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Schwanger mit 15: "Ich wollte das Kind"

Anna* erfuhr mit ­gerade einmal 15 ­Jahren von ihrer Schwangerschaft. Mittlerweile ist ihr Sohn fast drei Jahre alt. WANN & WO erzählt sie von ihren Erfahrungen und dem ­Alltag als junge Mama.

WANN & WO: Anna, deine frühe Schwangerschaft war nicht geplant.Wie hast du reagiert, als du die Neuigkeiten erfahren hast? Was war das für ein Gefühl?

Anna: Bis ich den Test in der Hand hielt, verspürte ich ein dumpfes, erdrückendes Gefühl. Es war ­schockierend, überwältigend und hat sich sehr unreal angefühlt. Dennoch spürte ich sofort, dass ich dieses Kind liebe und beschützen möchte.

WANN & WO: Du hast dich ganz bewusst gegen eine Abtreibung ­entschieden. Wie hast du die Schwangerschaft erlebt?

Anna: Zu vielen Zeitpunkten war es ganz schrecklich. Die psychische Belastung war riesig. Ich wusste, dass eine Teenie-Schwangerschaft kaum Freudentränen auslösen wird. Deshalb erzählte ich es fünf Monate lang niemandem, außer meinem damaligen Freund. Gleichzeitig hatte ich aber mit Erbrechen und Kreislaufproblemen zu kämpfen. Bemerkt hat es niemand und mir wurde es wahrscheinlich auch nicht zugetraut. Ich habe eine Beratung und Therapie angefangen und konnte mich dann überwinden, mein Geheimnis zu erzählen. Ich zog mich noch mehr zurück, als ich es eh schon tat. Nur noch ein paar wenige durften mich ­besuchen. In die Schule musste ich nicht mehr, da bald Ferien waren und danach die Geburt schon anstand.

Anna* und ihr Sohn, den sie mit 15 bekam.

WANN & WO: Wem hast du dich in dieser Zeit anvertraut?

Anna: Als erste und lange Zeit einzige Person, wusste mein damaliger Freund davon. Seine Freude war groß, er wünschte sich eine Familie. Dazu stehen konnte er allerdings nicht. Ich bekam einmal einen Anruf von seinem Kollegen, der neben ihm saß. Er fragte mich, ob eine Abtreibung nicht eventuell doch möglich wäre. Durch die Therapie konnte ich mich schließlich von unserer toxischen Beziehung lösen. Dem Kind zuliebe, wollte ich den Kontakt zu ihm nicht abbrechen. Heute haben wir keinen Kontakt mehr.

WANN & WO: Wie hat der Rest ­der Familie reagiert und wie sind sie mit der Situation ­umgegangen?

Anna: Seine Familie war einmal zu Besuch und verlangte einen Vaterschaftstest von mir. Dieser wurde durchgeführt und dennoch bestand danach kein Interesse mehr an usnerem Kind. Auch in meiner Familie war es anfangs schwer, weshalb es auch mehrere Auseinandersetzungen gab. Ich denke, sie waren vor allem enttäuscht und entsetzt. Schlussendlich freute sich jeder auf das Baby, doch nicht auf die gesamte Situation, die damit auf mich zukam.

WANN & WO: Du hast gesagt, dass du von Anfang an wusstest, dass du das Kind lieben und beschützen willst. Wie hast du das in der Schwangerschaft gemerkt?

Anna: Es war jedes Mal ­­­wunderschön, wenn ich mein Kind gespürt habe. Ich habe mich jede Sekunde auf mein Baby gefreut. Die ganzen schlechten Dinge der Schwangerschaft beeinflussen die Liebe zwischen uns nicht. Es wäre bestimmt leichter gewesen, in zehn oder 20 Jahren Mama zu werden, deshalb empfehle ich auch niemandem, so jung eine Schwangerschaft zu planen. Aber falls eine Schwangerschaft besteht, kann man es schaffen, wenn man bereit ist, Hilfe anzunehmen.

Anna* hält die Hand ihres Sohnes.

WANN & WO: Ein Kind stellt das eigene Leben ganz schön auf den Kopf. Wie sieht dein Alltag jetzt aus?

