Ein eigenes Haus im Garten der Eltern – für viele unvorstellbar, für Lena Alltag. Ihr Tiny House wurde mitten in der Corona-Zeit geliefert, auf ein kleines Fundament gesetzt und mit Solarzellen ausgestattet. Drei Meter neben dem Elternhaus. „Ich brauch nicht viel“, sagt sie. „Mir gefällt’s minimalistisch.“ Wohnzimmer, Küche, Kinderzimmer – alles auf engem Raum. „Der Nachteil? Gäste unterzubringen ist schwierig. Aber sauber ist’s schnell. Und wieder dreckig auch“, sagt sie und lacht. Im ausführlichen Interview spricht sie über alles, was diese Art zu leben mit sich bringt.
Weniger Platz, mehr Natur
Die Vorteile sieht sie klar: geringe Heizkosten, Nähe zur Familie, einfache Struktur. „Ich hab eh viel ausgemistet. Und ehrlich: Es tut gut, wenn man weniger hat.“
Auch Lagerfläche hat sie – im Schuppen der Eltern. Für sie funktioniert’s.
Lena sieht das Tiny House nicht als politisches Statement, sondern einfach als „Wohnlösung, die für mich passt“. Und sie träumt schon vom nächsten Schritt: eine kleine Nachbarschaft, ein gemeinschaftliches Kochhaus, viel Grün dazwischen.

Architektur-Expertin warnt: „Tiny Houses sind keine Lösung für die Wohnfrage“
Verena Konrad, Leiterin des Vorarlberger Architektur Instituts, sieht das anders. Sie warnt vor einem Wohntrend, der zwar charmant wirkt, aber strukturell Probleme schafft.
„Tiny Houses fördern die Verhüttelung – also das Bauen vieler kleiner Einheiten mit jeweils eigener Infrastruktur. Das führt zu mehr Flächenverbrauch, mehr Materialeinsatz, mehr Leitungen, mehr Beton. Ökologisch ist das kein Fortschritt – sondern im Vergleich zur Wohnung sogar ein Rückschritt.“
Denn jeder einzelne Anschluss – ob Strom, Wasser oder Abwasser – braucht Energie und Ressourcen. „Wenn ich wirklich meinen Fußabdruck reduzieren will, ziehe ich in eine kompakte Wohnanlage – und baue nicht ein eigenes Häuschen für mich allein.“
Konrad sieht zwei Typen von Tiny-House-Besitzern: „Die einen wollen sich ehrlich reduzieren, die anderen wollen einfach das Eigenheim-Gefühl behalten – obwohl sie sich das große Haus nicht leisten können. Beides ist legitim, aber es löst keine Wohnungsfrage.“

Kommt jetzt das Tiny-Viertel?
Lena bleibt überzeugt: „Ich glaube schon, dass das Zukunft haben kann – wenn man’s richtig macht.“ Ihre Überlegung: mehrere kleine Häuser, ein geteiltes Haus für Gemeinschaft, keine fünf Quadratmeter Rasen, sondern echte Natur dazwischen.
Verena Konrad bleibt skeptisch: „Viele Tiny-Häuser stehen auf Privatgrund, oft zusätzlich zum Elternhaus. Das ist dann kein Verzicht – sondern eine Erweiterung. Die Argumentation hinkt.“
Auch der Markt rund um Tiny Houses boomt. Fertigteilhäuser, modulare Konzepte, Kataloghäuser mit Charme. „Aber auch das muss kritisch hinterfragt werden“, sagt Konrad. „Denn nur weil es kleiner ist, ist es nicht automatisch ressourcenschonend. Man darf sich vom Label 'tiny' nicht blenden lassen.“

Und jetzt? Wo liegt die Wahrheit?
Ob Tiny Houses wirklich die große Lösung sind? Das hängt davon ab, worauf man schaut. Für manche sind sie ein pragmatischer Rückzugsort, ein bewusst reduziertes Zuhause oder ein neues Kapitel am alten Ort. Für andere sind sie Ausdruck eines Bau-Trends, der mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt.
Was sich zeigt: Der Wunsch nach weniger kann stark sein – und trotzdem viel bewirken. Die Frage ist nur, wie wir dieses Weniger gestalten wollen – als Rückzug ins Private oder als Aufbruch zu etwas Gemeinsamen.
Vielleicht liegt die Zukunft genau dazwischen – in Wohnformen, die Platz lassen. Für Menschen, für Natur, für Ideen.
(VOL.AT)
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