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Tote bei Sturm israelischer Soldaten auf Gaza-Flotte

Die israelischen Streitkräfte haben heute einen internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für den Gazastreifen gestürmt und mindestens zehn Aktivisten getötet. Mehrere Dutzend Menschen, darunter einige Soldaten, wurden nach Angaben der Streitkräfte verletzt. Die internationale Gemeinschaft reagierte empört, die Türkei berief ihren Botschafter ab.
Proteste gegen Sturm auf Gaza-Flotte
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Erstes Schiff der Gaza-Flotte in Ashdod
Gaza- Flotte - Erstes Hilfsschiff in Ashdod- Hafen eingelaufen
"Flottille der Freiheit" mit 10.000 Tonnen Hilfsgütern

Was genau sich in den frühen Morgenstunden im Mittelmeer abspielte, war unklar. Ein Reporter berichtete von einem der Schiffe, die Israelis hätten schon geschossen, bevor sie an Bord gekommen seien. Die israelischen Streitkräfte wiederum erklärten, die Soldaten seien mit Messern, Eisenstangen und scharfer Munition attackiert worden.

“Die haben diesen Angriff geplant”, sagte ein Militärsprecher. Generalstabschef Gabi Ashkenazi erklärte, gewalttätige Aktivisten hätten die Soldaten zum Schusswaffengebrauch gezwungen. Verteidigungsminister Ehud Barak machte die Organisatoren des Hilfskonvois für die Gewalt verantwortlich. Er sprach von einer “politischen Provokation”.

Die Organisation “Free Gaza”, die den Konvoi zusammengestellt hatte, nannte das israelische Vorgehen “abscheulich”. “Wir sind Zivilisten”, sagte Sprecherin Greta Berlin auf Zypern.

Über die Identität der Opfer wurde zunächst nichts bekannt. An Bord der Flottille waren etwa 700 Menschen, darunter europäische Politiker. Zu den Prominenten, die die internationale “Ship to Gaza”-Aktion unterstützen, gehört der schwedische Bestsellerautor Henning Mankell. Nach Angaben der Organisation “Free Gaza” soll Mankell an Bord des gestürmten türkischen Passagierschiffes “Marmara” gewesen sein.

Die sechs Schiffe, auf denen sich 10.000 Tonnen Hilfsgüter und 700 Aktivisten befanden, wurden von der israelischen Marine ins Schlepptau genommen und in die Hafenstadt Ashdod eskortiert. Hubschrauber brachten die Verwundeten in israelische Krankenhäuser.

Türkische Aktivisten hatten an der “Solidaritätsflotte” großen Anteil. In der Türkei war die Empörung über das israelische Vorgehen darum besonders groß. Die türkische Regierung erklärte, Israel habe internationales Recht verletzt und müsse mit Konsequenzen rechnen. Der türkische Botschafter wurde aus Israel abberufen, drei gemeinsame Militärmanöver mit Israel wurden abgesagt. In Istanbul zogen etwa zehntausend Türken vom israelischen Konsulat zum Stadtzentrum. Die Polizei verhinderte die Erstürmung des Konsulats.

In einer Erklärung des türkischen Außenministeriums hieß es, der Schaden für die Beziehungen der beiden Staaten sei nicht wiedergutzumachen. “Israel hat auf unschuldige Zivilisten gezielt.” Israel warnte seine Bürger vor Reisen in die Türkei. Israelis, die sich bereits dort aufhielten, sollten sich bedeckt halten und größere Menschenansammlungen in den Innenstädten meiden.

Die Europäische Union verurteilte die “exzessive Gewaltanwendung”. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft bezeichnete die israelische Aktion als “äußerst schwerwiegend” und “inakzeptabel”. Die EU-Botschafter in Brüssel beraumten für den Nachmittag eine Sondersitzung an. An Bord der Gaza-“Solidaritätsflotte” waren zahlreiche Europäer, darunter Deutsche, Spanier und Griechen. Nach bisher unbestätigten Meldungen könnten auch Österreicher an Bord eines der Schiffe gewesen sein, wie das Außenministerium in Wien mitteilte. Außenamtssprecher Peter Launsky-Tieffenthal sagte dazu, die österreichische Botschaft in Tel Aviv sei mit dem israelischen Außenministerium in Kontakt. Man habe um raschestmögliche Information gebeten.

Außenminister Michael Spindelegger (V) zeigte sich bestürzt über die “blutige Eskalation”. “Ein solches Blutvergießen ist schockierend, und ich erwarte mir eine rasche und lückenlose Aufklärung”, erklärte der Außenminister. Der Generalsekretär für Auswärtige Angelegenheiten, Johannes Kyrle, sei beauftragt worden, den israelischen Botschafter umgehend einzubestellen und auf Klarstellung der Situation zu dringen.

Auch in Spanien, Schweden, Frankreich und Griechenland verlangten die Regierungen Aufklärung von den israelischen Botschaftern. Italien bedauerte den “Tod von Zivilpersonen”, Norwegen sprach von einer vollkommen inakzeptablen Militärattacke gegen zivile Aktivisten. Der finnische Außenminister Alexander Stubb zeigte sich “zutiefst erschüttert”. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sagte: “Die Umstände dieser Tragödie, die die Dringlichkeit eines Neustarts des Friedensprozesses unterstreicht, müssen vollständig aufgeklärt werden.”

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte nach einem Telefonat mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman: “Ich habe darauf gedrungen, dass es eine umfassende, transparente und neutrale Untersuchung geben muss über alle Umstände.” Nach Angaben des Außenamtes waren insgesamt sechs Deutsche mit der “Solidaritätsflotte” unterwegs, darunter zwei Bundestagsabgeordnete der Linkspartei.

In den Hauptstädten des Libanons und Jordaniens, Beirut und Amman, strömten Hunderte Menschen aus Protest gegen das israelische Vorgehen auf die Straßen. In Russland verlangte der Chef des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma, Konstantin Kossatschow, ein “sofortiges” Treffen des sogenannten Nahost-Quartetts aus UNO, EU, Russland und den USA. Die USA drückten ihr tiefes Bedauern über die Todesfälle bei der Erstürmung der Gaza-Flotte aus.

Sowohl Israel als auch Ägypten hatten nach der Machtübernahme durch die radikale Hamas-Bewegung im Gazastreifen im Sommer 2007 ihre Grenzübergänge zu dem Gebiet abgeriegelt. Israel lässt seither nur noch die Lieferung bestimmter Waren in den Gazastreifen zu. Die Hamas bezeichnete die getöteten Menschen als “Märtyrer” – ein Begriff, der sonst für palästinensische Tote verwendet wird. Mit der Blockade des Gazastreifens will Israel das Einschmuggeln von Waffen verhindern.

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