Anna: Dreimal in der Woche stehen wir um 6.30 Uhr auf und fahren zur Kinderbetreuung. Von da aus kann ich direkt zur Arbeit. Um kurz vor zwölf muss ich wieder zur Kinderbetreuung, um meinen Sohn zu holen. An drei Abenden besuche ich die Schule für vier Stunden. In dieser Zeit passen Verwandte oder Freunde auf mein Kind auf. Ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit dem Kleinen zu verbringen, denn das ist mir das Wichtigste und Schönste. Dass ich dabei oft auf der Strecke bleibe, fiel mir am Anfang sehr schwer. Mein Alter macht es schwieriger, aber nicht unmöglich. Mein Kind wird geliebt. Dieses Gefühl kann eine Mutter geben oder nicht. Das hat aber mit dem Alter nichts zu tun.

WANN & WO: Mit welchen Vorurteilen siehst du dich konfrontiert?

Anna: Vorurteile gibt es einige. Viele davon betreffen die Verhütung und dass ich zu dumm dafür gewesen sei. Am Ende geht es aber auch gar niemanden etwas an. Auch bei der Geburt lief einiges falsch. Gewalt im Kreißsaal ist auch bei uns ein Thema.

WANN & WO: Inwiefern behindern dich diese Vorurteile im Alltag?

Anna: Ich durfte vor meiner Volljährigkeit nicht alleine mit meinem Kind ins Hallenbad. Eine Taufe war aufgrund meiner Minderjährigkeit auch nicht möglich. In Social Media habe ich hässliche Nachrichten bekommen und wurde gemobbt. Die Menschen geben mir oft das Gefühl, dass es nicht richtig ist, dass ich Mutter bin, obwohl ich mein ganzes Leben danach ausrichte, für mein Kind da zu sein. Sie wollen, dass ich mich dafür schäme, Mutter zu sein. Anfangs hat es mich verletzt und verärgert, heute nehme ich es mir nicht mehr zu Herzen. Es ist eher eine Enttäuschung, wenn Menschen urteilen, ohne das Geringste zu wissen.

WANN & WO: Die Erfahrungen, die du gemacht hast, klingen sehr erschütternd. Hast du auch schon Zuspruch für deine Entscheidung erhalten?

Anna: Ja, immer öfter bekomme ich auch positive Rückmeldungen. Viele sagen, dass sie großen Respekt davor haben, wie ich alles hinbekomme. Ich denke, dass ich durch die unglaubliche Menge an Kritik noch mehr darauf achte, alles richtig zu machen. Ich muss manchmal aufpassen, dass ich mir nicht zu viel Druck mache, denn selbst perfekt ist mir für mein Kind noch nicht gut genug.

WANN & WO: Du scheinst in deiner Rolle als Mama richtig aufzu-
gehen. Was ist das Schönste für dich daran?

Anna: Diese unendliche Liebe. Egal wie mies mein Tag war, sobald ich dieses kleine Lächeln sehe, bin ich glücklich. Man hat auch immer einen Grund, nicht aufzugeben. Von Kindern kann man viel lernen, zum Beispiel sich über Regen und Sandkuchen zu freuen. Dieses kleine Wesen aufwachsen zu sehen ist unglaublich schön. Zuerst konnte er gerade mal seine Augen öffnen, jetzt rennt er zum Kühlschrank und sagt mir, dass ich die falsche Marmelade gekauft habe. Man muss bestimmt einiges mit Humor nehmen, um mit dem Mama-Alltag klarzukommen. Dass das nicht immer funktioniert, ist völlig okay, aber um nichts in der Welt würde ich mein Leben in eines ohne Kind tauschen.

WANN & WO: Ein Kind ändert sicher nicht nur das Leben, sondern auch einen selbst. Wie hast du dich in dieser Zeit weiterentwickelt?

Anna: Das Ganze hat mich sehr verändert. Ich löste mich von vielen Menschen in meinem Umfeld. In so jungem Alter diese Menge an Lebenserfahrung zu haben, macht einen spürbaren Unterschied. Mit Leuten in meinem Alter kann ich oft nichts anfangen. Dinge, über die sich andere wochenlang streiten, sind für mich nicht der Rede wert. Probleme und Interessen sind jetzt einfach andere. Natürlich gehe ich trotzdem manchmal feiern oder shoppen, aber es hat einen ganz anderen Stellenwert. Es gab einige Tiefpunkte, doch nichts anderes hätte mir diese Entwicklung ermöglicht.

*Der Name wurde geändert und ist der Redaktion bekannt.

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(WANN & WO)

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