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"Tennis ist die beste Droge für mich"

Der Erfolgshunger von Julian Knowle ist trotz der Megasaison noch nicht "gestillt". Im "VN"-Interview spricht er über seine Zukunft.

Grand-Slam-Sieger bei den US Open in New York, Finalist beim ATP-Masters in Schanghai und rund 450.000 Dollar an Preisgeld gewonnen. Für Julian Knowle war 2007 das beste Tennisjahr seiner seit 1992 dauernden Profikarriere.

VN: Welche sportlichen Ziele haben Sie nach dieser Megasaison?
Knowle: “Konkrete Gedanken habe ich mir noch keine gemacht. Ich bin sicher, dass ich noch einige Ziele finden werde, die ich erreichen möchte.”

VN: Eines der Ziele könnte eine Medaille bei Olympia 2008 in Peking sein.
Knowle: “Natürlich! Ich habe schon immer davon geträumt, einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Sollte ich am 9. Juni 2008 in der Weltrangliste eine Top-10-Platzierung haben, wäre ich fix qualifiziert. Doch ehrlich gesagt rechne ich auch mit einer Teilnahme, sollte ich auf Position elf oder 15 liegen. Wenn ich die Starterlisten der letzten Sommerspiele betrachte, gibt es jede Menge Sportler, die viel weniger Chancen hatten und trotzdem nominiert wurden.”

VN: Sind die Probleme mit dem Österreichischen Olympischen Komitee (OÖC) mittlerweile aus dem Weg geräumt?
Knowle: “Darüber kann ich nicht viel sagen. Vor den US Open gab es in Wien mit den Herren des ÖOC ein Gespräch. Mit der Begründung, dass ich einen schwedischen und keinen österreichischen Partner habe, wurde mir mitgeteilt, dass ich keine Förderungen zu erwarten habe. Danach habe ich nichts mehr gehört.”

VN: Werden Sie sich deshalb von Simon Aspelin trennen?
Knowle: “Ganz sicher nicht. Obwohl wir erst seit knapp sechs Monaten zusammenspielen, verstehen wir uns fast blind. Wir haben die gleichen Ziele und sind uns im Klaren, noch lange nicht unsere Leistungsgrenze erreicht zu haben.”

VN: Was ist der große Unterschied zwischen Jürgen Melzer und Aspelin?
Knowle:
“Dass sich Simon so wie ich komplett auf das Doppel konzentriert. Bei der derzeitigen Leistungsdichte im Tennissport ist es nicht möglich, sowohl im Einzel als auch im Doppel erfolgreich zu sein. Außerdem ergänzen wir uns perfekt. Mit seinem effektiven Aufschlag und der aggressiven Spielweise sind wir nahezu unberechenbar.”

VN: Der Doppelbewerb steht immer noch im Schatten des Einzels und führt eine Art stiefmütterliches Dasein. Warum?
Knowle: “Für mich absolut unerklärlich. Im Doppel gibt es viel mehr überraschende Aktionen als im Einzel. Doch für fast alle Turnierveranstalter scheint dies zu wenig zu sein, dem Doppel mehr Bedeutung zu geben.”

VN: Hat der Tennissport in den letzten Jahren nicht etwas von seiner Akzeptanz in der Öffentlichkeit eingebüßt?
Knowle: “Leider wird in Österreich noch immer alles an den Erfolgen von Thomas Muster gemessen. Im Doppel bekommst du erst wirklich Aufmerksamkeit, wenn du in einem Halbfinale oder Endspiel stehst. Allerdings ist es schon eine gewisse Genugtuung, gemeinsam mit Muster als einziger österreichischer Grand-Slam-Sieger genannt zu werden. Zusätzlich habe ich auch noch den Vorteil, als erster Österreicher bei einem ATP-Masters im Endspiel gestanden zu sein.”

VN: Mit den selben Erfolgen im Einzel hätten Sie aufgrund der weit höheren Preisgelder längst ausgesorgt. Werden die Doppelleistungen zu wenig honoriert?
Knowle: “Der große Nachteil liegt darin, dass man im Doppel das Preisgeld teilen muss. Spaß beiseite: Die Einzelspieler genießen einfach mehr Aufmerksamkeit. Im Doppel bekommt man nur die Übernachtungen an den Spieltagen bezahlt, als Einzelspieler kannst du immer fünf Nächte im Hotel verbringen, egal ob du noch im Bewerb bist. Daneben ist auch die Vermarktung von zwei Personen schwieriger als jene von einer.”

VN: Apropos Vermarktung: Hat sich der US-Open-Erfolg schon bezahlt gemacht?
Knowle: “Die Nachfrage nach Autogrammstunden bzw. Promotionterminen hat schon zugenommen. Die Suche nach einem potenten Sponsor erweist sich aber schwieriger als erwartet. Allerdings habe ich mit meinem Manager Herwig Strakka (Emotion Management GmbH) vereinbart, dass ich mich nicht um jeden Preis verkaufen werde. Schließlich habe ich als Referenz ja nicht nur eine kleine Leistung, sondern einen Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier anzubieten.”

VN: Sind die vielen Ehrungen eine kleine Genugtuung dafür, mit der Konzentration auf das Doppel den richtigen Weg eingeschlagen zu haben?
Knowle:
“Natürlich, doch ich bin kein Mensch, der diese Dinge unbedingt benötigt. Vor einigen Jahren ist mir die Bezeichnung ‘gescheiterte Einzelkarriere’ noch mächtig aufgestoßen. Doch mittlerweile hat das Gerede dieser Leute keine Bedeutung mehr für mich. Ich bin älter und reifer geworden und versuche meinen Job so gut wie möglich zu machen. Letztendlich hat sich meine Hartnäckigkeit ausgezahlt und mein Erfolgshunger ist noch lange nicht gestillt. Die Arbeit auf dem Platz ist die beste Droge für mich und zugleich eine Haßliebe, wenn die Erfolge ausbleiben. Ich bin überzeugt davon, dass ich noch lange nicht zum alten Eisen gehöre und weitere Erfolge möglich sind.”

Zur Person: JULIAN KNOWLE

  • Geboren: 29. April 1974 in Lauterach
  • Wohnort: Hard und Wien
  • Größe/Gewicht: 1,88 m/72 kg
  • Profi seit: 1992
  • Ausrüster/Schläger: Lotto/Head
  • Beste Platzierung in der ATP-Rangliste:
    Einzel: 86 (15. Juli 2002).
    Doppel aktuell: 7 im ATP-Doppel-Ranking (beste Platzierung in seiner Karriere) bzw. 3 (mit Aspelin) sowie 22 (mit Melzer) in der ATP-Paar-Rangliste)

 

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