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SPÖ-Spitzenkandidat Schieder will bei Platz 1 keinen EVP-Kommissionschef

Andreas Schieder über die Zukunft der EU..
Andreas Schieder über die Zukunft der EU.. ©APA/Roland Schlager
In einem Interview meinte SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder, dass er es bevorzugen würde, wenn die Europäische Volkspartei auch dann nicht den Kommissionspräsidenten stellt, wenn sie die EU-Wahl auf Platz eins abschließt. Denn: "Das wäre das zweit schlechteste für Europa."
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Mit der Volkspartei ginge nämlich alles weiter wie bisher. Den Spitzenkandidaten der EVP Manfred Weber erwartet Schieder ohnehin nicht als realen Anwärter der Konservativen auf den Kommissionsposten. Es gebe Hinweise, dass dieser für die Funktion schon abgeschrieben sei.

Grundsätzlich verwies Schieder darauf, dass es in einem Parlament nicht nur darauf ankomme, wer die meisten Mandatare habe sondern vor allem auch darauf, wer eine Mehrheit zusammenbekomme. Platz eins für die Sozialdemokraten würde Schieder freilich trotzdem nehmen, selbst dann, wenn dieser nur dank der britischen Labour-Party erreicht wird, die ob des Brexit wohl bald ausscheiden wird. Denn wer zur Parteienfamilie gehöre, sei klar definiert, egal ob das jetzt im EU-Parlament nur für drei Monate oder für 30 Jahre sei, antwortete der Spitzenkandidat auf eine entsprechende Frage.

Schieder hegt keinen Wunsch nach “Vereinigten Staaten von Europa”

Was die Besetzung der Kommission angeht, könnte Schieder auch gut damit leben, wenn bei einer mittelfristigen Verkleinerung, die er begrüßen würde, Österreich nicht vertreten wäre: “Mir ist jemand für sozialen Zusammenhalt aus einem anderen Land lieber als ein Politiker aus Österreich, der eine Politik der Spaltung macht.” Ohnehin gehöre die Frage losgelöst vom Prinzip, dass die ÖVP irgendjemanden mit einem Kommissionsposten versorge. Manchmal habe er soundso schon dass Gefühl, dass Österreich gar keinen Kommissar habe, weil dieser kaum merkbar sei. Die Regierung gewöhne einen also schon gewissermaßen an eine Kommission ohne österreichische Vertretung.

Wiewohl Schieder für eine Stärkung der Europäischen Union eintritt, kommt ihm im Gegensatz zu den NEOS der Wunsch nach “Vereinigten Staaten von Europa” nicht über die Lippen. Für den roten Spitzenkandidaten handelt es sich dabei derzeit bloß um “eine nette Überschrift”. Wenn solche Vereinigten Staaten wie die USA organisiert wären, würde ihm das auch nicht gefallen, als europäischer Wohlfahrtsstaat hingegen schon.

“Europatag” würde Europagefühl stärken

Zu einem besseren Europagefühl beitragen könnte nach Vorstellung Schieders ein eigener Feiertag am 9. Mai, genannt “Europatag”. Einen anderen Feiertag opfern würde er dafür nicht: “Die Rolle des Feiertagsmörders kommt primär der türkis-blauen Bundesregierung zu”, spielt Schieder auf die Abschaffung des Karfreitag-Feiertags an.

Im Wahlkampf fährt Schieder zwar einen prononciert linken Kurs, den Verstaatlichungsüberlegungen seiner Listen-Kollegin Julia Herr schließt er sich aber nicht an. Bevor man über Re-Verstaatlichung oder Re-Kommunalisierung rede, müsse man einmal eine Privatisierung von Wasserversorgung oder gemeinnützigem Wohnbau verhindern.

Eine klare Ablehnung Schieders kommt zur Verlängerung der Grenzkontrollen, wie sie die Bundesregierung betreibt. Diese sollten rasch beendet werden. Es handle sich nur um ein teures Ablenkungsmanöver: “20 Millionen für zehn Aufgriffe.” Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sollte sich lieber um den Außengrenzenschutz in der Union kümmern. Die Verschiebung der Frontex-Aufstockung auf 2027 hält Schieder für einen schweren Fehler.

Was die Asylpolitik angeht, will der SPÖ-Spitzenkandidat ein einheitliches System in Europa, wo jene Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen, auch Einbußen bei EU-Förderungen hinnehmen müssten. Zudem brauche es mehr Hilfe vor Ort, etwa einen “Marshall-Plan” für Afrika. Einen Aufnahmestopp für Asylwerber könne es aber nicht geben. Denn wenn jemand Flüchtling nach der Genfer Konvention sei, müsse er aufgenommen werden.

Persönlich will Schieder den Fraktionsvorsitz der SP-EU-Mandatare übernehmen

Nicht so schnell aufgenommen werden die Balkan-Staaten in die EU, wenn es nach Schieder geht, obwohl er an sich befürwortet, dass diese alle einmal Teil der Union sein werden. Davor müssten diese Staaten aber noch demokratie- und wirtschaftspolitische Fortschritte machen und die EU müsse sich so reformieren, dass sie aufnahmebereit sei. Immerhin, für Albanien und Nord-Mazedonien, die sogar noch auf einen Start der Beitrittgespräche warten, würde er den Beginn dieser Verhandlungen möglichst rasch beschließen.

Persönlich will Schieder den Fraktionsvorsitz der SP-EU-Mandatare übernehmen, aber auch in der Europafraktion der Sozialdemokraten eine Rolle spielen: “Ich glaube, da könnte ich auch ein paar Dinge beitragen.” Als Parlamentarier will er auch weiter in Österreich in den Bundesländern regelmäßig vor Ort sein, um Bürgeranliegen in Brüssel einbringen zu können. Zudem soll es wöchentlich Facebook-Sprechstunden geben. Einen Posten behält Schieder in Wien vorläufig: Zumindest fürs erste bleibt er Vorsitzender der SPÖ-Penzing.

Schieder EU-Regeln gegen Wohn-Spekulanten

SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder will, dass sich die EU vermehrt dem Thema Wohnen annimmt. So soll der soziale Wohnbau erleichtert werden und Spekulationen grenzübergreifend eingedämmt werden. Was es auch benötigen werde, sei der Einsatz entsprechender Mittel der Union. Schließlich habe eine Studie der Europäischen Investitionsbank nahe gelegt, dass es einen Nachholbedarf von 60 Milliarden im geförderten Wohnbau gebe, erklärte Schieder im APA-Interview.

So soll die Kommission ein Wohnbauförderungsprogramm aufsetzen. Mit diesem soll sicher gestellt werden, dass in Stadtentwicklungsgebieten auch geförderter Wohnbau angeboten werden kann. Eine weitere rote Forderung lautet, dass Investitionen für sozialen Wohnbau aus den Maastricht-(Defizit-)Kriterien herausgerechnet werden.

Zudem muss für Schieder klar gestellt werden, dass sozialer Wohnbau nicht “nur für die absolute Unterschicht” möglich wird. Als Grenze erschiene ihm hier vernünftig, dass nur 20 Prozent des Einkommens für Wohnen ausgegeben werden müssen und nicht wie derzeit 40 Prozent.

Was grenzüberschreitende Spekulationen angeht, setzt Schieder auf das dänische Modell. Zwar könnten dann EU-Bürger Wohneinheiten überall in der Union errichten, aber nur dann, wenn sie diese selbst nutzen.

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(APA/Red)

 

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