Der zweite Lockdown in Österreich soll eine Überlastung der Spitäler und eine dann notwendige Triage verhindern. Dabei werden Patienten nach kurzer Begutachtung für die Dringlichkeit ihrer Behandlung eingeteilt - etwa nach Katastrophen, Unfällen oder Anschlägen mit vielen Verletzten. In der Coronakrise geht es darum, wer bevorzugt intensivmedizinisch behandelt wird. Davon betroffen wären aber auch Patienten ohne Covid-19, die aus anderen Gründen medizinische Hilfe brauchen.
Top-Virologe Christian Drosten
Die Universitätsklinik Charité in Berlin habe als einziges Krankenhaus 400 Intensivbetten. Schon jetzt seien 160 mit Covid-19-Patienten belegt. In der kommenden Woche rechnet Virologe Christian Drosten mit 300 Patienten, wenn es so weitergehe. Um Betten freizubekommen, würde man schon Operationen absagen. "Wenn die Zahl der Intensivbetten belegt ist ... dann ist es bei uns soweit wie es in Norditalien war: dann müssen wir in eine Triage-Situation gehen." Um das verhindern zu können sei der Lockdown unumgänglich. "In unserem Kulturkreis zählt jedes Menschenleben gleich", sagte Drosten. Das sei beispielsweise in den USA und Kanada anders, wo wirklich nur noch nach Lebensjahren entschieden wird. "Das wollen wir nicht", konstatiert Drosten.
Sprengt die Kapazitäten
Wenn die Neuinfektionen weiter so stark anwachsen würden in Österreichs Gesundheitssystem - wiewohl eines der besten der Welt - "schon bald die Kapazitäten gesprengt" sagte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz am Samstag.. Das würde nicht nur bedeuten, dass geplante Operationen aufgeschoben werden müssten, sondern im weiteren Schritt wären "Triagen" nötig. Also die Entscheidung der Ärzte "über Leben und Tod" - "ob ein Unfallopfer, ein Herzinfarktpatient oder ein Corona-Fall das freie Intensivbett bekommt". Dann bekämen Patienten nicht die Behandlung, die sie brauchen. "Das können und werden wir nicht zulassen", begründete Kurz die Entscheidung zum zweiten Lockdown.
"Wir haben in Österreich ein hoch entwickeltes und hervorragendes Gesundheitssystem und sind es gewohnt, die bestmöglichen Ergebnisse - etwa bei Parametern wie Sterblichkeit oder Komplikationen - zu erreichen", betonte Klaus Markstaller, Präsident der Intensivmedizin-Fachgesellschaft ÖGARI am Sonntag in einer Aussendung. Eine unkontrollierte Ausbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung drohe, rasch zu einer Überlastung des Gesundheitssystems zu führen.
"Überlastung des Systems"
"Bei Überlastung des Systems ist die individuell optimale Betreuung für jede und jeden kritisch Kranken - ob mit oder ohne Covid-19 - nicht mehr möglich und weicht einer 'Triagemedizin' - es sind also Priorisierungen nötig und nicht alle kommen in den Genuss einer optimalen Versorgung", erläuterte Markstaller. Dann steige auch ganz klar die Sterblichkeit, das zeigen die Erfahrungen aus anderen Ländern, wo diese Überlastung eingetreten ist.
Intensivbetten in der Schweiz
Auch die Schweiz kommt an ihre Grenzen, wenn es um Intensivbetten geht. Der Koordinierte Sanitätsdienst des Schweizer Bundes hat diese Woche gemeldet, dass die Intensivbetten in der Schweiz ohne weitere Maßnahmen nur noch zehn Tage ausreichen.
Wer bekommt einen Spitalsplatz?
Um eine Triage zu vermeiden, hat auch die Schweiz in der vergangenen Woche harte Maßnahmen beschlossen. Wie das St. Galler Tagblatt berichtet, hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften allerdings schon Richtlinien erstellt, wer im Notfall noch einen Spitalsplatz bekommt und wer nicht. So werde zum Beispiel als Kriterium ein Alter unter 85 Jahren angeführt.
"Selbst-Triage" in der Schweiz
Wie das "Tagblatt" weiter berichtet würden sich viele Senioren in Pflegeheimen für eine Selbst-Triage entscheiden. Den meisten seien noch die Bilder aus Italien präsent mit den überfüllten Stationen – und das schrecke ab, sagt ein Winterhurer Arzt. gegenüber der Schweizer Zeitung.
Was ist eine "Triage"?
Der Begriff Triage leitet sich vom französischen Wort "trier" (sortieren) ab. Entwickelt wurde das System vom russischen Arzt Nikolai Pirogow, um im Krimkrieg (1853 bis 1856) mit der hohen Zahl verletzter Soldaten umzugehen.
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