Schulstart für Migrantenkinder künftig in Orientierungsklassen

Die Regierung plant, Orientierungsklassen für Kinder und Jugendliche einzuführen, die über die Familienzusammenführung nach Österreich kommen. In diesen Klassen sollen sie erste Deutschkenntnisse und grundlegende Fertigkeiten für den Schulbesuch erwerben, bevor sie in eine Regel- oder Deutschförderklasse wechseln. Ein entsprechendes Konzept soll am Mittwoch im Ministerrat beschlossen werden.
In Wien und Vorarlberg gibt es bereits ähnliche Modelle. Die geplante bundesweite Einführung ist eine Reaktion auf den steigenden Bedarf: Seit 2023 sind verstärkt Kinder von Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten nach Österreich gekommen, die aufgrund ihrer Fluchterfahrungen oft wenig bis gar keine schulische Vorerfahrung haben. Neben fehlenden Deutschkenntnissen mangelt es vielen auch an sozialen Grundkompetenzen oder Alphabetisierung.
Orientierungsklassen als erste Stufe der Integration
Besucht diese Gruppe von Tag eins weg eine Regel- oder Deutschförderklasse, "überfordert das die Kinder und Jugendlichen und überfordert das Schulsystem", betonte Bildungsminister Christoph Wiederkehr (NEOS) im Foyer nach dem Ministerrat. Deshalb hätten Wien und Vorarlberg eigene Versuche gestartet, Orientierungsklassen einzuführen. Nun soll über eine Gesetzesänderung mit kommendem Schuljahr auch die Rechtsgrundlage dafür geschaffen werden.
Mit den Orientierungsklassen soll diesen Kindern und Jugendlichen der Einstieg ins österreichische Schulsystem erleichtert werden, indem sie dort bis zu einem Semester lang in einem eigenen, jahrgangsübergreifenden klassenartigen Verband eine erste Orientierung erhalten. Im Zentrum stehen dabei erste Deutschkenntnisse, für den Schulbesuch notwendige Grundfertigkeiten wie Stifte halten oder mit der Schere schneiden, aber auch "das Vermitteln relevanter Werte und Grundsätze für das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft (wie Respekt, Gleichberechtigung, Toleranz, Verantwortung und Selbstbestimmung)". Im Rahmen der Orientierungsklassen sollen auch die Eltern über Regeln und Pflichten in der Gesellschaft und im Schulkontext informiert werden.
Besuchsdauer noch nicht fixiert
Welche Quereinsteiger mit unzureichender Schulerfahrung und Deutschkenntnissen eine Orientierungsklasse besuchen, soll nach einem Orientierungsgespräch entschieden werden. Dabei werden schulische Vorerfahrung der Kinder, deren Alphabetisierungsgrad und weitere für den Schulalltag wichtige Informationen erhoben. Wie viele solcher Klassen im nächsten Schuljahr notwendig sein werden, konnte Wiederkehr am Mittwoch noch nicht einschätzen.
Zur Umsetzung des Konzepts wurden im Bildungsministerium bereits inhaltliche Materialien, etwa ein Lehrplan und weitere Unterrichtsbehelfe, erarbeitet. Zusätzlich können Schulpsychologie und Integrationsangebote eingebunden werden. In der Regierung wird nun an einem gemeinsamen Gesetzesentwurf für die gesetzliche Verankerung des Modells gearbeitet.
Modelle aus Wien und Vorarlberg als Vorbilder
In Wien wurden die Orientierungsklassen bereits 2023 eingeführt. Dort dauert der Besuch durchschnittlich zwei Monate. Bisher haben über 500 Kinder daran teilgenommen. Neben der Vermittlung schulischer Grundkenntnisse gibt es dort auch ein spezielles Angebot für Eltern, um sie in den Schulalltag einzubinden.
In Vorarlberg läuft seit Herbst 2024 das Pilotprojekt „Lernraum Schule und Kultur“. Dort besuchen rund 40 Kinder eine dislozierte Deutschförderklasse, bleiben aber für Sport-, Werk- und Musikunterricht in ihrer Stammschule. Erst nach Bestehen des MIKA-D-Tests wechseln sie in eine reguläre Deutschförderklasse. Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink (ÖVP) zieht eine positive Bilanz: „Es ist eine große Chance für die Schülerinnen und Schüler und entlastet gleichzeitig die Stammschule.“ Ein weiterer Standort ist in Prüfung.
FPÖ fordert Stopp von "illegaler Masseneinwanderung"
Für die FPÖ wird durch die Orientierungsklassen nichts gegen eine Überforderung der Schulen durch Schüler, die weder Deutsch noch Lesen und Schreiben können, getan. Statt "bloßer Symptombekämpfung" müssten der Familiennachzug und "illegale Masseneinwanderung" gestoppt werden, forderte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz per Aussendung.
Die Grüne Bildungs- und Integrationssprecherin Sigrid Maurer sah in einer Aussendung hingegen einen wichtigen Schritt, um neu in Österreich angekommene Schülerinnen und Schüler gezielt zu unterstützen und für die Schule vorzubereiten. "Klar ist aber auch: Ohne zusätzliche Ressourcen bleiben Orientierungsklassen ein schönes Konzept auf dem Papier." Wichtig sei, dass über die konkrete Umsetzung schulautonom entschieden wird und dass es genug Personal gibt, um ausreichende Begleitung sicherzustellen und Schulen und Lehrpersonal tatsächlich zu entlasten.
(APA/Red)
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