welche Pflanzen sie essen, wie sie Gegenstände aus Naturmaterialien herstellen können und welche Pflanzen ihnen bei Krankheiten helfen, dann nehme ich ihnen schon viel von dieser unterschwelligen Überlebensangst."

Liebe zum Draußensein
Das Vorbereiten auf den Ernstfall ist es aber gar nicht, was Samuel persönlich antreibt. "Ich liebe einfach die Natur", bringt es der Dornbirner auf den Punkt. "Ich war als Kind schon immer gern draußen und war auch bei der Jungschar. Als ich älter wurde, habe ich mit Freunden auf eigene Faust in der Natur übernachtet." Dabei habe ihn ein Schlüsselerlebnis schließlich auf den Weg zum Survivaltrainer gebracht: "Wir wollten in einer Höhle übernachten, wurden aber unter einer 1,5 Meter hohen Schneedecke eingeschlossen. Wir hatten alles mögliche an Ausrüstung dabei – aber raus kamen wir trotzdem nicht", erinnert er sich. "Da war mir klar: Ich will lernen, in jeder Situation draußen klarzukommen und zu überleben. Ohne dass ich kiloweise Gegenstände mitschleppe, die mir am Ende nichts nutzen." Er ließ sich also zum Survivaltrainer ausbilden und begeisterte nach ihrem Kennenlernen auch seine Lebensgefährtin Lucy dafür. Seitdem gibt das Paar regelmäßig Überlebenstrainings. "Es gibt feste Termine, zu denen sich jede und jeder anmelden kann. Man kann aber auch individuelle Einzeltermine für Gruppen von fünf bis zehn Personen buchen", schildert Samuel. "Jede und jeder" ist dabei übrigens nicht nur so gesagt, sondern wirklich Programm: "Wir haben Kindergruppen, Jugendliche, Erwachsene, Pensionisten. Wir hatten schon Geburtstagsfeiern, Junggesellenabschiede, Team-Events – praktisch alles ist möglich."

Der Lehrer lernt selbst
Und zwar wirklich alles: "Einmal war ein Blinder dabei. Die Gruppe war extra aus der Schweiz angereist, weil sie dort von einem Survivaltrainer abgelehnt wurden", erzählt Samuel. "Auch ich habe gesagt, ich mache es nur, wenn ich das Training jederzeit abbrechen kann. Denn die Tage waren sehr regnerisch und der Waldboden extrem rutschig. Und tatsächlich: Wir sind alle an dem Wochenende mindestens einmal gestürzt – außer dem Blinden. Seine geschärften Sinne haben ihn den Wald und den Boden ganz anders wahrnehmen lassen und so vor einem Sturz bewahrt. Das war auch für mich als Trainer unglaublich spannend und ich habe selbst noch einiges lernen können."
Am Ende zerreibt Lucy kleine, runde Blätter zwischen den Fingern und hält sie unter die Nase: Gundermann, er riecht würzig und pfeffrig. "Aber diesmal nur riechen, nicht essen", warnt sie gerade noch rechtzeitig. Eine Giftpflanze? "Nein, nein", lacht sie, "aber den habe ich hier gepflückt und das ist ein beliebtes Gassi-Gebiet."

Outdoor-Training für alle: Das ist "Survival Vorarlberg"
Als "Survival Vorarlberg" bieten Samuel Wüthrich und Lucy Pernthaler Überlebenstrainings im Ländle an. Es gibt feste Kurse, zu denen sich Interessierte anmelden können, und Individualtrainings ab fünf bis zehn Personen. Alter, Geschlecht und Vorkenntnisse spielen dabei keine Rolle. "Wir gehen auf jeden Teilnehmer und jede Teilnehmerin gezielt und entsprechend seines oder ihres Levels ein", erklärt Samuel. Mehr Infos und Buchung unter www.survivalvorarlberg.at.

Noch mehr Outdoor und Survival: "7 vs. Wild 2" steht in den Startlöchern
Mit der ersten Staffel der YouTube-Serie "7 vs. Wild" löste Outdoor-Star Fritz Meinecke im vergangenen Jahr vollends das Survival-Fieber aus. Nun steht die zweite Reihe in den Startlöchern. In der ersten Staffel mussten sieben Menschen sieben Tage lang mit nur sieben Gegenstände vollkommen allein in der Wildnis Skandinaviens überleben. Diesmal geht es für die Teilnehmer in tropische Gefilde und die Anzahl der Gegenstände richtet sich nach ihrer Erfahrung. Start soll im November sein. Außerdem wurde diese Woche bekannt, dass Fritz Meinecke ab dem Frühjahr eine eigene Show auf dem Streamingdienst discovery+ erhält.

(WANN & WO)
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