SOS-Kinderdorf: Stadt Imst in "Schockstarre"
Imst an einem sonnigen, aber kühlen Herbsttag. Die Innenstadt ist nicht allzu belebt. Nur einzelne Passanten gehen an der Johanneskirche vorbei. Jenem Ort, vor dem bis Donnerstag noch ein Gmeiner-Denkmal stand. Jahrelang gehörte diese Bronzestatue und ein weiteres Denkmal vor dem nahe gelegenen Pflegezentrum schlicht zum Ortsbild. "Als ich das letzte Mal aus dem Fenster gesehen habe, war es noch da", sagt eine Angestellte in einem nahe der Johanneskirche gelegenen Café im Zuge eines APA-Lokalaugenscheins. Dass es jetzt quasi über Nacht plötzlich verschwunden ist, habe sie noch gar nicht bemerkt. Ansonsten signalisiert die junge Frau weitestgehend Gleichgültigkeit. Sie habe sich mit dem Thema nicht beschäftigt und auch "keine wirkliche Meinung dazu."
Bürgermeister: Die Imster haben ehrfürchtig zu Gmeiner aufgesehen
Somit denkt sie offenkundig etwas anders, als es der Imster Bürgermeister für seine Bürger skizziert: "Die Imster haben ehrfürchtig zu Gmeiner aufgesehen", hält Stefan Weirather fest. Sie seien in einer Art "Schockstarre". Dass es jetzt diese Vorwürfe gebe, erschüttere die Imster zutiefst und hole Gmeiner gewissermaßen "von einem Sockel". Die Imster verstünden aber, dass das Abmontieren der Denkmäler, das Ändern des Straßennamens und die Umbenennung etwa der Volksschule jetzt dringend notwendig seien: "Spätestens, wenn sie von den Missbrauchsvorwürfen hören, gibt es keine Diskussion mehr."
Diesen Eindruck des Bürgermeisters bestätigt auch eine ältere Dame, die gerade an der Johanneskirche auf einem wenig frequentierten Gehsteig vorbeigeht. "Es wird schon irgendetwas dran sein an den Vorwürfen", meint sie. Wenn das so gewesen sei, sei das Abmontieren des Denkmals vor der Kirche absolut in Ordnung. Dennoch zeigt sie bereitwillig ein Video von ihrer Enkelin, an dem diese das Denkmal an einem Sommertag mit Wasser bespritzt: "Sie ist immer so liebevoll damit umgegangen."
Denkmal "einschmelzen und weg damit"
Eine alte Dame vor dem Pflegezentrum - dort stand lange die zweite Statue - hat angesichts der Umstände eine weniger ambivalente Meinung über das Denkmal: "Einschmelzen und weg damit." Sie habe für Missbrauch von Kindern "absolut kein Verständnis". Es sei "tragisch", dass das "alles erst jetzt aufkommt". Man hätte schon viel früher reagieren müssen. Jetzt fordert sie "einen klaren Schnitt".
Auch im Kaffeehaus ist Gmeiner ein Thema. "Ich war absolut schockiert", sagt dort eine Besucherin, die gerade mit einer Freundin bei einem Café sitzt: "Man hätte viel früher darüber reden müssen." An den Missbrauchsvorwürfen gegen den SOS Kinderdorf-Gründer zweifelt sie nicht, gibt aber zu bedenken: "Er kann ja nicht mehr zu Wort kommen." Zudem glaube sie auch, dass nicht nur Gmeiner, sondern auch den "damals Beteiligten, die davon wussten, eine Schuld zukommt". "Nach so langer Zeit werden wir leider nicht mehr wissen, was genau und wie passiert ist", bedauert sie.
Ruhe und normaler Alltag in SOS-Kinderdorf und bei Gmeiner-Volksschule
Szenenwechsel zum lokalen SOS-Kinderdorf und zur "Hermann-Gmeiner-Volksschule" außerhalb des Zentrums der Bezirkshauptstadt. Von den Missbrauchsvorwürfen gegen Gemeiner merkt man hier nichts. Im Imster SOS-Kinderdorf - Heimat für zahlreiche in Not geratene Kinder - scheint alles wie gewohnt seinen Lauf zu nehmen. Es ist relativ ruhig. Ein einzelnes Kind fährt in Begleitung einer Frau mit einem Dreirad durch das Areal. Lauter geht es hingegen vor der Volksschule in der Nähe des Kinderdorfs zu: Gegen Mittag ist die Schule zu Ende, es herrscht lautes und geschäftiges Treiben. Kinder spielen vor der Schule und werden schließlich von ihren Eltern abgeholt. Sie steigen in das jeweilige Auto. Anschließend geht es die Anhöhe hinunter - entlang der "Hermann-Gmeiner-Straße".
(APA)
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