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"Sehe Gesichter der Getöteten"

Lauterach - Der Alltag hat den Flugcrash-Überlebenden Marcel Squinobal wieder. Aber nur oberflächlich. Denn nein, fröhlich schaut er nicht aus.  Marcel Squinobal im Gespräch mit VOL Live 

Jener 33-jährige Lauteracher, der zusammen mit seinem Lebenspartner Christoph Falchetti wie durch ein Wunder am 16. September den schweren Flugzeugcrash von Phuket überlebt hat. Viel mehr nachdenklich und bedrückt, mit Schweißperlen auf der Stirn. „Die Nachwirkungen der körperlichen Verletzungen spüre ich zwar auch noch. Aber das ist kein Problem. Viel schlimmer sind diese Bilder von Qualm, Zerstörung und am Boden liegende Menschen, die immer wieder kommen.“

Das innere Auge

Marcel Squinobal und sein Freund Christoph arbeiten im Gasthaus Weingarten in Lauterach den ersten Tag nach ihrer Rückkehr vor knapp zwei Wochen. Oder versuchen es zumindest. „Wir sind noch nicht voll einsatzfähig. Wir arbeiten mit halber Kraft. Mehr ist derzeit nicht drinnen.“ Schlecht schlafen würden sie, am Morgen stets gerädert sein. Einzelheiten der Tragödie tauchten stets vor ihrem inneren Auge auf. „Ich sehe Gesichter von den Menschen, die mit uns ins Flugzeug stiegen und jetzt tot sind“, sagt der Lauteracher. Mit einer Familie, die den Tod zweier Angehöriger beklagen, haben sie regelmäßig Kontakt. „Wir tun das gerne. Auch wenn es für uns nicht leicht ist“, meint Christoph Falchetti.

Info-Abend

Natürlich waren sie erleichtert, als sie endlich wieder heimatlichen Boden betraten. Nach einem Rückflug, bei dem Marcel Beruhigungsmittel brauchte, „damit ich überhaupt in den Flieger steigen konnte.“ Zu Hause freute sich der Lauteracher auf ein Schnitzel mit Bratkartoffeln, Christoph auf Krautwickel mit Pürree. Herzlich war die erste Begegnung mit den Angehörigen. Christophs Eltern, die extra aus Leipzig kamen, fuhren erst gestern wieder nach Hause. Für den Weg zurück in den Alltag haben sich Squinobal und Falchetti eine Strategie zurecht gelegt. „Ja nicht gleich an Orte gehen, wo dich alles auf das Unglück anredet“, erklärt Marcel Squinobal. Wohl wissend, dass sie sich im Gasthaus natürlich nicht vor Menschen verstecken können. „Wir haben uns daher entschlossen, für unsere Stammgäste einen Informationsabend zu machen. Dort reden wir über das Unglück und zeigen ihnen auch das Filmmaterial. Danach aber wäre es uns recht, halbwegs in Ruhe gelassen zu werden“, betont Squinobal.

Fliegen irgendwann

Ihre innere Ruhe versuchen die Beiden auch durch psychologische Betreuung zu finden. „Das ist sehr wichtig für uns“, sagt Marcel. Dazu gehört auch der Umgang mit Gefühlen von Wut über die Schuldigen an der Tragödie. „Zuerst war ich wütend auf den Pilot. Weil er bei diesen Bedingungen gelandet ist. Aber dann dachte ich mir: Auch er hat das mit dem Leben bezahlt. Verantwortlich für das Unglück ist die Fluglinie. Man hätte uns umdirigieren müssen“, so Squinobal. Stichwort Fliegen: Das wollen die Beiden irgendwann wieder. „Aber noch nicht so bald. Und wenn, dann nur mit einer sicheren Fluglinie“.

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