Traumatisches Erbe einer Generation

„Kriegskinder und ihre Kinder – ein ungewolltes Erbe“, so lautete der Titel des Abendvortrags mit anschließendem Workshop, den die Connexia zusammen mit der Stadt Bludenz vor kurzem in der Remise präsentierte. Zahlreiche Interessierte waren gekommen, um an diesem Abend den Ausführungen von Meinrad Pichler und Michael Ermann zu folgen. Unter den ZuhörerInnen befanden sich auch Simon Hagen, Leiter der Sozialabteilung der Stadt Bludenz, und Andrea Hödl von Connexia.
Historische Dimension
Der renommierte Historiker Meinrad Pichler legte bei seinen Ausführungen mit dem Titel „Opfer-Gegner-Täter. Nationalsozialismus in Vorarlberg“ den Schwerpunkt auf die historische Dimension des Zeitgeschehens. Im Zentrum stand dabei v.a. die Fragen, wie es zur Ausbreitung des Nationalsozialismus in Vorarlberg kommen konnte und welche Auswirkungen diese politische Entwicklung mit sich brachte. „Die Attraktivität des Nationalsozialismus resultiert größtenteils aus der Verstärkung von bereits existenten Bedürfnissen, Wünschen, aber auch Nöten.“, so der Experte. Als wesentliches Element der NS-Politik nannte Pichler hier den Rassenwahn, in dessen Mittelpunkt das Ungleichheitsgesetz stand. In diesem Zusammenhang erläuterte Pichler Begriffe wie Rassenhygiene und soziale Hygiene und prangerte damit den versäumten Widerstand im medizinischen System Vorarlbergs an. „Es bildete sich ein Kartell des Schweigens, das sicher daraus hervorgeht, dass die Nazi-Ideologie in der gesamten elitären Schicht präsent war. Eine flächendeckende Entnazifizierung wurde dadurch unmöglich.“, so der Historiker
Vererbte Traumen
Der Psychoanalytiker Michael Ermann setzte sich in seinem Vortrag mit den Folgen der traumatischen Erlebnisse für die Kriegskindergeneration auseinander. Anhand von Forschungsergebnissen, die er in rund 400 Zeitzeugen-Interviews zusammengetragen hatte, zeigte er wie weitläufig diese Kindheitstraumen sind. „Während nach dem Krieg der Wiederaufbau begann, blieben die seelischen Wunden weitgehend unversorgt. Die posttraumatischen Erfahrungen dieser Zeit fanden so schließlich den Weg aus der Erinnerung in den Körper.“, so Ermann. Was blieb, waren also körperliche Reaktionen auf die psychischen Extrembelastungen des Kriegs. Er sieht in der therapeutischen Auseinandersetzung mit der Kriegskinderidentität den Schlüssel zur Auflösung der ungewollten Erbschaft. „Das Bewusste kann betrauert, verarbeitet und losgelassen werden. Die Ahnungen hingegen bleiben unfassbar und unaufgearbeitet.“, so Michael Ermanns abschließendes Fazit.
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