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Schule neu

Mehr als Schule.
Mehr als Schule. ©Darko Todorovic
Feldkirch - Schule umbauen bedeutet, Gestaltungswillen und Entfaltungslust gegen eine teils überholte Struktur aus Abgrenzungen, Normen und Mindestanforderungen durchzusetzen. Respekt, wem das gelingt!
Schulzentrum Oberau Feldkirch

Im Februar vor etwa 45 Jahren gab es keine „Energieferien“. Die Ölkrise von 1973 war noch einigermaßen fern, die Häuser waren noch nicht „passiv“ und der Beruf des Energieberaters noch nicht erfunden. Architektur wurde als luftiges Spiel der Baukörper im Licht der Sonne verstanden. Architekt Willi Ramersdorfer (1922–2010) war damals gemeinsam mit seinem Partner German Meusburger in Vorarlberg bereits bekannt für dieses Bauen im Geist der Moderne (z. B. Textilschule/heute Fachhochschule, Alte Naturschau/ heute Vorarlberger Architekturinstitut). Die Volks- und Hauptschule für Gisingen Oberau, die von 1966–1971 entstand, war das achte Schulprojekt, das Ramersdorfer mit entsprechend viel Erfahrungswissen und Feingefühl für die schulischen Anforderungen seiner Zeit planen konnte. Im Februar 2013 führt Architekt Dietmar Walser durch das Gebäudeensemble. Sein Büro, das er seit 23 Jahren mit Erwin Werle in Feldkirch betreibt, gewann in Kooperation mit Architekt Gernot Thurnher den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb zur Generalsanierung und Erweiterung des Schulzentrums, was nach den vielen Jahrzehnten der Nutzung und entsprechend den Anforderungen einer neuen Zeit nötig geworden war.

Mehr als Schule

Ein Grund für den Erfolg des Entwurfs dürfte in der analytischen Klarheit liegen, mit der das komplexe Raumprogramm im Gebäudeensemble organisiert wurde. Neben der Neuen Mittelschule für gut 400 Schüler(innen), der Volksschule für knapp 200 und vier Kindergartengruppen, wurde viel Platz für das Vereinsleben geschaffen. Die Schützen üben hier den kultivierten Umgang mit der Waffe, die Mitglieder des Radfahrclubs trainieren im Kraftraum ihre Waden und auch der Männerchor hat beispielsweise einen Proberaum im Haus. Eine besondere Kooperation gibt es mit dem Alpenverein. Neben der großen Kletterwand in einer der neuen Turnhallen gibt es auch einen „Boulder“- Raum im Untergeschoß, der von den Schüler(inne)n mitbenutzt werden kann.„Hier ist jeden Tag bis 22 Uhr Vollbetrieb“, sagt Walser, der sich kaum daran stört, dass die Gestaltung nicht überall bis ins Detail von Architektenhand entworfen werden konnte. „Die Ausstattung haben die Vereine mit viel Engagement und eigenen Mitteln selbst übernommen. Wir haben einfach geschaut, dass die Struktur stimmt.“ – eine angenehm uneitle Haltung der Architekten, die in vielen Bereichen des Gebäudes sichtbar und wirksam wird.
Nicht nur die räumliche Organisation der außerschulischen Nutzungen war eine Herausforderung, auch die passende Art der Trennung und Verbindung der einzelnen Schulteile und des Kindergartens untereinander und mit dem erweiterten Sportbereich wollten gut durchdacht sein. Eine wesentliche Errungenschaft ist die funktionale Präzisierung der Außenbereiche: Im Osten Richtung Hämmerlestraße wird zugefahren und geparkt, der hochwertige Naturraum an der Ill wurde durch den Abriss der alten Schulküche und einer Nebenturnhalle für den Bewegungsdrang der Schüler(innen) freigeräumt. Der viel bejammerte Hang der heutigen Jugend zu übermäßiger körperlicher Schonung dürfte in Oberau generell kein Thema sein: Auf den Grundmauern der alten Turnhalle wurde eine großzügige, unterteilbare Halle errichtet, die alle Stücke spielt. Daran anschließend funktioniert im Norden eine weitere Halle auch für größere Events: mit Theke für Ausschank, Zuschauertribünen und Regieraum. Die Konzeption dieser Hallen, die zum leistungsfähigen Mehrzwecksaal für Großveranstaltungen zusammengeschlossen werden können, ist ein Bekenntnis zu Öffentlichkeit und gesellschaftlicher Einbindung, das für die Schulen der Zukunft wünschenswert scheint.

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Neben acht weiteren Schulklassen und Unterrichtsräumen der Mittelschule in den beiden Geschoßen über der neuen Turnhalle wurde auch in den Bestandsgebäuden neuer Raum geschaffen. Die Behörden, die mit Augenmaß und konstruktiver Zusammenarbeit am Erfolg des Umbaus nicht unbeteiligt waren, forderten die Brandschutztrennung der offen geführten Stiegenläufe. Das brachte die Architekten auf die Idee, die alten Treppen gleich ganz zu entfernen und stattdessen an die Nordseiten nach außen zu platzieren. Dort konnte jeweils eine Lücke in der Außenform der mehrfach rückspringenden Gebäude geschlossen werden, was den Energiebedarf nun reduziert. Aber noch wichtiger: Wo vorher im Zentrum der beiden Schulen eine Treppe stand, finden sich nun großzügige Atrien mit viel Licht von oben. Diese Aulen fördern den Austausch und das Gemeinschaftsgefühl der Nutzer(innen). Das kommt dem neuen Verständnis von Schule als Ort intensiver Kommunikation und Teamarbeit entgegen.
Direktorin Lissy-Rauch, die mit „Mehrsprachigkeit“ der Volksschule einen wertvollen Schwerpunkt gibt, hebt besonders die neu entstandene Bibliothek mit Rechercheraum als großen Gewinn des Umbaus hervor. Ich frage sie zum Schluss, ob ich schreiben dürfe, dass mir die Ausstattung und Möblierung für eine ansonsten so hochwertige Schule doch sehr dürftig scheine: „Wir suchen noch Sponsoren für mehr Stühle!“, lacht sie mit ein bisschen Ernst, könne ich schreiben.

Daten & Fakten

Objekt: Schulzentrum Oberau Feldkirch

Architekten: walser + werle architekten mit Architekt DI Gernot Thurnher

Örtliche Bauaufsicht: Baumeister Hassler, Dornbirn
Bauphysik: WSS Wärme- und Schallschutztechnik, Frastanz

Statik: SSD Beratende Ingenieure, Röthis (Neubau); Zierl, Bludenz (Bestand)

Planung: 2009–2012

Baubeginn: 2010

Fertigstellung: Oktober 2012

Grundstücksfläche: 23.543 m²

Nutzfläche: 15.206 m²

Bauweise: Bestand: Betonskelettbau; Fassadenerneuerung: Wärmeschutz (Steinwolle), hinterlüftete Putzfassade (Cement Board); Neubau: Klinkerfassade; Fenster: Holz-Alu, Dreifachverglasung; Verglasungen: Turnhalle als Pfosten- Riegel-Konstruktion; Heizung: Contracting-Modell (Prozessabwärme der angrenzenden Großmolkerei über Fernwärmeleitung und Pufferspeicher)

Ausführung: Baumeister: Jägerbau, Schruns; Metallfassade: Battisti, Sulz; Fassadenelemente Klinker: Moeding Keramikfassaden, Marklkofen (D); Verputzfassade: Wolf, Dornbirn

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten.

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