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Streit um Natascha-Bericht bei News

Ein Artikel der Infoillustrierten „News“ mit angeblichen Zitaten von Natascha Kampusch hat am Donnerstag für Aufregung gesorgt.

„News“ brachte in seiner aktuellen Ausgabe Aussagen über Kampuschs Gefangenschaft, die ohne nähere Quellenangabe dem Entführungsopfer zugeschrieben wurden. Mehr noch: Sie betreffen den zuletzt erst so oft zitierten “höchstpersönlichen Lebensbereich”, sprich, Lebensbereiche, die privat sind und für die Information der Öffentlichkeit nicht notwendig sind.

Kritik an dieser Vorgehensweise übten nicht nur Kampuschs Betreuer, der Medienanwalt Michael Pilz sprach von Rechtsbruch.

Der Kinderpsychiater Max Friedrich, der Kampusch nach ihrer achtjährigen Gefangenschaft durch Wolfgang Priklopil betreut, sah mit der „News“-Berichterstattung das Persönlichkeitsrecht der Frau verletzt. Er sprach sogar von einer „möglichen Re-Traumatisierung durch die öffentliche Bloßstellung des Opfers“. Auch die Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits, die Kampusch ebenfalls zur Seite steht, verurteilte die Veröffentlichung: „Frau Kampusch wird irgendwann an die Öffentlichkeit treten. Aber es kann nicht sein, dass plötzlich Gesprächs-Protokolle in den Medien auftauchen“, meinte sie.

Für den Wiener Medienrechtsexperten Pilz stellt der Artikel einen Rechtsbruch dar. Dieser sei in jedem Fall gegeben, egal ob die Aussagen authentisch seien. „Das ist eine Darstellung, die den höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt und die geeignet dazu ist, sie in der Öffentlichkeit bloßzustellen“, sagte der Jurist.„Es geht niemanden etwas an, auf welche Art und Weise Natascha Kampusch überlebt hat“, meinte Pilz. Vor allem weil die junge Frau Medien in den vergangenen Tagen zu mehr Zurückhaltung aufgerufen habe. Nach Paragraf Sieben des Mediengesetzes würde ihr durch diese Bloßstellung Anspruch auf Entschädigung zustehen.

Kampusch-Anwalt Gabriel Lansky zeigte sich in einer ersten Reaktion gegenüber der APA abwartend: „Es geht jetzt nicht darum, Kriege zu führen“, meinte er und verwies darauf, die aktuelle Ausgabe nicht gelesen zu haben und auch die Polizeiprotokolle im Detail nicht zu kennen. In der Vergangenheit hatte der Jurist auch „News“ vertreten. Ob dies auch jetzt noch der Fall sei, wollte seine Kanzlei nicht bestätigen. Er selbst war zu diesem Sachverhalt vorerst nicht erreichbar.

Von Seiten der Ermittler wurde betont, dass keine vertraulichen Informationen aus Gesprächsprotokollen mit Frau Kampusch weitergegeben wurden. „Dinge, die in diesem Artikel stehen, stimmen teilweise nicht. Andere sind bereits veröffentlicht worden“, sagte Generalmajor Gerhard Lang, Sprecher des Bundeskriminalamts (BK). „Die Verfasserin Martina Prewein hat mir gegenüber gesagt, sie habe ihre Infos aus eigenen Recherchen im Umfeld von Natascha Kampusch, aus offiziellen Statements und Pressekonferenzen der Polizei und anderen, wie der Betreuer und Psychologen. Sie hat mir versichert, in Polizeiprotokolle weder Einsicht genommen noch welche erhalten zu haben.“

Bei „News“ selbst stieß die Kritik auf Unverständnis. Es handle sich „um eine hervorragend recherchierte und seriös verfasste Magazingeschichte“, sagte Chefredakteur Josef Votzi, der im Sinne des Informantenschutzes gegenüber der APA freilich keine Namen nennen wollte. Er betonte aber, dass die Autorin des Artikels mit „allen gesprochen hat, die Kontakt mit Natascha hatten“ und „die uns zugänglich waren“. So sei es möglich gewesen, ein umfassendes Bild vom Leidensweg des Entführungsopfers zu zeichnen. Geld habe man für die Informationen nicht gezahlt.

Der Zeitschrift seien jedenfalls niemals Polizei-Protokolle vorgelegen, „darum konnten wir auch nicht daraus zitieren“. Einige Inhalte der Geschichte bezögen sich auf Informationen, die von diversen Polizei-Beamten bei diversen Pressekonferenzen und anderen offiziellen Presseterminen an die Medien, wie auch aus Publikationen in den Tagen davor zu ersehen sei, weiter gegeben wurden.

Ein herbes Urteil fällte indes der Vorsitzende der Initiative Qualität im Journalismus (IQ), Engelbert Washietl: „Das angebliche ’Protokoll ihres Leidens’ wirkt wie eine geschriebene Reality-Show. Längst Vergangenes, von dem wir nicht wissen, ob es so oder ganz anders war, wird reportagenhaft nachgestellt.“ Um „Faktentreue zu simulieren“, sei „das Ganze noch mit Zitaten von Frau Kampusch gespickt“ worden.

„Diese angeblichen Äußerungen – wenn sie überhaupt stimmen – sind auf jeden Fall völlig aus dem Zusammenhang von Einvernahmen oder intensiven Gesprächen mit Vertrauenspersonen gerissen und müssen außerdem aus höchst vertraulichen Dokumenten stammen. Vom Informationswert her ist diese Klitterung von Fakten und Mythen mehr als bedenklich. Priorität wurde weder einer sachlichen Berichterstattung noch der an sich selbstverständlichen Fairness gegenüber dem Opfer gegeben, sondern der damit zu erzeugenden medialen Sensation.“

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