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Schweiz gibt Euro-Mindestkurs auf: Schweizer Franken auf Höhenflug

Die SNB kippt den Euro-Mindestkurs - der Euro fällt prompt unter die 1-Franken-Marke.
Die SNB kippt den Euro-Mindestkurs - der Euro fällt prompt unter die 1-Franken-Marke. ©EPA
Zürich/Bern. Die Schweizer Notenbank hat eine radikale Kehrtwende vollzogen und den Mindestkurs des Franken zum Euro abgeschafft. Die europäische Gemeinschaftswährung sackte binnen einer Stunde nach der Ankündigung auf Kurse um 0,9586 Franken ab. 
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Kurssturz: So reagierte das Netz

Die Währungshüter begründeten ihre überraschende Entscheidung am Donnerstag mit dem immer stärker werdenden Dollar und dem anhaltend fallenden Euro. Dies hätte bei einem Festhalten an dem Mindestkurs von 1,20 Franken anhaltend starke Interventionen zur Folge gehabt.

Der Euro fiel zum Dollar auf 1,15795 Dollar, der niedrigste Kurs seit 2003. Zur Schwächung der eigenen Währung hatte die schweizerische Notenbank in den vergangenen drei Jahren Euro in Milliardenhöhe gekauft und diesen damit gestärkt. Allerdings schaffte es die Einheitswährung nicht, sich selbst von der Marke von 1,20 Franken zu lösen, mit steigenden Kosten für die SNB: “Die internationale Entwicklung ist auseinandergedriftet”, sagte SNB-Chef Thomas Jordan.

Quelle: ariva.de

Reaktion der Börse “übertrieben”

“Es machte keinen Sinn, eine wirtschaftlich nicht nachhaltige Politik weiterzuführen”, so der Präsident der Schweizerischen Nationalbank. Experten und die Schweizer Wirtschaft kritisierten die Entscheidung. Die Schweizer Börse reagierte schockiert und sackte zeitweise bis zu 14 Prozent ab. Auch der US-Dollar fiel zum Franken massiv auf einen Wert von 0,8864 CHF, der größte Rutsch seit mindestens 1971.

Die heftigen Marktreaktionen seien für die Währungshüter zweitrangig. Der Fall des Euro und der Aktienkurse seien eine Übertreibung, zu der die Kapitalmärkte nach einer so überraschenden Entscheidung einer Notenbank neigten. Der Markt werde sich auf einem vernünftigen Niveau einpendeln. Gravierende dauerhafte Nachteile für die Schweizer Wirtschaft befürchtet er, Jordan, nicht. Die Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren Zeit gehabt, sich an einen starken Franken anzupassen.

Experten befürchten, dass die Schweizer Exportwirtschaft in Bedrängnis gerät, wenn der Euro zum Franken nicht wieder aufwertet. Am Donnerstag sackte die Einheitswährung weiter ab und notierte erstmals seit August 2011 zeitweise bei einem Franken. Erwartet werden zudem negative Auswirkungen auf den Tourismus, weil Urlaub in der Schweiz durch den starken Franken deutlich teurer wird.

Vorarlberger Banken überrascht und abwartend

Auch die Vorarlberger Banken sind vom Schritt der Schweizer Nationalbank überrascht, erklärt Hypo-Vorstandsmitglied Michel Haller gegenüber VOL.AT. Derzeit sei es noch zu früh für eine Einschätzung der Folgen, man behalte die Entwicklungen im Auge und prüfe die Auswirkungen.

Auch für Vorarlbergs Bankensprecher Wilfried Hopfner kommt die Entscheidung überraschend: “Die SNB hat noch gestern dokumentiert, an bisherigen Kurs festhalten zu wollen.” Gleichzeitig mit der Kursfreigabe wurde aber auch der LIBOR-Leitzins als abschreckende Maßnahme auf -0,75 % gesenkt. Nun müsse man die weitere Entwicklung im Auge behalten. (Wilfried Hopfner im VOL.AT-Interview)

Nicht jeder Frankenkredit betroffen

Die Kursfreigabe betrifft hierzulande vor allem Besitzer von Frankenkrediten. Hopfner erwartet, dass bei vielen Krediten das sogenannte Top-Lost-Limit überschritten wird, diese Kredite werden damit automatisch in Eurokredite umgeschrieben. Für Frankenkredite, für die kein solches Verlustlimit eingerichtet wurde, wird die Schuld jedoch ansteigen.

Ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass Fremdwährungskredite oft endfällig sind. Sie werden also nicht in Raten beglichen, sondern erst am Ende der Laufzeit. Dadurch können vor allem jene Kreditnehmer in Schwierigkeiten geraten, deren Kredit demnächst fällig ist. Wer noch eine längere Laufzeit vor sich hat, kann auf steigende Kurse hoffen.

 

OeNB: 29,5 Mrd. Euro in Frankenkrediten

Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) warnte am Donnerstag vor den Auswirkungen auf Kredite, die von Landsleuten in Franken aufgenommen worden waren. Deren Volumen habe bei Unternehmen und privaten Haushalten Ende November bei 29,5 Milliarden Euro gelegen, teilte die Notenbank mit.

Der Schritt der SNB sei “von erheblicher Relevanz” für Kredite in Schweizer Franken, erklärte die OeNB. Sie habe seit Jahren vor den Risiken von Fremdwährungskrediten gewarnt. Die Aufnahme von Krediten in Franken war lohnend, weil der Zinssatz günstiger war als in anderen Währungsräumen.

Börse im freien Fall: “Massaker in Zürich”

An der Börse in Zürich brach der Leitindex SMI um fast 14 Prozent ein, rutschte zweitweise unter 8.000 Punkte – der stärkste Einbruch seit 1989. Aktienanleger verloren bis zu 140 Milliarden Franken. Devisenanleger dagegen, die zum bisherigen Mindestkurs in den Franken gewechselt waren, konnten einen hohen Gewinn einstreichen.

Händler sprechen von einem “Massaker”. “Die Auflösung der Wechselkursbindung wirkt wie die Sprengung eines Staudamms”, sagte ein Börsianer. Die künstlich angestaute Franken-Schwäche entlade sich nun schlagartig in einer Aufwertung der Schweizer Währung.

Vor allem exportorientierte Werte litten stark. Der Euro-Stoxx-50 verlor um etwa ein Prozent, nachdem er sich im Frühhandel noch auf Erholungskurs gezeigt hatte. Auch an der Wiener Börse sackte der ATX nach der Entscheidung ab.

Nervosität in Ungarn und Polen

In Ungarn und Polen reagierten die Märkte extrem. Der Forint gab nach und stürzte auf ein Allzeittief gegenüber dem Euro. Investoren gehen offenbar davon aus, dass das Land infolge der SNB-Entscheidungen in wirtschaftliche Turbulenzen gerät, und stoßen deswegen Forint ab.

In Polen hat das Ende des Mindestwechselkurs Panik ausgelöst. Der Höhenflug des Franken kommt rund 700.000 Haushalte mit Frankenkrediten teuer zu stehen: Die polnische Landeswährung Zloty verlor im Vergleich zum stark angestiegenen Franken fast 20 Prozent an Wert. Insgesamt wurden rund 40 Prozent der Immobilienkredite in Polen in Schweizer Franken abgeschlossen. Nach Angaben der polnischen Finanzaufsicht belaufen sie sich auf insgesamt rund 31 Mrd. Euro.

“Tsunami für die ganze Schweiz”

Swatch-Chef Nick Hayek reagierte gegenüber dem Onlineportal “Blick.ch” mit schwarzem Humor: “Es fehlen einem die Worte! Jordan ist ja nicht nur der Name des SNB-Präsidenten, sondern auch ein Fluss… und was die SNB da veranstaltet, ist ein Tsunami. Sowohl für die Exportindustrie wie auch für den Tourismus und schlussendlich für die ganze Schweiz.”

Gleichzeitig mit der Aufhebung des Mindestkurses beschloss die SNB, den Strafzins auf Einlagen von Banken bei der Notenbank auf 0,75 Prozent von 0,25 Prozent zu erhöhen. Das soll Geld aus dem Ausland abschrecken und so den Franken schwächen. Zudem verschiebt die SNB das Zielband für ihren Referenzzins Dreimonats-Libor tiefer in den negativen Bereich auf minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent. (red/APA)

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