Vor dem mit Spannung erwarteten Urteil im Prozess um den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce ist es am Dienstag im Landgericht Darmstadt zu einem Tumult gekommen. Einige Zuschauer hätten sich in der Warteschlange vor dem Gerichtssaal vordrängeln wollen, teilte ein Sprecher des Gerichts mit. Als andere mit Unverständnis darüber reagiert hätten, habe es Beleidigungen und Rangeleien gegeben. Die Polizei wurde alarmiert. Als die Beamten kamen, schien wieder Ruhe eingekehrt zu sein.
Angeklagter bedauert Tod Tugces unter Tränen
Auf das Urteil wartet Sanel M., der kurz vor der Tat 18 Jahre alt wurde. Er hat zugegeben, der 22-Jährigen Tugce im November vergangenen Jahres auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants in Offenbach heftig ins Gesicht geschlagen zu haben.
Sie stürzte und zog sich schwerste Kopfverletzungen zu. Tugce fiel ins Koma, aus dem sie nicht mehr erwachte. An ihrem 23. Geburtstag wurden die lebenserhaltenden Maßnahmen abgedreht.
Unter Tränen hatte der Angeklagte die Attacke zu Beginn des Prozesses eingeräumt und sein tiefes Bedauern ausgedrückt. “Ich habe in der Tatnacht der Tugce eine Ohrfeige gegeben, und sie ist dann umgefallen”, hatte Sanel M. mit tränenerstickter Stimme zu Protokoll gegeben. “Es tut mir unendlich leid, was ich getan habe. Ich habe niemals mit ihrem Tod gerechnet”, hielt der junge Mann fest.
Bewährungsstrafe möglich
Das Urteil soll um 11.30 Uhr verkündet werden. Nach Jugendstrafrecht könnte Sanel M. am zehnten Verhandlungstag auch mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Die Anklage fordert allerdings Haft. Sanel M. ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt.
Staatsanwalt fordert Haft für Sanel M.
Die Staatsanwaltschaft verlangt für Sanel M. eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und drei Monaten nach dem Jugendstrafrecht. Die Nebenklage verlangt eine längere Haftdauer, ohne einen konkreten Zeitraum zu nennen. Die Verteidigung meint, eine Bewährungsstrafe würde genügen, sie nannte ein Jahr.
Tödliche Zivilcourage
Der Fall hatte großes Aufsehen erregt, auch über Deutschland hinaus. Tugce soll vor dem Schlag des Angeklagten Zivilcourage bewiesen haben. Sie habe auf der Toilette des Restaurants zwei Mädchen vor Sanel M. in Schutz genommen. Freunde sehen in ihr deshalb eine Heldin.
Ein Meer aus Kerzen zum Abschied
Als Tugces Eltern am 28. November 2014 nach dem Hirntod ihrer Tochter die lebenserhaltenden Apparate abschalten ließen, versammelten sich vor dem Krankenhaus in Offenbach etwa 1500 Menschen, um Anteilnahme zu zeigen. Auf dem Rasen vor der Klinik, in der die Studentin ihre letzten Tage verbrachte, verharrten sie am Freitagabend mehr als eine Stunde im stillen Gedenken an die Studentin. Mit einem Meer von Blumen, Kerzen und Plakaten mit Fotos von Tugce wurde der jungen Frau gedacht.
Tugces Schicksal bewegt Zehntausende
Auch in den Sozialen Netzwerken brachten Zehntausende ihre Trauer und Fassungslosigkeit zum Ausdruck. Eine Gedenkseite auf dem Netzwerk Facebook wird noch heute von mehr als 190.000 Menschen unterstützt, in etlichen Tweets bei Twitter wurde Tugce als “Heldin” und “Engel” gefeiert.
In dem Verfahren hat das Landgericht Darmstadt mehr als 60 Zeugen vernommen, auch Freundinnen von Tugce sowie Freunde von Sanel M.. Schnell wurde klar, dass sich beide Seiten vor dem Schlag gegenseitig übel beleidigten. Oberstaatsanwalt Alexander Homm sagte in seinem Plädoyer, weder sei Sanel M. ausschließlich ein aggressiver “Koma-Schläger” noch Tugce eine “nationale Heldin” für Zivilcourage. (dpa/red)
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