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Trotz massiver Forderungen: Putin muss vorerst keine Strafverfolgung fürchten

Forderungen, Putin für seine Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, werden zunehmend lauter.
Forderungen, Putin für seine Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, werden zunehmend lauter. ©Canva, Reuters
Der russische Präsident Wladimir Putin soll für den Ukraine-Krieg zur Verantwortung gezogen werden. Doch die von der Ukraine geforderte "gerechte" Strafe lässt auf sich warten.

Das fordern die Staatsspitze in Kiew sowie Politiker in Europa und den USA seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar 2022. Eine Strafverfolgung russischer Verantwortlicher ist jedoch extrem kompliziert. Putin und sein engstes Umfeld müssen deshalb vorerst keine Konsequenzen fürchten.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird nicht müde, eine "gerechte Bestrafung" Russlands zu fordern. Er wirft dem Land unter Präsident Putin zahlreiche Kriegsverbrechen vor, darunter Massaker an Zivilisten wie in Butscha oder Irpin bei Kiew.

EU will "Russland und alle Täter" zur Rechenschaft ziehen

Neben den USA setzt sich auch die EU für eine juristische Ahndung russischer Verbrechen ein. "Russland und alle Täter und Komplizen werden zur Rechenschaft gezogen", heißt es im Entwurf einer Gipfelerklärung, die die EU-Staats- und Regierungschefs kommende Woche in Brüssel verabschieden wollen und die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Internationale Ermittler gehen bereits seit Monaten Hinweisen auf Kriegsverbrechen in der Ukraine nach. Bisher seien fast 65.000 Vorfälle gemeldet worden, berichtete EU-Justizkommissar Didier Reynders kürzlich bei einem Justizministertreffen in Stockholm. Er nannte dies die "höchste Zahl jemals dokumentierter Kriegsverbrechen". Sie erklärt sich unter anderem durch Handyaufnahmen, die den Ermittlern zugespielt werden.

Haager Strafgerichtshof ermittelt wegen Kriegsverbrechen

Zuständig für Kriegsverbrechen ist der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Er geht seit 2002 auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord nach. Chefankläger Karim Khan ermittelt im Fall der Ukraine und wird dabei von Deutschland und 13 weiteren EU-Ländern unterstützt. Allerdings könnte er Putin und andere russische Anführer nicht anklagen, solange sie im Amt sind. Denn sie genießen Immunität, solange Russland den Haager Gerichtshof nicht anerkennt. Auch die Ukraine tut dies bisher nicht.

Die Ukraine und ihre Verbündeten wollen Russland auch wegen des Verbrechens der "Aggression" zur Verantwortung ziehen. Dabei geht es um die Planung, Vorbereitung und Ausführung des Angriffs auf die Ukraine, also etwa die Invasion, Bombenangriffe und die Blockade von Häfen. Zwar kann der Haager Strafgerichtshof seit 2018 auch hier theoretisch tätig werden, doch Russland hat den Zusatz im Römischen Statut nicht ratifiziert, das die juristische Grundlage für das Gericht ist.

Uneinigkeit über Weg zum Sondertribunal

Die Ukraine fordert deshalb ein Sondertribunal für die "Aggression" Russlands. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock unterstützt dies und schlug Mitte Jänner ein Tribunal auf Grundlage ukrainischen Rechts vor. Auch damit könnte Putin aus Gründen der Immunität aber vorerst nicht belangt werden. Viele Länder bevorzugen deshalb ein internationales Sondergericht. Dafür wäre entweder ein Beschluss des UNO-Sicherheitsrats nötig, wo Russland Vetomacht ist. Oder aber eine Zweidrittelmehrheit in der UNO-Vollversammlung. In Berlin gibt es Zweifel, dass diese erreicht werden kann.

Solange über das Tribunal keine Einigkeit besteht, soll eine Art Sonderermittler-Büro Beweise sammeln. Dieses "internationale Zentrum für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression in der Ukraine" soll in Den Haag eingerichtet werden, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag bei einem Besuch in Kiew ankündigte.

Kommt Putin irgendwann doch vor Gericht?

Von der Leyen hält einen Prozess gegen Putin für "möglich". Russland sieht ein Ukraine-Tribunal aber grundsätzlich als illegitim an und will keine Staatsbürger ausliefern. "Solange es keinen Regimewechsel in Russland gibt, müssten Putin und andere hochrangige Verantwortliche Russland schon verlassen, um festgenommen zu werden", betont die Staatsrechtlerin Cecily Rose von der Universität Leiden in den Niederlanden.

(APA/AFP)

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