Turbulentes Jahr für Parteien sorgt für neue Ausgangslage bei Wahlen 2023

Im Bund regiert Schwarz-Grün statt Türkis-Blau. Für die ÖVP hat sich der türkise Rückenwind mit Chats, Korruptionsermittlungen und Sebastian Kurz' Abgang in kalten Gegenwind gedreht. Der FPÖ bringen Asyldebatte und Krisen-Verunsicherung Aufwind nach "Ibiza". Die SPÖ stagniert, die Grünen (bestenfalls) auch, NEOS dicht auf den Fersen.
Wahlen in NÖ, Kärnten und Salzburg mit anderer Ausgangslage
Die bereits im September geschlagene Wahl in Tirol und die drei bevorstehenden Landtagswahlen werden - eineinhalb Jahre vor der regulären nächsten Nationalratskür - auch im Bund als Testwahlen gesehen. Neu sind gegenüber 2018 nicht nur die Bundeskoalition, die Themen - nach der Corona- und mitten in der Teuerungskrise sowie neuer Flüchtlingsdebatte -, sondern auch die Obleute aller fünf Nationalratsparteien.
Als Niederösterreich (das am 29. Jänner den 2023er-Auftakt macht) 2018 wählte, hatte Sebastian Kurz ein Dreivierteljahr vorher die ÖVP übernommen und war 41 Tage zuvor als Kanzler der mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geschmiedeten Koalition angelobt worden. Die Flüchtlingskrise 2015, die der FPÖ enorme Zugewinne beschert hatte, war wieder vergessen. Das Ibiza-Video war noch unter Verschluss, ebenso das "Projekt Ballhausplatz" mit dem "Beinschab-Tool" und den zugehörigen Chats - die jeweils gewaltige politische Erdbeben und Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft auslösten.
Für die ÖVP sah es 2018 - nach einer langen Serie desaströser Wahlergebnisse - rosig aus: Die Nationalratswahl war gewonnen, Kanzler Kurz höchst beliebt, und alle Landtagswahlen brachten Erfolge: In Niederösterreich verteidigte Johanna Mikl-Leitner, obwohl erst kurz im Amt, die Mandats-Absolute. In Salzburg festigte Wilfried Haslauer den 2013 zurückeroberten ersten Platz mit einem großen Plus (8,8 Prozentpunkte). In Kärnten ging es nach einer langen Abwärts-Serie wieder nach oben. In Tirol legte Landeshauptmann Günther Platter um fast fünf Punkte auf wieder klar über 40 Prozent zu. Das alles, nachdem die Volkspartei bei 13 Landtagswahlen zuvor immer Stimmenanteil verloren hatte - und somit in acht Ländern (ausgenommen nur NÖ) am historischen Tiefstpunkt stand. Zwischen 2018 und 2021 (wo Oberösterreich noch kurz vor Bekanntwerden der Korruptionsermittlungen und Kurz' Abgang wählte) kam sie mit oft großen Zuwächsen überall wieder heraus.
Schlechte Prognose für LH Mikl-Leitner bei NÖ-Wahl
Jetzt hat sich das Blatt wieder gewendet - wie man in Tirol Ende September sehen konnte: Die erste Landtagswahl unter Bundesparteichef Karl Nehammer endete - nach acht Mal Plus - mit einem saftigen Minus von fast zehn Prozentpunkten. Die nur mehr 34,7 Prozent sind die mit Abstand geringste Zustimmung im Lande seit 1945. Dies mag zum Teil auf den Wechsel von Platter zu Anton Mattle zurückzuführen sein. Aber viel besser sind die Prognosen der Meinungsforscher auch für Mikl-Leitner nicht. Die NÖVP muss all ihre Mobilisierungskraft aufbringen, damit nach den 49,6 Prozent aus 2018 am Abend des 29. Jänner noch ein Vierer vorne steht - zumal vor Kurzem auch die landesinterne Affäre um den ORF-NÖ-Landesdirektor samt Vorwürfen angeblich massiver Einflussnahme der NÖVP auf den ORF bekannt wurde. Recht wahrscheinlich sind nach der NÖ-Wahl wieder die Vorarlberger (mit aktuell 43,5 Prozent) die vom Stimmenanteil her stärkste Landespartei der ÖVP.
Nicht ganz so schlimm sieht es - nach ersten Umfragen - in Salzburg und Kärnten aus. Wobei Salzburgs Landeshauptmann Haslauer hoffen muss, dass bis zum 23. April nicht neue Schlagzeilen seine Lage weiter verschlechtern. Denn die dort regierende (einzige) Dreier-Koalition aus ÖVP, Grünen und NEOS ist nicht sehr üppig abgesichert, sie hält zusammen 21 der 36 Mandate. In Kärnten - das für die ÖVP immer ein schwieriges Pflaster war - droht ein neuer historischer Tiefststand, also weniger als die 11,6 Prozent aus dem Jahr 2004.
