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Tabuthema Inzest: Weil es ganze Familie betrifft

Inzest - darüber spricht man nicht. Oder doch? "In den vergangenen Jahren hat sich vieles verändert", weiß Ursula Schober-Selinger von ihren Erfahrungen als Psychotherapeutin in Graz zu berichten.

Früher habe man z. B. weniger Berichte in Medien über solche Fälle gefunden – und dabei würden sexuelle Übergriffe häufiger in der Familie stattfinden als mit Fremden. Warum Inzest tabuisiert werde, habe viel mit Schuld zu tun, so Schober-Selinger.

Inzest sei ein Tabuthema, “weil es die ganze Familie betrifft”, erklärte die Psychotherapeutin der APA. Man habe nicht nur einen Bösen, sondern alle seien in irgendeiner Art und Weise beteiligt. “Auch die Opfer haben Schuldgefühle, weil sie das mit sich haben machen lassen”, so die Expertin. Selbst, wenn Kinder sich nicht wehren und “nein” sagen könnten, würden sie dies anders empfinden und sich als Beteiligter – meist an einem “Geheimnis” zwischen Täter und Opfer – fühlen. “Sie haben auch das Gefühl, dafür etwas bekommen, z. B. Liebe. Da entsteht dann Schuld.”

Noch Jahre nach den Übergriffen hätten Betroffene das Gefühl, sie hätten etwas tun müssen, meinte die Psychotherapeutin. Häufig wüssten Mütter über sexuelle Übergriffe des Vaters auf die Tochter Bescheid und würden trotzdem wegschauen z. B. aus Angst um die Ehe und hätten dann Schuldgefühle. Zum Stillschweigen über Inzest beitragen würde auch, dass es sich um etwas Verbotenes handle. “Außerdem sind Sexualität und natürlich Gewalt grundsätzlich noch Tabuthemen”, so Schober-Selinger.

In den vergangenen 20 Jahren hätte sich aber schon viel geändert, es werde schon anders mit dem Thema umgegangen, erklärte Schober-Selinger. Kinder würden sich meist nicht innerhalb der Familie über sexuellen Missbrauch mitteilen, sich manchmal aber an andere “Stellen” wenden: “Oft teilen sie es auf ihre eigene Art und Weise dem Lehrer oder der Kindergartentante mit.” Da sei schon viel passiert: Es gebe Aus- und Fortbildungen in diesem Bereich, man werde sensibilisiert auf Merkmale von sexuellen Missbrauch. In den meisten Städten gebe es bereits Kinderschutzzentren und Frauenhäuser, die sich mit den Opfern beschäftigen. Auch Prozessbegleitung für Kinder nannte die Expertin als Beispiel.

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