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Schweiz: Druck aus der EU

Brüssel für gemeinsame "Hausordnung".
Brüssel für gemeinsame "Hausordnung". ©AP
Die EU macht zunehmend Druck auf die Schweiz. Im Mittelpunkt stehen institutionelle Fragen wie die Übernahme neuen EU-Rechts im Binnenmarktbereich oder eine Gerichtsinstanz und ein Streitschlichtungsmechanismus.

EU-Ratspräsident Jose Manuel Barroso und der Gesandte Brüssels in Bern, Richard Jones, machen deutlich, dass der bilaterale Weg für die EU an seine Grenzen gestoßen sei, berichtet die aktuelle Schweizer Presse. Die jüngsten Vorschläge der Schweiz zur Übernahme von EU-Recht und einer Schlichtungsinstanz hatte der EU-Rat bereits im Dezember abgelehnt. Botschafter Jones warb am Freitag stattdessen für ein Rahmenabkommen, eine gemeinsame “Hausordnung”. Wolle die Eidgenossenschaft ihre Teilnahme am EU-Binnenmarkt ausbauen, dann reichten “nebeneinanderstehende statische Abkommen” nicht mehr. Das aktuelle System gewährleiste keine Rechtssicherheit.

Schweiz arbeitet an Plan B

Der ursprüngliche Vorschlag Berns mit einer rein nationalen Überwachungsbehörde, die im Fall einer Klage das Schweizer Bundesgericht anrufen soll, stieß in Brüssel auf Skepsis. Eine speziell geschaffene Gerichtskammer hätte entscheiden müssen, ob ein Verstoß vorliegt. Barroso schrieb in einem Antwortbrief, “keine Hausordnung sieht vor, dass bei Streitigkeiten zwischen den Hausbewohnern eine Partei alleine den Richter stellt”.

Die aktuelle Sonntagspresse schreibt, das Schweizer Außenministerium (EDA) arbeite derzeit an einem Plan B, mit dem institutionelle Fragen mit der EU gelöst werden sollen. Neu wolle die Schweiz diese Gerichtskammer mit Richtern aus dem EU-Raum ergänzen, doch selbst in Bern befürchtet man, dieser Vorschlag sei für Brüssel inakzeptabel, schreibt die “SonntagsZeitung”.

Deshalb will ein zweiter Vorschlag die für die bilateralen Verträge zuständige Bundesgerichtskammer verpflichten, zur Urteilsfindung Gutachten des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) einzuholen. So solle sichergestellt werden, dass die europäische Rechtsprechung für den EU-Binnenmarkt auch bei der Umsetzung der bilateralen Verträge gilt.

Großer Schritt in Richtung EU?

Diplomaten berichten, damit könne die Substanz der EU-Forderung nach einer einheitlichen, die Schweiz umfassenden Rechtsprechung für den EU-Binnenmarkt erfüllt werden. Formal bliebe aber ein Schweizer Gericht zuständig.

Innenpolitisch bedeutet dies dem Blatt zufolge, man müsse sich nicht vorwerfen lassen, dass man fremde Richter bestimmen lässt. Dieses Argument wird insbesondere von der EU-kritischen Volkspartei (SVP) gerne und häufig ins Feld geführt. Faktisch bedeute dies dennoch einen großen Schritt auf die EU zu, denn die Schweiz übernehme die EU-Rechtsprechung.

Erste Schweizer Parlamentarier zeigen sich skeptisch gegenüber dem Vorschlag. SP-Präsident Christian Levrat (Sozialdemokraten) etwa geht davon aus, dass sich Bern am Ende mit einer EWR-Lösung arrangieren wird. Die Eidgenossenschaft würde dann wie die EWR-Staaten das EFTA-Gericht als Kontrollorgan akzeptieren.

Zuwanderung: Schweiz will souverän bleiben

Ein strittiger Punkt bei der Gerichtsbarkeit ist die Frage, ob die Schweiz das Recht hat, die sogenannte “Ventilklausel” anzuwenden. Vergangenen Frühling rief die Schweiz diese Klausel für EU-8-Staaten aus. Sie erlaubt es, eine Zeit lang Einwanderungskontingente zu bestimmen. Jones hat jüngst gegenüber Schweizer Medien die Diskriminierung von EU-Bürgern beklagt. Brüssel hatte der Schweiz gegenüber deutlich gemacht, dass die Ventilklausel 2013 nicht reaktiviert werden soll.

Bevor sich die beiden Lager in diesem Punkt finden, wird die Schweiz über einen neuen Kohäsionsbeitrag an die EU befinden müssen. Jones erklärte, die Verhandlungen seien noch nicht so weit gediehen, dass über genaue Zahlen gesprochen werden könne. Die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) schätzt den Betrag für die “nächste Fünfjahresperiode” auf rund 1,3 Mrd. Schweizer Franken (1,08 Mrd. Euro). Darin enthalten ist die EU-Erweiterung für Kroatien.

Ende 2006 nahmen die Schweizer Stimmbürger die Zahlung der ersten Kohäsionsmilliarde an Brüssel für die damals neuen Mitgliedstaaten in Mitte- und Osteuropa an. Nach dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien bewilligte die Schweiz weitere 257 Millionen Schweizer Franken.

(APA)

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