Wahltriumph der SPÖ in Kärnten könnte ausbleiben
Kärnten dürfte (nach einer ersten Umfrage vom September) diesmal auch für die SPÖ und ihren Landeshauptmann Peter Kaiser nicht den Wahltriumph bringen, den sie 2018 - mit 10,8 Punkten Plus auf 47,9 Prozent - feiern konnte. Insgesamt hatte es im ersten Quartal 2018 mit guten Zuwächsen auch in Niederösterreich und Tirol nach einer klaren Trendwende ausgesehen für die SPÖ - die damals, noch unter Christian Kern, nach dem Scheitern bei der Nationalratswahl 2017 frisch in Opposition war. Aber schon die Wahl in Salzburg im April 2018 war wieder ein Enttäuschung - und unter der ab Herbst 2018 neuen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gab es (in Zeiten des ÖVP-Höhenflugs) im Bund Wahlschlappen und in den Ländern nur ausnahmsweise, nämlich im Burgenland, größere Zuwächse. Aber die kleinen reichten, um in den meisten Ländern wieder vom Tiefststand weg zu kommen; nur in Salzburg und der Steiermark steht die SPÖ aktuell am schlechtesten Ergebnis seit 1945.
Landtagswahlen werden für FPÖ nach Ibiza-Flaute spannend
Für die FPÖ werden die Landtagswahlen zeigen, ob sie die Ibiza-Flaute überwunden hat - und tatsächlich unter Parteichef Herbert Kickl (seit Juni 2021) wieder auf dem Erfolgskurs segelt, auf den die aktuelle Themenlage sie hoffen lässt. Dass die blauen Zeiten wieder besser sind, hat die Tirol-Wahl im September gezeigt, mit dem ersten Plus seit 2018. Denn ab 2019 war die FPÖ für das damals im Mai aufgetauchte Ibiza-Video (samt Abgang Straches und Ende der Bundes-Koalition) mit ihrem neuen Parteichef Norbert Hofer bei allen Wahlen bis 2021 abgestraft worden - und das mit teils riesigem Minus: In Wien stürzte sie um fast 24 Punkte auf 7,1 Prozent ab. Bei den Landtagswahlen 2018 hatte sie noch zugelegt - zwar weniger als Umfragen vor dem Einzug in die Bundesregierung verheißen hatten, aber doch um jeweils mehr als sechs Prozentpunkte in NÖ, Tirol und Kärnten. Dies dankte die FPÖ zum Teil auch dem Umstand, dass der große Konkurrent Team Stronach wieder von der Bildfläche verschwunden war. Für die 2023er-Wahlen zeichnen sich Zugewinne ab, nur für Kärnten zeigte sich in einer Umfrage vom September ein Minus.
Rolle als Koalitionspartner schadet Grünen in Umfragen
Die Grünen - die kurz vor 2018 aus dem Nationalrat gewählt worden waren - sind zwar mittlerweile wieder wichtiger innenpolitischer Player. Aber die 2019 eingenommene Rolle des kleineren Partners in der laut Umfragen ziemlich unbeliebten Bundeskoalition wirkt dämpfend. So sind auch die jetzigen Landtags-Urnengänge wieder Testwahlen - allerdings nicht ganz so dramatische. 2018 mussten sie um den Verbleib in Landtagen zittern. Der gelang ihnen weitgehend, wenn auch teils mit großem Minus (in Salzburg fast 11 Prozentpunkte), ausgenommen nur Kärnten. Dort brachen sie, nach internen Streitereien und Aufregung über das Novomatic-Engagement von Ex-Chefin Eva Glawischnig, von 12,1 auf 3,1 Prozent zusammen. In Tirol und Salzburg konnten sie sich sogar in den Landesregierungen halten.
Das hat sich in Tirol mittlerweile geändert, dort verlor die ÖVP-Grün-Koalition im September 2022 ihre Mehrheit. Nicht nur die ÖVP verlor, auch die Grünen mussten in Tirol das erste Minus hinnehmen - seit Werner Kogler (im November 2018 als Nachfolger Ingrid Felipes) die Partei übernommen, wieder in den Nationalrat und gleich auch in die Bundesregierung geführt hat. Bei den fünf Landtagswahlen zwischen 2019 und 2021 (von Vorarlberg bis Wien) haben die Grünen überall zugelegt. Ob sie auch in Kärnten den Landtag wieder erobern können, wird sich am 23. April zeigen - und ob in Salzburg die ÖVP-Grün-NEOS-Koalition fortgesetzt werden kann, am 23. April.
NEOS dürfen auf Zugewinne hoffen
An den NEOS dürfte es - laut den ersten Umfragen - in Salzburg nicht scheitern. Sie können überall auf Zugewinne hoffen. Fraglich ist, ob sie in Kärnten die für den Einzug in den Landtag nötigen fünf Prozent schaffen. Nicht gelungen ist es ihnen im Burgenland 2020. Sonst ist die 2013 gegründete Partei mittlerweile in allen Landesparlamenten verankert - und zwar in Niederösterreich, Tirol und Salzburg seit 2018. Nur in Kärnten hatten sie den Einzug mit nur 2,14 Prozent klar verpasst. Seither sind die Pinken - abgesehen von dem einen Minus im Burgenland 2020 - überall weiter gewachsen; daran hat auch die überraschende Übergabe von Gründungs-Parteichef Mathias Strolz an Beate Meinl-Reisinger im Mai/Juni 2018 nichts geändert.
(APA/Red)
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