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Terrorprozess: Zwei Mal lebenslang, einmal 20 Jahre, einmal 19 Jahre Haft

Vier Menschen wurden infolge des Anschlags getötet, zahlreiche verletzt.
Vier Menschen wurden infolge des Anschlags getötet, zahlreiche verletzt. ©APA
Am 15. Verhandlungstag fielen in der Nacht auf Donnerstag nicht rechtskräftige Urteile im Prozess um den Terroranschlag in Wien, die bis zu lebenslange Haft nach sich ziehen.
DIe Nacht des Terrors in Wien
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Im Prozess gegen sechs mutmaßliche Unterstützer des Attentäters von Wien, der beim Terror-Anschlag in Wien vom 2. November 2020 vier Passanten getötet hatte, ehe er von der Polizei erschossen wurde, sind in der Nacht auf Donnerstag am Wiener Landesgericht drastische Freiheitsstrafen verhängt worden, darunter zwei Mal lebenslange Haft. Vier Angeklagte wurden im Kern der wider sie erhobenen Vorwürfe anklagekonform schuldig erkannt.

Angeklagte hatten sich schon früher Verbrechen schuldig gemacht ...

Das Schwurgericht verhängte über die vier Angeklagten, die laut erstinstanzlicher Entscheidung den Attentäter unterstützt hatten, wegen terroristischer Straftaten in Verbindung mit Beteiligung am Mord zwei Mal die Höchststrafe, ein Mal 20 und ein Mal 19 Jahre Haft. Zwei Angeklagte wurden zwar vom Vorwurf der Beteiligung am Mord freigesprochen. Sie fassten jedoch wegen Mitgliedschaft in der radikal-islamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) und Verbreitung von IS-Propagandamaterial jeweils zwei Jahre Haft, davon acht Monate unbedingt aus. Sämtliche Urteile sind nicht rechtskräftig.

Erschwerend auf das Strafausmaß wirkten sich auch beim Dritt-, Viert-, und Sechstangeklagten die "verwerflichen Beweggründe des IS" aus, begründete der Richter die Entscheidung. Bei allen dreien - wie auch beim Fünftangeklagten - erschwerend waren auch das Zusammenkommen mehrerer Verbrechen und Vergehen. Im Falle des Sechstangeklagten waren auch seine beiden einschlägigen Vorstrafen für die Höhe der Strafe verantwortlich. Mildernd wirkte sich bei allen ein teilweises Geständnis zu Chats mit propagandistischen Inhalten aus.

So lauten die konkreten Vorwürfe gegen die vier Verurteilten

Was die zentralen Vorwürfe betrifft, wurde der Drittangeklagte für schuldig befunden, den Attentäter von Mai 2020 bis zum Tag des Anschlags im Wissen um dessen Absichten unterstützt, das Anschlagsziel mitausgesucht und Fluchtvorbereitungen getroffen zu haben, indem er gefälschte Papiere besorgte. Er bekam dafür 20 Jahre Haft. Beim Viertangeklagten wurde angenommen, dass dieser den Attentäter ab Juli 2020 bis zum Tag des Anschlags zur Tatausführung bestärkt sowie die Tatwaffen samt Munition und weitere Utensilien in der Wohnung des Attentäters vorbereitet hatte. Für ihn setzte es eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Beim Fünftangeklagten gelangten die Geschworenen mit 5:3 Stimmen zur Ansicht, dass dieser dem Attentäter im Juni und im September 2020 die beim Anschlag verwendeten Schusswaffen - ein Sturmgewehr und eine Pistole - und die passende Munition vermittelt und übergeben hatte. Für die Laienrichter war damit - wenn auch nicht im Rahmen einer terroristischen Vereinigung - der Tatbestand der Beteiligung am Mord erfüllt. Er wurde ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt.

Ähnlich sahen es die Geschworenen beim Sechstangeklagten, bei dem dem Wahrspruch zufolge davon ausgegangen wurde, dass er die Abwicklung des Waffen- und Munitionskaufs mitorganisiert und dem Attentäter den Kontakt zum Fünftangeklagten vermittelt hatte, indem er ihm dessen Telefonnummer übergab. Beim Sechstangeklagten wurde angenommen, dass dieser an einer terroristischen Vereinigung beteiligt war. Er kassierte dafür 19 Jahre Haft - da er noch als junger Erwachsener zu betrachten war, war bei ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe ausgeschlossen.

Warum zwei Angeklagte trotz Freispruch ins Gefängnis mussten ...

Beim Erstangeklagten fehlte den Geschworenen der Beweis, dass dieser - wie von der Anklage inkriminiert - den Attentäter psychisch und bei der Planung und Vorbereitung des Anschlags unterstützt und am 21. Juli 2020 im Wissen um dessen mörderische Pläne in die Slowakei chauffiert hatte, wo dieser Munition für das beim Attentat verwendete AK-47-Sturmgewehr kaufen wollte. Wegen Mitgliedschaft beim IS und Verbreitung von Propagandamaterial erhielt er 24 Monate, davon acht Monate unbedingt.

Beim Zweitangeklagten wurde entgegen der Anklage nicht angenommen, dass dieser dem Attentäter am Tag des Anschlags bei Tatvorbereitungen und bei der Auswahl des Anschlagsziels behilflich war und ihn im Entschluss zur Tatbegehung bestärkt hatte. Als IS-Propagandist fasste er ebenfalls 24 Monate aus, wovon wiederum acht Monate unbedingt ausgesprochen wurden. Der Mann, der kurz nach dem Anschlag festgenommen worden und seit über zwei Jahren in U-Haft gesessen war, wurde nach der Verhandlung enthaftet. Der Erstangeklagte hatte sich schon länger auf freiem Fuß befunden.

Sämtliche Urteile noch nicht rechtskräftig

Auch bei den beiden Angeklagten, die von den zentralen Punkten der Anklage freigesprochen wurden, wirkte sich das Zusammenkommen mehrerer Vergehen erschwerend aus. Mildernd war hingegen deren "ordentlicher Lebenswechsel" sowie ein teilweises Geständnis und der Umstand, dass beim Erstangeklagten die Vergehen weit in der Vergangenheit - nämlich im Jahr 2015 - lagen. Beim Zweitangeklagten war überdies das im Tatzeitpunkt noch nicht vollendete 21. Lebensjahr strafmildernd.

Die Verteidiger des Viert-, Fünft-, und Sechstangeklagten kündigten nach der Urteilsverkündigung an, Nichtigkeitsbeschwerden und Strafberufungen einzubringen. Der Drittangeklagte nahm von seinem Recht auf eine dreitägige Bedenkzeit Gebrauch. Erst- und Zweitangeklagter verzichteten auf Rechtsmittel. Die Staatsanwältin gab zu sämtlichen Urteilen vorerst keine Erklärung ab.

(APA)

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