Der 9. Februar 2014 hat sich den Schweizern besonders stark ins Gedächtnis geprägt, war bei einem Arbeitsbesuch von WKÖ-Chef Christoph Leitl und österreichischen Journalisten zu bemerken.
Woher Fachkräfte nehmen?
“Wir stehen vor großen Herausforderungen”, sagte der Schweizer Regierungsrat Ernst Stocker. Nach der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative stelle sich die Frage, wo die Schweiz in Zukunft die benötigten Fachkräfte her bekomme. Zuletzt habe die Schweiz jährlich noch auf rund 80.000 Zuwanderer – nicht alles Fachkräfte – zählen können. Stocker, der auch Vizepräsident der Schweizer Volkswirtschaftsdirektoren ist, zeigte sich aber überzeugt: “Wir werden eine Lösung finden”.
Für Begrenzung der Zuwanderung gestimmt
Am 9. Februar stimmten 50,3 Prozent der Schweizer Stimmbürger für die Annahme der Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung”, mit der die Zuwanderung von Ausländern begrenzt werden soll. “Das ist das erste Mal, dass das Schweizer Volk eine bestehende Politik umwirft”, hieß es am Rande des Arbeitsbesuches. Das Vertrauen in die Schweizer Politik und Eliten sei nicht mehr so groß wie früher, die Verunsicherung unter den Schweizern habe zugenommen.
EU: “Guillotine-Klausel” tritt in Kraft
Mit der Abstimmung gegen den Grundsatz der Personenfreizügigkeit, dem die Schweizer in bilateralen Verträgen mit der EU zustimmten, wurde aber auch automatisch für eine Neuverhandlung von anderen Abkommen mit der EU gestimmt, da die Personenfreizügigkeit Teil der sogenannten sieben “Bilateralen Verträge” ist, die die Schweiz mit der EU 1999 abgeschlossen hat. Wenn aber nur einer dieser Verträge nicht erfüllt ist, tritt die sogenannte “Guillotine-Klausel” in Kraft, durch die beim Scheitern eines Abkommens automatisch die anderen gekündigt werden.
Inhalt dieser sieben bilateralen Verträge sind – mit Ausnahme des Forschungsabkommens – Erleichterungen in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Da die Schweiz den Großteil ihres Außenhandels, drei Viertel der Einfuhren und fast zwei Drittel der Ausfuhren, mit der EU abwickelt, hätte eine Kündigung der Verträge für die Eidgenossen dramatische Folgen. Der Schweizer Bundesrat hat nun noch zweieinhalb Jahre Zeit, das Abstimmungsergebnis umzusetzen.
Schweiz stark von Zuwanderung abhängig
Die Ablehnung der Personenfreizügigkeit ist deshalb von großer Bedeutung, weil die Schweiz sehr stark von ausländischen Fach- und Arbeitskräften abhängig ist. “Die Gefahr eines Fachkräftemangels ist eines der wichtigsten Themen”, hieß es. Auch das Forschungsprogramm “Horizont 2020” und das EU-Rahmenprogramm für Bildung, Jugend und Sport “Erasmus” sowie die Verhandlungen über einen grenzüberschreitenden Stromhandel sind von der Abstimmung betroffen.
Da die EU über die Personenfreizügigkeit nicht verhandeln will, werde die Lösung des Problems wohl darin bestehen, dass es “auf die eine oder andere Art wieder eine Abstimmung darüber geben wird”, hieß es weiter.
EU-Partnerschaft hat sich bisher ausgezahlt
Aber auch sonst geht es in der Schweiz zunehmend um die Frage, wie EU-Recht übernommen werden kann, ohne die Regeln der altbewährten direkten Demokratie zu untergraben. Denn Partnerschaft mit der EU hat sich für die Schweiz bisher ausgezahlt: Die bilateralen Abkommen – derzeit besteht das Vertragswerk aus rund 20 Haupt- und 100 Nebenabkommen – haben der Schweiz seit dem Jahr 2000 einen wirtschaftlichen Aufschwung beschert, nachdem siei in den 1990er Jahren noch deutlich darunter litt, die Teilnahme am gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum 1992 abgelehnt zu haben.
(APA)
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