Sex mit Zwölfjähriger: Strafverteidiger verteidigen Justiz

"Die Art und Weise, wie in den letzten Tagen medial über ein unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführtes Verfahren berichtet wurde, ist beunruhigend", hielt die VÖStV in einer der APA übermittelten Stellungnahme fest. Der Diskurs und vor allem in sozialen Medien verbreitete "untergriffige Botschaften" hätten eine Form an unsachlicher Kritik an Entscheidungen der Gerichte erreicht, "die das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat schwächt".
Strafverteidiger: "Politische Einmischung widerspricht Gewaltenteilung"
Kritik richteten die Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger auch an die Politik: "Politische Einmischung widerspricht der Gewaltenteilung. Zurufe von außen sind unseriös."
Die richterliche Unabhängigkeit sei ein wesentlicher Grundpfeiler des Rechtsstaats, Drohungen und Einschüchterungen gegen die Justiz, aber auch die Verteidigung seien "auf das Schärfste zurückzuweisen". Bis zu einem rechtskräftigen Schuldspruch hätten Beschuldigte bzw. Angeklagte "zwingend als unschuldig" zu gelten, betonte die VÖStV, die mediale Vorverurteilungen und Druckausübung auf Richterinnen und Richter als "inakzeptabel" zurückwies: "Gerichte sind strikt an das Gesetz gebunden und haben ausschließlich nach sorgfältiger Würdigung der in der Hauptverhandlung vorgekommenen Beweismittel über Schuld und Unschuld von Angeklagten zu entscheiden." Ohne Kenntnis des Akts und der in der Hauptverhandlung erörterten Beweise könne gar nicht überprüft werden, ob die vom Gericht vorgenommene Beweiswürdigung überzeugend ist.
Die Vereinigung der Österreichischen StrafverteidigerInnen richtete abschließend einen Appell "an alle Seiten" zu einem sachlichen Diskurs. Spekulationen zu einem laufenden, in weiten Teilen nicht öffentlichen Verfahren hätten zu unterbleiben.
Innsbrucker OLG-Präsident stört sich an "unqualifizierten Politikern"
Zuvor hatte der Innsbrucker OLG-Präsident Gosch erklärt, "sachliche Kritik" an Urteilen sei erwünscht, ihn würden aber die Äußerungen von "unqualifizierten Politikern" stören. "Wer Urteile kommentiert, verunglimpft und kritisiert, ohne den Inhalt zu kennen, der tut dem Rechtsstaat nichts Gutes", hielt der im September ins Amt eingeführte OLG-Chef in einem Pressegespräch fest. Insbesondere Politiker sprach er dabei an, die "massive Kritik an einem unabhängigen Urteil" geübt hätten. Dass die Öffentlichkeit in einem solchen Prozess großteils von der Hauptverhandlung ausgeschlossen werde, diene indes primär dem Opferschutz. OLG-Richterin und Mediensprecherin Claudia Hagen betonte, dass nur der Richter - der infolge des Prozesses auch bedroht worden war - in Kenntnis des gesamten Aktes sei.
Die nun aufgeflammte Debatte um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts begrüßte Gosch indes. Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) will das Zustimmungsprinzip - "Nur Ja heißt Ja" - umsetzen. Der Gerichtspräsident meinte zwar, dass dies eine politische Fragestellung sei. "Persönlich gefragt" befürworte er aber "alles, was die sexuelle Freiheit und Autonomie stärkt". Daher würde er das "Ja-Prinzip nicht a priori wegwischen", sondern durchaus "darüber nachdenken".
Vorschlag für Bundesstaatsanwaltschaft von "unabhängigem Personalsenat"
Als "Schritt in die richtige Richtung" bezeichnete Gosch zudem die geplante Einrichtung einer Bundesstaatsanwaltschaft. Sporrer wollte hier zuletzt die Eckpunkte mit Polit- und Justizvertretern noch diskutieren. Dass die Bundesstaatsanwaltschaft aus einem Dreiergremium an der Spitze besteht, bezeichnete Gosch als "gute Lösung". Nicht einverstanden zeigte er sich dagegen mit der reinen Bestellung durch den Nationalrat. Vielmehr wollte er einen Dreier- oder Neunervorschlag durch unabhängige Personalsenate umgesetzt wissen, wie es etwa bei der Bestellung von OGH-Präsident- und Vizepräsident eingeführt worden war. Der Nationalrat könnte anschließend aus diesem Vorschlag wählen, meinte er. Wichtig sei jedoch, dass nur Richter oder Staatsanwälte dafür infrage kommen, diese hätten schließlich die Unabhängigkeit "aufgesogen".
Gosch steckt knappes Budget in Personal
Am OLG-Sprengel für Tirol und Vorarlberg, für den Gosch seit Anfang Juni verantwortlich zeichnet, will er die "Serviceorientierung" trotz klammer Kassen ausbauen. Alle ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen würden derzeit ins Personal gesteckt. Damit könne er zwar alle Stellen nachbesetzen, eine eigentlich dringend nötige Aufstockung des Personals sei jedoch nicht drin.
Dies sei insbesondere aufgrund der zunehmenden Arbeit schwierig. Von 2023 bis 2025 habe es im Bereich der Insolvenzsachen bei den Landesgerichten einen Anstieg von 37 Prozent gegeben, bei den Strafsachen waren es bis zu 23 Prozent. Auch bei den Zivilsachen wurde ein Plus von acht Prozent registriert. Neben der schwierigen wirtschaftlichen Lage erklärte sich Gosch den Anstieg auch mit einer Aufstockung von Planstellen bei Polizei und Staatsanwaltschaft: "Wenn viel ermittelt wird, landet es auch irgendwann bei uns", resümierte er.
Informationsfreiheitsgesetz brachte keinen Ansturm
Auch die von der Politik übertragenen neuen Aufgaben machen die Lage nicht leichter. Gosch verwies dabei etwa auf die Neuerungen bei der Handysicherstellung, wonach eine richterliche Genehmigung im Voraus eingeholt werden muss, sowie auf die Veröffentlichungspflicht von OLG-Entscheidungen sowie das neue Informationsfreiheitsgesetz. Der erwartete Ansturm von Anfragen auf die Gerichte blieb jedoch aus: Nur eine Anfrage wurde seit dem Inkrafttreten Anfang September ans OLG gestellt.
(APA)
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